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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band.

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III.
Ans Berlin.

Die Prefifrage auf dem preußischen Landtage. -- Auerswald, Hansemann und Thadden.
-- Sorgen und Hoffnungen.

Es ist höchst beklagenswert!), daß die Masse von Material, die den Preußi¬
schen Landtag gegen den Schluß seiner Sitzungen überhäufte, aus Mangel an
Zeit so sehr in Bausch nud Bogen abgehandelt ist. Darüber haben einige der
wichtigsten Fragen zu. einem Resultat geführt, das wir im Interesse des Fort¬
schritts nur bedauern können. Ich meine hier namentlich die Verhandlungen
über die Presse. Es ist allgemein ausgesprochen, daß auf dem Bundestage ein
Preßgcsetz vorbereitet wird, das formell zwar die Eensur aushebt, in der That
aber einen Zustand herbeiführt, gegen welche" jeder Schriftsteller die Censur selbst
ein Paradies zu nennen berechtigt wäre; es ist eben so ausgcspochcn, daß ge¬
rade von Preußen der Vorschlag zu demselben ausgeht. Dieser angebliche Ent-
wurf ist sogar veröffentlicht worden. Es mußte uun wohl jeden in Erstaunen
setzen, daß der Landtag den Beschluß faßte: den König um Aushebung der
Censur und um Erlaß eines Preßstrafgcsctzcs zu bitten, und ihn zu veranlassen,
den Entwurf dazu dem Vereinigten Landtage vorzulegen, der nach den Erklä¬
rungen des Königs erst nach vier Jahren stattfinden soll. Der Landtag hat die
Erklärung hinzugefügt, daß diese Bitte aus sehr verschiedenen Gründen hervor¬
gegangen sei, d. h. wie der König aus den stenographischen Berichten sich infor-
miren kann, daß die Einen eine Verschärfung der Maßregeln gegen die Presse,
die Andern aber eine Milderung derselben für wünschenswerth halten. Der Urhe¬
ber dieses geistreichen Vorschlags ist wieder Herr v. Auerswald, von dem auch
jene berühmte Adresse ausging, in welcher Schwarz und Weiß zugleich als der
Ausdruck der öffentlichen Meinung angegeben wurde. Natürlich wird die Negie¬
rung, da sie zwei sich widersprechende Dinge nicht zugleich thun kann, diejenige
Meinung vorziehn, die ihr genehm ist. Ist es nun ferner nicht ein mindestens
leichtsinniges Jgnoriren der Thatsachen, wenn man auf jene Angabe, daß ein
formell den Anforderungen der Versammlung entsprechendes Prcßgesetz vorbereitet
würde, das aber seinem Inhalte nach alle Bewegung der Presse aufheben müsse,
gar keine Rücksicht nimmt? Um so mehr muß man das Verdienst des Einzelnen
anerkennen, der sich von der Idee einer allgemeinen Uebereinstimmung der ent¬
gegengesetztesten Ansichten wenigstens nicht so weit hinreißen ließ, den Ausdruck
seiner eigenen Ueberzeugung zurückzuhalten. Herr Hansemann hat auch in dieser
Sache wieder den Ruhm erlangt, sich als der Geflnnungsvollste und Ehrlichste
der Versammlung gezeigt zu haben. Im Uebrigen aber kommt mir der Landtag
in dieser Frage wie der Vogel Strauß vor, der der Gefahr dadurch zu entge¬
hen glaubt, daß er das Auge abwendet. Wenn Herr v. Thadden erklärt: "gebt
den Literaten Freiheit zu sagen was sie wollen, aber richtet den Galgen für sie
ans;" so kann man freilich sagen, daß Herr v. Thadden vorläufig noch nicht
Minister ist, daß es also mit dem Hängen noch Zeit hat; aber jene Ansicht, so
schroff und paradox sie auch von diesem berühmten Belnstiger der Versammlung


III.
Ans Berlin.

Die Prefifrage auf dem preußischen Landtage. — Auerswald, Hansemann und Thadden.
— Sorgen und Hoffnungen.

