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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band.

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IX.
Bom preusiischen Landtag.

Mehrere von den einflußreichsten Landtagsdcputirten sind bereits eingetroffen
und die liberale Opposition hält allabendlich Berathungen über den gemeinschaft¬
lich festzustellenden Feldzugsplan,, Der preußische Adel bildet den Mittelpunkt;
der Obcrburggras von Brünncck und der Landschaftsrath von Auerswald stehen
an der Spitze; aber alle Tage wird die compakte Masse dichter, selbst aus Pom¬
mern und der Mark haben sich schon mehrere Abgeordnete mit Entschiedenheit an¬
geschlossen. Bülow-Cummerow hat Einige mitgebracht. Sie haben folgende Idee:
Im Allgemeinen sind sie mit den von Simon ausgesprochenen Ansichten einver¬
standen. Sie sind entschlossen, auf keine Berathung irgend welcher Art, auf keine
Abstimmung einzugehen, bevor nicht das I>rundum s-UiiZiis entschieden ist. Sie
wollen sich aber nicht sür incompetent überhaupt erklären, sondern nur für inkom¬
petent insofern, als ihnen nicht die verheißenen, die den Reichsständen zukommen¬
den Rechte, beigelegt werden. Ein in Preußen sehr angesehener Mann, Graf
Fabian Dotina auf Finkenstein, der den spanischen Krieg mitgemacht, sich über¬
haupt überall höchst energisch und entschlossen bewiesen hat, der aber bis jetzt ganz
gegen die oppositionelle Bewegung war, hat jetzt in diesem Sinne an die Land¬
stände eine Art Sendschreiben erlassen, das durch die Vermittelung des Hrzi. von
Brünneck in der Wcscrzcitnng veröffentlicht ist. Es scheint, daß sich die unge¬
heure Mehrzahl der preußischen Stände in diesem Sinne erklären wird.

Eine andere Ansicht haben die rheinischen Deputaten, so viel sich bis jetzt
ausgesprochen haben. Sie wollen ans die extrahirte Verfassung eingehen und die¬
selbe benutzen, unmittelbaren Gewinn sür die liberale Sache zu ziehen: Preßfrei-
heit, Geschworene :c. Wie Sie wissen, ist diese Ansicht auch die meinige. Aber
es ist zu erwarten, daß die preußische Opposition durchdringt. Sie ist entschiede¬
ner und bildet eine compacte Masse. Das Gouvernement soll unentschlossen sein;
es heißt, daß den 11. April, nach Abhaltung eines feierlichen Gottesdienstes, die
Berathungen drei Tage ausgesetzt werden sollen.

Jeder Aufschub vermehrt den Einfluß der Opposition. Die Mitglieder der¬
selben wollen nichts Anderes, als ihre sofortige Auseinandcrsprcngung, und in
Folge dessen in Kurzem eine neue, wirkliche Konstitution.

Worauf gründen sie ihre Voraussetzung? -- Durch die Auslosung der Stände
würde unmittelbar der Credit des Staats untergraben werden. Schon jetzt, da
diese Gerüchte anfangen, sich zu verbreiten, fallen die Staatspapiere.

Die Mißstimmung der Deputirten -- die übrigens iir der Regel mit ihren
Committenten ganz einverstanden sind -- wird noch erhöht durch einzelne klein¬
liche Belustigungen, in Betreff ihrer Diät :c. Doch ist das Nebensache. In
kurzer Zeit ist der Würfel gefallen. In einigen Tagen erhalten Sie mehr Neues.


- ReukLlln. --


Verlag von Fr. Ludw. Herbig. -- Redacteur- I. Kuranda.
Druck von Friedrich Andrü.
IX.
Bom preusiischen Landtag.

Mehrere von den einflußreichsten Landtagsdcputirten sind bereits eingetroffen
und die liberale Opposition hält allabendlich Berathungen über den gemeinschaft¬
lich festzustellenden Feldzugsplan,, Der preußische Adel bildet den Mittelpunkt;
der Obcrburggras von Brünncck und der Landschaftsrath von Auerswald stehen
an der Spitze; aber alle Tage wird die compakte Masse dichter, selbst aus Pom¬
mern und der Mark haben sich schon mehrere Abgeordnete mit Entschiedenheit an¬
geschlossen. Bülow-Cummerow hat Einige mitgebracht. Sie haben folgende Idee:
Im Allgemeinen sind sie mit den von Simon ausgesprochenen Ansichten einver¬
standen. Sie sind entschlossen, auf keine Berathung irgend welcher Art, auf keine
Abstimmung einzugehen, bevor nicht das I>rundum s-UiiZiis entschieden ist. Sie
wollen sich aber nicht sür incompetent überhaupt erklären, sondern nur für inkom¬
petent insofern, als ihnen nicht die verheißenen, die den Reichsständen zukommen¬
den Rechte, beigelegt werden. Ein in Preußen sehr angesehener Mann, Graf
Fabian Dotina auf Finkenstein, der den spanischen Krieg mitgemacht, sich über¬
haupt überall höchst energisch und entschlossen bewiesen hat, der aber bis jetzt ganz
gegen die oppositionelle Bewegung war, hat jetzt in diesem Sinne an die Land¬
stände eine Art Sendschreiben erlassen, das durch die Vermittelung des Hrzi. von
Brünneck in der Wcscrzcitnng veröffentlicht ist. Es scheint, daß sich die unge¬
heure Mehrzahl der preußischen Stände in diesem Sinne erklären wird.

