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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band.

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i.
Aus Wien.
1.

Brodunruhcn. -- Die Edelleute und die Privatgüter des Kaisers. -- Wohlthätige Be¬
mühungen. -- Leopoldstädter Theater. -- Zicmi und seine Braut. -- Ein naiver Censor
und seine College".

Die Noth der arbeitenden Klassen und die herrschende Theuerung werden
von Tag zu Tag bedrohlicher. Von Oedenbnrg in Ungarn, von Stvckerau in
Oesterreich, von Brunn, aus ferneren Städten sowie ans den nächsten Umgebun¬
gen Wiens laufen die bctrübcnsteu Nachrichten über stattgehabte Excesse ans den
Kornmärktcn ein. Mehrere Magazine wurden erbrochen, den Verkäufern zu geringern
Preisen die Waaren abgedrungen, Schlägereien und sogar Todschlag finden statt; und
doch heißt es im Publikum, daß einzelne Männer, die dem Kaufmanns-, ja sogar
dem geistlichen Stande angehören, zu hundert Tausend Wetzen aufgespeichert hät¬
ten und der allgemeinen Bedrängnis; mit frevelhaften Erwartungen auf Gewinn
ungeduldig zusähen. Während der Kaiser ans seinen Privat-Gütern in Ungarn
den Bauern Korn zur Aussaat verabfolgen ließ, mit der Bedingung, daß solches
erst nach einer segensreichen Ernte wieder in nullum zurückerstattet werde, ver¬
kaufen manche Edelleute ihren Unterthanen Korn mit der schmachvollen Bedin¬
gung, daß es ebenfalls nach der Ernte aber zu dem jetzt stehenden Preise bezahlt
werde Erzherzog Stephan hat viele tausend Metzen Getreide angekauft und
zu einem bedeutend geringern Preise den Bewohnern des Erzgebirges zugesendet.
Vom >6. dieses Monats begann der Magistrat an die Armen Brod zu vertheilen
und ließ es den Arbeitn" um ein Fünftel billiger verabreiche" ; zugleich tritt auch



Eine rühmliche, hoffentlich nicht vereinzelte Ausnahme machte Graf Rvstiz i"
Böhmen, der viel früher, als das Ausfuhrverbot erschienen, den Beamten auf seine"
Gütern den Verkauf von Korn an Fremde verbot und die Ertheilung des nöthigen Ge¬
treides zur Aussaat an die Bauern anbefahl, mit dem Vorbehalt, daß diese es später i"
n-terra zurück erstatten.
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Aus Wien.
1.

Brodunruhcn. — Die Edelleute und die Privatgüter des Kaisers. — Wohlthätige Be¬
mühungen. — Leopoldstädter Theater. — Zicmi und seine Braut. — Ein naiver Censor
und seine College».

Die Noth der arbeitenden Klassen und die herrschende Theuerung werden
von Tag zu Tag bedrohlicher. Von Oedenbnrg in Ungarn, von Stvckerau in
Oesterreich, von Brunn, aus ferneren Städten sowie ans den nächsten Umgebun¬
gen Wiens laufen die bctrübcnsteu Nachrichten über stattgehabte Excesse ans den
Kornmärktcn ein. Mehrere Magazine wurden erbrochen, den Verkäufern zu geringern
Preisen die Waaren abgedrungen, Schlägereien und sogar Todschlag finden statt; und
doch heißt es im Publikum, daß einzelne Männer, die dem Kaufmanns-, ja sogar
dem geistlichen Stande angehören, zu hundert Tausend Wetzen aufgespeichert hät¬
ten und der allgemeinen Bedrängnis; mit frevelhaften Erwartungen auf Gewinn
ungeduldig zusähen. Während der Kaiser ans seinen Privat-Gütern in Ungarn
den Bauern Korn zur Aussaat verabfolgen ließ, mit der Bedingung, daß solches
erst nach einer segensreichen Ernte wieder in nullum zurückerstattet werde, ver¬
kaufen manche Edelleute ihren Unterthanen Korn mit der schmachvollen Bedin¬
gung, daß es ebenfalls nach der Ernte aber zu dem jetzt stehenden Preise bezahlt
werde Erzherzog Stephan hat viele tausend Metzen Getreide angekauft und
zu einem bedeutend geringern Preise den Bewohnern des Erzgebirges zugesendet.
Vom >6. dieses Monats begann der Magistrat an die Armen Brod zu vertheilen
und ließ es den Arbeitn» um ein Fünftel billiger verabreiche» ; zugleich tritt auch



Eine rühmliche, hoffentlich nicht vereinzelte Ausnahme machte Graf Rvstiz i»
Böhmen, der viel früher, als das Ausfuhrverbot erschienen, den Beamten auf seine»
Gütern den Verkauf von Korn an Fremde verbot und die Ertheilung des nöthigen Ge¬
treides zur Aussaat an die Bauern anbefahl, mit dem Vorbehalt, daß diese es später i»
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[0317] T a g e b u es. i. Aus Wien. 1. Brodunruhcn. — Die Edelleute und die Privatgüter des Kaisers. — Wohlthätige Be¬ mühungen. — Leopoldstädter Theater. — Zicmi und seine Braut. — Ein naiver Censor und seine College». Die Noth der arbeitenden Klassen und die herrschende Theuerung werden von Tag zu Tag bedrohlicher. Von Oedenbnrg in Ungarn, von Stvckerau in Oesterreich, von Brunn, aus ferneren Städten sowie ans den nächsten Umgebun¬ gen Wiens laufen die bctrübcnsteu Nachrichten über stattgehabte Excesse ans den Kornmärktcn ein. Mehrere Magazine wurden erbrochen, den Verkäufern zu geringern Preisen die Waaren abgedrungen, Schlägereien und sogar Todschlag finden statt; und doch heißt es im Publikum, daß einzelne Männer, die dem Kaufmanns-, ja sogar dem geistlichen Stande angehören, zu hundert Tausend Wetzen aufgespeichert hät¬ ten und der allgemeinen Bedrängnis; mit frevelhaften Erwartungen auf Gewinn ungeduldig zusähen. Während der Kaiser ans seinen Privat-Gütern in Ungarn den Bauern Korn zur Aussaat verabfolgen ließ, mit der Bedingung, daß solches erst nach einer segensreichen Ernte wieder in nullum zurückerstattet werde, ver¬ kaufen manche Edelleute ihren Unterthanen Korn mit der schmachvollen Bedin¬ gung, daß es ebenfalls nach der Ernte aber zu dem jetzt stehenden Preise bezahlt werde Erzherzog Stephan hat viele tausend Metzen Getreide angekauft und zu einem bedeutend geringern Preise den Bewohnern des Erzgebirges zugesendet. Vom >6. dieses Monats begann der Magistrat an die Armen Brod zu vertheilen und ließ es den Arbeitn» um ein Fünftel billiger verabreiche» ; zugleich tritt auch Eine rühmliche, hoffentlich nicht vereinzelte Ausnahme machte Graf Rvstiz i» Böhmen, der viel früher, als das Ausfuhrverbot erschienen, den Beamten auf seine» Gütern den Verkauf von Korn an Fremde verbot und die Ertheilung des nöthigen Ge¬ treides zur Aussaat an die Bauern anbefahl, mit dem Vorbehalt, daß diese es später i» n-terra zurück erstatten. GrenMm. >>. i«47. 41

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_271898/317>, abgerufen am 22.07.2024.