Es ist höchst beklagenswert!), daß die Masse von Material, die den Preußi¬
schen Landtag gegen den Schluß seiner Sitzungen überhäufte, aus Mangel an
Zeit so sehr in Bausch nud Bogen abgehandelt ist. Darüber haben einige der
wichtigsten Fragen zu. einem Resultat geführt, das wir im Interesse des Fort¬
schritts nur bedauern können. Ich meine hier namentlich die Verhandlungen
über die Presse. Es ist allgemein ausgesprochen, daß auf dem Bundestage ein
Preßgcsetz vorbereitet wird, das formell zwar die Eensur aushebt, in der That
aber einen Zustand herbeiführt, gegen welche» jeder Schriftsteller die Censur selbst
ein Paradies zu nennen berechtigt wäre; es ist eben so ausgcspochcn, daß ge¬
rade von Preußen der Vorschlag zu demselben ausgeht. Dieser angebliche Ent-
wurf ist sogar veröffentlicht worden. Es mußte uun wohl jeden in Erstaunen
setzen, daß der Landtag den Beschluß faßte: den König um Aushebung der
Censur und um Erlaß eines Preßstrafgcsctzcs zu bitten, und ihn zu veranlassen,
den Entwurf dazu dem Vereinigten Landtage vorzulegen, der nach den Erklä¬
rungen des Königs erst nach vier Jahren stattfinden soll. Der Landtag hat die
Erklärung hinzugefügt, daß diese Bitte aus sehr verschiedenen Gründen hervor¬
gegangen sei, d. h. wie der König aus den stenographischen Berichten sich infor-
miren kann, daß die Einen eine Verschärfung der Maßregeln gegen die Presse,
die Andern aber eine Milderung derselben für wünschenswerth halten. Der Urhe¬
ber dieses geistreichen Vorschlags ist wieder Herr v. Auerswald, von dem auch
jene berühmte Adresse ausging, in welcher Schwarz und Weiß zugleich als der
Ausdruck der öffentlichen Meinung angegeben wurde. Natürlich wird die Negie¬
rung, da sie zwei sich widersprechende Dinge nicht zugleich thun kann, diejenige
Meinung vorziehn, die ihr genehm ist. Ist es nun ferner nicht ein mindestens
leichtsinniges Jgnoriren der Thatsachen, wenn man auf jene Angabe, daß ein
formell den Anforderungen der Versammlung entsprechendes Prcßgesetz vorbereitet
würde, das aber seinem Inhalte nach alle Bewegung der Presse aufheben müsse,
gar keine Rücksicht nimmt? Um so mehr muß man das Verdienst des Einzelnen
anerkennen, der sich von der Idee einer allgemeinen Uebereinstimmung der ent¬
gegengesetztesten Ansichten wenigstens nicht so weit hinreißen ließ, den Ausdruck
seiner eigenen Ueberzeugung zurückzuhalten. Herr Hansemann hat auch in dieser
Sache wieder den Ruhm erlangt, sich als der Geflnnungsvollste und Ehrlichste
der Versammlung gezeigt zu haben. Im Uebrigen aber kommt mir der Landtag
in dieser Frage wie der Vogel Strauß vor, der der Gefahr dadurch zu entge¬
hen glaubt, daß er das Auge abwendet. Wenn Herr v. Thadden erklärt: „gebt
den Literaten Freiheit zu sagen was sie wollen, aber richtet den Galgen für sie
ans;" so kann man freilich sagen, daß Herr v. Thadden vorläufig noch nicht
Minister ist, daß es also mit dem Hängen noch Zeit hat; aber jene Ansicht, so
schroff und paradox sie auch von diesem berühmten Belnstiger der Versammlung


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[0590] III. Ans Berlin. Die Prefifrage auf dem preußischen Landtage. — Auerswald, Hansemann und Thadden. — Sorgen und Hoffnungen. Es ist höchst beklagenswert!), daß die Masse von Material, die den Preußi¬ schen Landtag gegen den Schluß seiner Sitzungen überhäufte, aus Mangel an Zeit so sehr in Bausch nud Bogen abgehandelt ist. Darüber haben einige der wichtigsten Fragen zu. einem Resultat geführt, das wir im Interesse des Fort¬ schritts nur bedauern können. Ich meine hier namentlich die Verhandlungen über die Presse. Es ist allgemein ausgesprochen, daß auf dem Bundestage ein Preßgcsetz vorbereitet wird, das formell zwar die Eensur aushebt, in der That aber einen Zustand herbeiführt, gegen welche» jeder Schriftsteller die Censur selbst ein Paradies zu nennen berechtigt wäre; es ist eben so ausgcspochcn, daß ge¬ rade von Preußen der Vorschlag zu demselben ausgeht. Dieser angebliche Ent- wurf ist sogar veröffentlicht worden. Es mußte uun wohl jeden in Erstaunen setzen, daß der Landtag den Beschluß faßte: den König um Aushebung der Censur und um Erlaß eines Preßstrafgcsctzcs zu bitten, und ihn zu veranlassen, den Entwurf dazu dem Vereinigten Landtage vorzulegen, der nach den Erklä¬ rungen des Königs erst nach vier Jahren stattfinden soll. Der Landtag hat die Erklärung hinzugefügt, daß diese Bitte aus sehr verschiedenen Gründen hervor¬ gegangen sei, d. h. wie der König aus den stenographischen Berichten sich infor- miren kann, daß die Einen eine Verschärfung der Maßregeln gegen die Presse, die Andern aber eine Milderung derselben für wünschenswerth halten. Der Urhe¬ ber dieses geistreichen Vorschlags ist wieder Herr v. Auerswald, von dem auch jene berühmte Adresse ausging, in welcher Schwarz und Weiß zugleich als der Ausdruck der öffentlichen Meinung angegeben wurde. Natürlich wird die Negie¬ rung, da sie zwei sich widersprechende Dinge nicht zugleich thun kann, diejenige Meinung vorziehn, die ihr genehm ist. Ist es nun ferner nicht ein mindestens leichtsinniges Jgnoriren der Thatsachen, wenn man auf jene Angabe, daß ein formell den Anforderungen der Versammlung entsprechendes Prcßgesetz vorbereitet würde, das aber seinem Inhalte nach alle Bewegung der Presse aufheben müsse, gar keine Rücksicht nimmt? Um so mehr muß man das Verdienst des Einzelnen anerkennen, der sich von der Idee einer allgemeinen Uebereinstimmung der ent¬ gegengesetztesten Ansichten wenigstens nicht so weit hinreißen ließ, den Ausdruck seiner eigenen Ueberzeugung zurückzuhalten. Herr Hansemann hat auch in dieser Sache wieder den Ruhm erlangt, sich als der Geflnnungsvollste und Ehrlichste der Versammlung gezeigt zu haben. Im Uebrigen aber kommt mir der Landtag in dieser Frage wie der Vogel Strauß vor, der der Gefahr dadurch zu entge¬ hen glaubt, daß er das Auge abwendet. Wenn Herr v. Thadden erklärt: „gebt den Literaten Freiheit zu sagen was sie wollen, aber richtet den Galgen für sie ans;" so kann man freilich sagen, daß Herr v. Thadden vorläufig noch nicht Minister ist, daß es also mit dem Hängen noch Zeit hat; aber jene Ansicht, so schroff und paradox sie auch von diesem berühmten Belnstiger der Versammlung

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_271898/590>, abgerufen am 29.06.2024.