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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band.

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Wir hätten vielleicht theoretisch unecht, wollten wir wirklichen, wahr¬
haften Fortschrittsbestrebuugeil der Herren Stände unsere Theilnahme, unsere
Anerkennung versagen, doch ist diese Wirklichkeit und Wahrhaftigkeit zur Zeit noch
zu beweisen; einstweilen verarge man uns den Wunsch nicht, mit all den hohen
Herren, die so herablassend, mitleidig ans uns niedersehen, wie jene Niesen ans
den kleinen Gulliver, dem Regenten gegenüber auf gleicher Linie zu stehen, in gleicher
Nichtberechtigung, diese Glcichhcitsthcoric gönne man uns, es blieben der Ungleich¬
heiten noch Viele übrig, und weit leichter trägt sich manches Ungemach, wenn
es, ein gemeinsames, alle trifft.

Die Ansicht, ist sie auch Täuschung, bedingt den Humor; mancher konstitu¬
tionelle Staat wird hin und wieder jämmerlich regiert, doch das Volk findet Trost
darin, base seine gewählten Vertreter schlecht mitregieren helfen, dasselbe Motiv,
nur im umgekehrten Verhältniß, bestimmt uns, ständische Mitregcutfchast nicht an¬
zuerkennen, und die Herren daran zu erinnern, daß zwischen ihnen und der Ver¬
sammlung zu Berlin der mächtige Unterschied des Wahlprinzips der Bürger- und
Bauervcrtrctuug liege, darum gilt nicht von jenen, was von diesen.

Möge die bevorstehende Maiversammlung erfreuliche Beweise liefern, unsere
hier niedergelegte Bürgcrausicht sei voreilig irrsam gewesen; möge" die Herren
Beschlüsse fassen zur Abwehr gemeiner Noth, mögen sie sich gemeinsam Verpflichten,
ihre uoch gefüllten Speicher zu mäßigem Preis der hungernden Bevölkerung zu
öffnen, mögen sie Verbot der Kornanssuhr von der Regierung erbitten, verzich¬
tend aus ungerechten Gewinn am hungernden Armen -- mit Freudigkeit wollen
wir sie dann als Väter des Landes anerkennen und achten, so lange jedoch solche
Gesinnung mir in einzelnen, wenn anch viele" wohnt, bleibt unsere Ansicht von
der Majorität unverändert dieselbe.


Blase.
VI.
Aus Wien.
I.

Eindruck des preußischen Landtags. -- Bon unten nach oben. -- Ständische Bespre¬
chungen in verschiedene" Provinzen. -- Oeffentlichkeit der Verhandlungen. -- Das
neue Anlehn. -- Das Rodotgesetz.

Mehr als das Patent vom !!. Februar hat die Thronrede des Königs tiefe,
gewaltige ScnscrtioN in unserer Kaiserstadt erregt. Wien ist doch nicht so ganz
Metropole des Genusses, wie man's der Welt einreden möchte, wie es in gewissen
Kreisen gewünscht wird. Die Zahl der Abonnenten ans preußische Zeitungen
hat sich uni ein paar Hunderte vermehrt.

In der letzten Zeit ist hier, da jetzt die den Bühncngesang Verwischende
Jenny Lind, Gottlob ! fort ist, kein Gegenstand (nicht einmal in der Wiener-
Zeitung durch einen ., Tendenz - Bären" der Il-no 5"-in<:o *) unlängst in


D. Red.

*) Herr Anton Falkbeer? Siehe Wiener-Zeitung vom 24. April.

Wir hätten vielleicht theoretisch unecht, wollten wir wirklichen, wahr¬
haften Fortschrittsbestrebuugeil der Herren Stände unsere Theilnahme, unsere
Anerkennung versagen, doch ist diese Wirklichkeit und Wahrhaftigkeit zur Zeit noch
zu beweisen; einstweilen verarge man uns den Wunsch nicht, mit all den hohen
Herren, die so herablassend, mitleidig ans uns niedersehen, wie jene Niesen ans
den kleinen Gulliver, dem Regenten gegenüber auf gleicher Linie zu stehen, in gleicher
Nichtberechtigung, diese Glcichhcitsthcoric gönne man uns, es blieben der Ungleich¬
heiten noch Viele übrig, und weit leichter trägt sich manches Ungemach, wenn
es, ein gemeinsames, alle trifft.

Die Ansicht, ist sie auch Täuschung, bedingt den Humor; mancher konstitu¬
tionelle Staat wird hin und wieder jämmerlich regiert, doch das Volk findet Trost
darin, base seine gewählten Vertreter schlecht mitregieren helfen, dasselbe Motiv,
nur im umgekehrten Verhältniß, bestimmt uns, ständische Mitregcutfchast nicht an¬
zuerkennen, und die Herren daran zu erinnern, daß zwischen ihnen und der Ver¬
sammlung zu Berlin der mächtige Unterschied des Wahlprinzips der Bürger- und
Bauervcrtrctuug liege, darum gilt nicht von jenen, was von diesen.

