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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band.

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Moderne Historiker.
2.
Lamartine, Geschichte der Girondisten").

Bei der lebendigen Regung, die seit einigen Jahren die politische Stagna¬
tion namentlich Deutschlands unterbricht, hat man sich mit größerm Interesse
wieder jenen Zeiten zugewendet, in denen die Ideen conzipirt wurden, die
heut zu Tage in's Fleisch und Blut der Menschen übergegangen sind. Die
französische Revolution, der erste großartige Versuch, die Idee un¬
mittelbar zu realisiren, wird jetzt von einem höhern, menschlichem Standpunkt
aus aufgefaßt, als damals, wo man von dem mächtigen Drange der Geschichte
unmittelbar fortgerissen wurde. Eine Reihe von Geschichtschreibern, die in
neuester Zeit sich mit diesem Gegenstand beschäftigt haben, wird uns dazu
dienen, nicht nur über die dargestellte Epoche, sondern auch über ihr Ver¬
hältniß zu der unsrigen uns aufzuklären.

Lamartine's Werk ist auf acht starke Bände angelegt, von denen in dem
unterzeichneten Verlag bereits drei erschienen sind. Der erste geht bis zur
Abdankung Bailly's und Lafayette's, der zweite bis zum 20. Juni 1792,
der dritte bis zu den Septembermordcn.

Herr von Lamartine fing als Poet an, spielte dann in der Politik eine
nicht ganz unbedeutende Rolle und tritt nun als Geschichtsschreiber auf; der
Poesie hat er seit längerer Zeit entsagt, der politischen Wirksamkeit noch
keineswegs. Wer einmal eine von seinen Reden über allgemeine politische
Verhältnisse, wie er sie bei der Eröffnung jeder Session zu halten pflegt,
mit Aufmerksamkeit gelesen hat, dies angenehme Geplauder, das von der
orientalischen Frage zu den Kreuzzügen, von den Kreuzzügen zum Ritter-
thum, vom Ritterthum zum Mittelalter überhaupt, vom Mittelalter zum



*) I.. MswK'ö lies "uoiitUns. Leipzig 1347. Brockhaus und Avenanus. Bis
jetzt doel Bände.
Moderne Historiker.
2.
Lamartine, Geschichte der Girondisten").

Bei der lebendigen Regung, die seit einigen Jahren die politische Stagna¬
tion namentlich Deutschlands unterbricht, hat man sich mit größerm Interesse
wieder jenen Zeiten zugewendet, in denen die Ideen conzipirt wurden, die
heut zu Tage in's Fleisch und Blut der Menschen übergegangen sind. Die
französische Revolution, der erste großartige Versuch, die Idee un¬
mittelbar zu realisiren, wird jetzt von einem höhern, menschlichem Standpunkt
aus aufgefaßt, als damals, wo man von dem mächtigen Drange der Geschichte
unmittelbar fortgerissen wurde. Eine Reihe von Geschichtschreibern, die in
neuester Zeit sich mit diesem Gegenstand beschäftigt haben, wird uns dazu
dienen, nicht nur über die dargestellte Epoche, sondern auch über ihr Ver¬
hältniß zu der unsrigen uns aufzuklären.

Lamartine's Werk ist auf acht starke Bände angelegt, von denen in dem
unterzeichneten Verlag bereits drei erschienen sind. Der erste geht bis zur
Abdankung Bailly's und Lafayette's, der zweite bis zum 20. Juni 1792,
der dritte bis zu den Septembermordcn.

Herr von Lamartine fing als Poet an, spielte dann in der Politik eine
nicht ganz unbedeutende Rolle und tritt nun als Geschichtsschreiber auf; der
Poesie hat er seit längerer Zeit entsagt, der politischen Wirksamkeit noch
keineswegs. Wer einmal eine von seinen Reden über allgemeine politische
Verhältnisse, wie er sie bei der Eröffnung jeder Session zu halten pflegt,
mit Aufmerksamkeit gelesen hat, dies angenehme Geplauder, das von der
orientalischen Frage zu den Kreuzzügen, von den Kreuzzügen zum Ritter-
thum, vom Ritterthum zum Mittelalter überhaupt, vom Mittelalter zum



*) I.. MswK'ö lies «uoiitUns. Leipzig 1347. Brockhaus und Avenanus. Bis
jetzt doel Bände.
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[0574] Moderne Historiker. 2. Lamartine, Geschichte der Girondisten"). Bei der lebendigen Regung, die seit einigen Jahren die politische Stagna¬ tion namentlich Deutschlands unterbricht, hat man sich mit größerm Interesse wieder jenen Zeiten zugewendet, in denen die Ideen conzipirt wurden, die heut zu Tage in's Fleisch und Blut der Menschen übergegangen sind. Die französische Revolution, der erste großartige Versuch, die Idee un¬ mittelbar zu realisiren, wird jetzt von einem höhern, menschlichem Standpunkt aus aufgefaßt, als damals, wo man von dem mächtigen Drange der Geschichte unmittelbar fortgerissen wurde. Eine Reihe von Geschichtschreibern, die in neuester Zeit sich mit diesem Gegenstand beschäftigt haben, wird uns dazu dienen, nicht nur über die dargestellte Epoche, sondern auch über ihr Ver¬ hältniß zu der unsrigen uns aufzuklären. Lamartine's Werk ist auf acht starke Bände angelegt, von denen in dem unterzeichneten Verlag bereits drei erschienen sind. Der erste geht bis zur Abdankung Bailly's und Lafayette's, der zweite bis zum 20. Juni 1792, der dritte bis zu den Septembermordcn. Herr von Lamartine fing als Poet an, spielte dann in der Politik eine nicht ganz unbedeutende Rolle und tritt nun als Geschichtsschreiber auf; der Poesie hat er seit längerer Zeit entsagt, der politischen Wirksamkeit noch keineswegs. Wer einmal eine von seinen Reden über allgemeine politische Verhältnisse, wie er sie bei der Eröffnung jeder Session zu halten pflegt, mit Aufmerksamkeit gelesen hat, dies angenehme Geplauder, das von der orientalischen Frage zu den Kreuzzügen, von den Kreuzzügen zum Ritter- thum, vom Ritterthum zum Mittelalter überhaupt, vom Mittelalter zum *) I.. MswK'ö lies «uoiitUns. Leipzig 1347. Brockhaus und Avenanus. Bis jetzt doel Bände.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_271898/574>, abgerufen am 29.06.2024.