Eine andere Ansicht haben die rheinischen Deputaten, so viel sich bis jetzt
ausgesprochen haben. Sie wollen ans die extrahirte Verfassung eingehen und die¬
selbe benutzen, unmittelbaren Gewinn sür die liberale Sache zu ziehen: Preßfrei-
heit, Geschworene :c. Wie Sie wissen, ist diese Ansicht auch die meinige. Aber
es ist zu erwarten, daß die preußische Opposition durchdringt. Sie ist entschiede¬
ner und bildet eine compacte Masse. Das Gouvernement soll unentschlossen sein;
es heißt, daß den 11. April, nach Abhaltung eines feierlichen Gottesdienstes, die
Berathungen drei Tage ausgesetzt werden sollen.

Jeder Aufschub vermehrt den Einfluß der Opposition. Die Mitglieder der¬
selben wollen nichts Anderes, als ihre sofortige Auseinandcrsprcngung, und in
Folge dessen in Kurzem eine neue, wirkliche Konstitution.

Worauf gründen sie ihre Voraussetzung? — Durch die Auslosung der Stände
würde unmittelbar der Credit des Staats untergraben werden. Schon jetzt, da
diese Gerüchte anfangen, sich zu verbreiten, fallen die Staatspapiere.

Die Mißstimmung der Deputirten — die übrigens iir der Regel mit ihren
Committenten ganz einverstanden sind — wird noch erhöht durch einzelne klein¬
liche Belustigungen, in Betreff ihrer Diät :c. Doch ist das Nebensache. In
kurzer Zeit ist der Würfel gefallen. In einigen Tagen erhalten Sie mehr Neues.


- ReukLlln. —


Verlag von Fr. Ludw. Herbig. — Redacteur- I. Kuranda.
Druck von Friedrich Andrü.
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[0056] IX. Bom preusiischen Landtag. Mehrere von den einflußreichsten Landtagsdcputirten sind bereits eingetroffen und die liberale Opposition hält allabendlich Berathungen über den gemeinschaft¬ lich festzustellenden Feldzugsplan,, Der preußische Adel bildet den Mittelpunkt; der Obcrburggras von Brünncck und der Landschaftsrath von Auerswald stehen an der Spitze; aber alle Tage wird die compakte Masse dichter, selbst aus Pom¬ mern und der Mark haben sich schon mehrere Abgeordnete mit Entschiedenheit an¬ geschlossen. Bülow-Cummerow hat Einige mitgebracht. Sie haben folgende Idee: Im Allgemeinen sind sie mit den von Simon ausgesprochenen Ansichten einver¬ standen. Sie sind entschlossen, auf keine Berathung irgend welcher Art, auf keine Abstimmung einzugehen, bevor nicht das I>rundum s-UiiZiis entschieden ist. Sie wollen sich aber nicht sür incompetent überhaupt erklären, sondern nur für inkom¬ petent insofern, als ihnen nicht die verheißenen, die den Reichsständen zukommen¬ den Rechte, beigelegt werden. Ein in Preußen sehr angesehener Mann, Graf Fabian Dotina auf Finkenstein, der den spanischen Krieg mitgemacht, sich über¬ haupt überall höchst energisch und entschlossen bewiesen hat, der aber bis jetzt ganz gegen die oppositionelle Bewegung war, hat jetzt in diesem Sinne an die Land¬ stände eine Art Sendschreiben erlassen, das durch die Vermittelung des Hrzi. von Brünneck in der Wcscrzcitnng veröffentlicht ist. Es scheint, daß sich die unge¬ heure Mehrzahl der preußischen Stände in diesem Sinne erklären wird. Eine andere Ansicht haben die rheinischen Deputaten, so viel sich bis jetzt ausgesprochen haben. Sie wollen ans die extrahirte Verfassung eingehen und die¬ selbe benutzen, unmittelbaren Gewinn sür die liberale Sache zu ziehen: Preßfrei- heit, Geschworene :c. Wie Sie wissen, ist diese Ansicht auch die meinige. Aber es ist zu erwarten, daß die preußische Opposition durchdringt. Sie ist entschiede¬ ner und bildet eine compacte Masse. Das Gouvernement soll unentschlossen sein; es heißt, daß den 11. April, nach Abhaltung eines feierlichen Gottesdienstes, die Berathungen drei Tage ausgesetzt werden sollen. Jeder Aufschub vermehrt den Einfluß der Opposition. Die Mitglieder der¬ selben wollen nichts Anderes, als ihre sofortige Auseinandcrsprcngung, und in Folge dessen in Kurzem eine neue, wirkliche Konstitution. Worauf gründen sie ihre Voraussetzung? — Durch die Auslosung der Stände würde unmittelbar der Credit des Staats untergraben werden. Schon jetzt, da diese Gerüchte anfangen, sich zu verbreiten, fallen die Staatspapiere. Die Mißstimmung der Deputirten — die übrigens iir der Regel mit ihren Committenten ganz einverstanden sind — wird noch erhöht durch einzelne klein¬ liche Belustigungen, in Betreff ihrer Diät :c. Doch ist das Nebensache. In kurzer Zeit ist der Würfel gefallen. In einigen Tagen erhalten Sie mehr Neues. - ReukLlln. — Verlag von Fr. Ludw. Herbig. — Redacteur- I. Kuranda. Druck von Friedrich Andrü.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_271898/56>, abgerufen am 29.06.2024.