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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band.

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Diebstahl, Raub und Mord die Noth, die Niemand ernstlich lindern mag, wohl
ist das Brot aus gcschrvtucm, nicht gcmalnem Hafer mit geriebner Baumrinde ge¬
mengt, wohl haben Viele dieses nicht, sondern sammeln sich Buchnüsse und essen
sie -- und sterben. Wohl erzeugt dieses grauenerregende Elend die verheerendsten
Krankheiten, wohl dringt auch aus den übrigen Provinzen uns genug des Jammers
und der Verzweiflung zu; aber alles Dies wird entweder mit Schweigen umhüllt,
oder gradezu geleugnet, oder höchstens als einzelne stets nothwendige Ausnahmen
im Staate zugegeben. Man weist nach den eiternden Wunden von England,
Belgien und Frankreich und meint dadurch die eigene Krankheit zu beschönigen.
Wie, hat uns anch die allzu überhandnehmende Industrie so arm gemacht? O
ihr glücklichen Kinder dieses Landes, ja dieser Monarchie!'

Gestern am 21,. .März kamen aus dem Staatsschatze 300,000 Gulden C.-M.
für Straßenbau (über die Karpathen) um Brodlose zu beschäftigen, an und eine
gleicht Summe ward zu anderseitigcr Abhülfe der Noth dem hiesigen Gnbcrnio
im Baaren zugeschickt. Diesem waren 100,000 Gulden C.-M. vom Privat-Ver-
mögen des milden Kaisers beigeschlossen. Es freut mich, dies berichten zu können,
obwohl ich in dieser Handlung der Regierung nur Genügelcistung einer Rechts-
pflicht wie in der gütigen Spende des Kaisers nur Erfüllung einer moralischen
Pflicht') erkennen kann, ohne aber deshalb die Unterthanen des dafür schuldigen
Dankes entbinden zu wollen. Gebe Gott, daß diese Summen redlich und zweck¬
mäßig verwendet werden, um doch einigermaßen die Noth zu lindern, denn'ge¬
tilgt wird sie dadurch nicht. Der Schaden liegt wohl überall tief; bei uns in
Oesterreich dürste er aber schwerer zu beseitigen sein, als anderswo, wo er durch
die den Volksvertretern gestattete Theilnahme an der Berathung und Sorge für
das allgemeine Wohl leichter erkannt und zu dessen Heilung die wirksamsten Mit¬
tel eher aufgefunden werden können. Eine Ständevcrsassung ist es also, die wir
wollen, weil wir sie brauchen und wäre sie auch unvollkommen, wie die preußische.


V.
Ans Prag.

Der Proceß wegen der Jcsuitenschrift. -- Der Erzbischof und die Aligeordneten des Je¬
suitenordens. -- Erklärung des böhmischen Episcopats. -- Zwei Geistliche und einige
Anspielungen, welche die Redaction nicht versteht. -- Erzherzog Stephan. --

Wir athmen freier, das heranziehende schwere Jcsnitenwetter hat sich verzo¬
gen, Dank unserem erleuchteten Kirchenfürsten, Dank auch dem Pamphletisten

Es ist also eine Pflicht der Regierung, Summen, die aus den andern Provinzen
fließen, nach Galizien zu senden, es ist eine "Pflicht" des Kaisers, eine so großartige
Gabe grade nach Lemberg zu schicken; es ist aber nicht Pflicht des Adels, etwas von
seinen Robotaussaugcrcien nachzulassen! Schöne Logik! Wir wünschten dem galizischen
Adel nichts sehnlicher, als einige Jahre unter französischer Herrschaft zu stehen; das
D. R. wäre eine Schule, in welcher er bald lernen würde, was Pflicht ist!


Diebstahl, Raub und Mord die Noth, die Niemand ernstlich lindern mag, wohl
ist das Brot aus gcschrvtucm, nicht gcmalnem Hafer mit geriebner Baumrinde ge¬
mengt, wohl haben Viele dieses nicht, sondern sammeln sich Buchnüsse und essen
sie — und sterben. Wohl erzeugt dieses grauenerregende Elend die verheerendsten
Krankheiten, wohl dringt auch aus den übrigen Provinzen uns genug des Jammers
und der Verzweiflung zu; aber alles Dies wird entweder mit Schweigen umhüllt,
oder gradezu geleugnet, oder höchstens als einzelne stets nothwendige Ausnahmen
im Staate zugegeben. Man weist nach den eiternden Wunden von England,
Belgien und Frankreich und meint dadurch die eigene Krankheit zu beschönigen.
Wie, hat uns anch die allzu überhandnehmende Industrie so arm gemacht? O
ihr glücklichen Kinder dieses Landes, ja dieser Monarchie!'

Gestern am 21,. .März kamen aus dem Staatsschatze 300,000 Gulden C.-M.
für Straßenbau (über die Karpathen) um Brodlose zu beschäftigen, an und eine
gleicht Summe ward zu anderseitigcr Abhülfe der Noth dem hiesigen Gnbcrnio
im Baaren zugeschickt. Diesem waren 100,000 Gulden C.-M. vom Privat-Ver-
mögen des milden Kaisers beigeschlossen. Es freut mich, dies berichten zu können,
obwohl ich in dieser Handlung der Regierung nur Genügelcistung einer Rechts-
pflicht wie in der gütigen Spende des Kaisers nur Erfüllung einer moralischen
Pflicht') erkennen kann, ohne aber deshalb die Unterthanen des dafür schuldigen
Dankes entbinden zu wollen. Gebe Gott, daß diese Summen redlich und zweck¬
mäßig verwendet werden, um doch einigermaßen die Noth zu lindern, denn'ge¬
tilgt wird sie dadurch nicht. Der Schaden liegt wohl überall tief; bei uns in
Oesterreich dürste er aber schwerer zu beseitigen sein, als anderswo, wo er durch
die den Volksvertretern gestattete Theilnahme an der Berathung und Sorge für
das allgemeine Wohl leichter erkannt und zu dessen Heilung die wirksamsten Mit¬
tel eher aufgefunden werden können. Eine Ständevcrsassung ist es also, die wir
wollen, weil wir sie brauchen und wäre sie auch unvollkommen, wie die preußische.


V.
Ans Prag.

Der Proceß wegen der Jcsuitenschrift. — Der Erzbischof und die Aligeordneten des Je¬
suitenordens. — Erklärung des böhmischen Episcopats. — Zwei Geistliche und einige
Anspielungen, welche die Redaction nicht versteht. — Erzherzog Stephan. —

Wir athmen freier, das heranziehende schwere Jcsnitenwetter hat sich verzo¬
gen, Dank unserem erleuchteten Kirchenfürsten, Dank auch dem Pamphletisten

Es ist also eine Pflicht der Regierung, Summen, die aus den andern Provinzen
fließen, nach Galizien zu senden, es ist eine „Pflicht" des Kaisers, eine so großartige
Gabe grade nach Lemberg zu schicken; es ist aber nicht Pflicht des Adels, etwas von
seinen Robotaussaugcrcien nachzulassen! Schöne Logik! Wir wünschten dem galizischen
Adel nichts sehnlicher, als einige Jahre unter französischer Herrschaft zu stehen; das
D. R. wäre eine Schule, in welcher er bald lernen würde, was Pflicht ist!


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_271898/50>, abgerufen am 29.06.2024.