Möge die bevorstehende Maiversammlung erfreuliche Beweise liefern, unsere
hier niedergelegte Bürgcrausicht sei voreilig irrsam gewesen; möge» die Herren
Beschlüsse fassen zur Abwehr gemeiner Noth, mögen sie sich gemeinsam Verpflichten,
ihre uoch gefüllten Speicher zu mäßigem Preis der hungernden Bevölkerung zu
öffnen, mögen sie Verbot der Kornanssuhr von der Regierung erbitten, verzich¬
tend aus ungerechten Gewinn am hungernden Armen — mit Freudigkeit wollen
wir sie dann als Väter des Landes anerkennen und achten, so lange jedoch solche
Gesinnung mir in einzelnen, wenn anch viele» wohnt, bleibt unsere Ansicht von
der Majorität unverändert dieselbe.


Blase.
VI.
Aus Wien.
I.

Eindruck des preußischen Landtags. — Bon unten nach oben. — Ständische Bespre¬
chungen in verschiedene» Provinzen. — Oeffentlichkeit der Verhandlungen. — Das
neue Anlehn. — Das Rodotgesetz.

Mehr als das Patent vom !!. Februar hat die Thronrede des Königs tiefe,
gewaltige ScnscrtioN in unserer Kaiserstadt erregt. Wien ist doch nicht so ganz
Metropole des Genusses, wie man's der Welt einreden möchte, wie es in gewissen
Kreisen gewünscht wird. Die Zahl der Abonnenten ans preußische Zeitungen
hat sich uni ein paar Hunderte vermehrt.

In der letzten Zeit ist hier, da jetzt die den Bühncngesang Verwischende
Jenny Lind, Gottlob ! fort ist, kein Gegenstand (nicht einmal in der Wiener-
Zeitung durch einen ., Tendenz - Bären" der Il-no 5»-in<:o *) unlängst in


D. Red.

*) Herr Anton Falkbeer? Siehe Wiener-Zeitung vom 24. April.
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[0235] Wir hätten vielleicht theoretisch unecht, wollten wir wirklichen, wahr¬ haften Fortschrittsbestrebuugeil der Herren Stände unsere Theilnahme, unsere Anerkennung versagen, doch ist diese Wirklichkeit und Wahrhaftigkeit zur Zeit noch zu beweisen; einstweilen verarge man uns den Wunsch nicht, mit all den hohen Herren, die so herablassend, mitleidig ans uns niedersehen, wie jene Niesen ans den kleinen Gulliver, dem Regenten gegenüber auf gleicher Linie zu stehen, in gleicher Nichtberechtigung, diese Glcichhcitsthcoric gönne man uns, es blieben der Ungleich¬ heiten noch Viele übrig, und weit leichter trägt sich manches Ungemach, wenn es, ein gemeinsames, alle trifft. Die Ansicht, ist sie auch Täuschung, bedingt den Humor; mancher konstitu¬ tionelle Staat wird hin und wieder jämmerlich regiert, doch das Volk findet Trost darin, base seine gewählten Vertreter schlecht mitregieren helfen, dasselbe Motiv, nur im umgekehrten Verhältniß, bestimmt uns, ständische Mitregcutfchast nicht an¬ zuerkennen, und die Herren daran zu erinnern, daß zwischen ihnen und der Ver¬ sammlung zu Berlin der mächtige Unterschied des Wahlprinzips der Bürger- und Bauervcrtrctuug liege, darum gilt nicht von jenen, was von diesen. Möge die bevorstehende Maiversammlung erfreuliche Beweise liefern, unsere hier niedergelegte Bürgcrausicht sei voreilig irrsam gewesen; möge» die Herren Beschlüsse fassen zur Abwehr gemeiner Noth, mögen sie sich gemeinsam Verpflichten, ihre uoch gefüllten Speicher zu mäßigem Preis der hungernden Bevölkerung zu öffnen, mögen sie Verbot der Kornanssuhr von der Regierung erbitten, verzich¬ tend aus ungerechten Gewinn am hungernden Armen — mit Freudigkeit wollen wir sie dann als Väter des Landes anerkennen und achten, so lange jedoch solche Gesinnung mir in einzelnen, wenn anch viele» wohnt, bleibt unsere Ansicht von der Majorität unverändert dieselbe. Blase. VI. Aus Wien. I. Eindruck des preußischen Landtags. — Bon unten nach oben. — Ständische Bespre¬ chungen in verschiedene» Provinzen. — Oeffentlichkeit der Verhandlungen. — Das neue Anlehn. — Das Rodotgesetz. Mehr als das Patent vom !!. Februar hat die Thronrede des Königs tiefe, gewaltige ScnscrtioN in unserer Kaiserstadt erregt. Wien ist doch nicht so ganz Metropole des Genusses, wie man's der Welt einreden möchte, wie es in gewissen Kreisen gewünscht wird. Die Zahl der Abonnenten ans preußische Zeitungen hat sich uni ein paar Hunderte vermehrt. In der letzten Zeit ist hier, da jetzt die den Bühncngesang Verwischende Jenny Lind, Gottlob ! fort ist, kein Gegenstand (nicht einmal in der Wiener- Zeitung durch einen ., Tendenz - Bären" der Il-no 5»-in<:o *) unlängst in D. Red. *) Herr Anton Falkbeer? Siehe Wiener-Zeitung vom 24. April.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, I. Semester II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_271898/235>, abgerufen am 28.09.2024.