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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. IV. Band.

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In allen Kirchen wird das Wort des Herrn rein und lauter gepredigt: aber im
Voigtland -- dies Stadtviertel ist ebensowenig local zu realisiren, als der ^-uilwurF
8t. Ksi'lium oder ein Lst. -- steigt nach wie vor der Alkohol in die Köpfe, nach wie
vor fließen Ströme bairischen Bieres in die durstigen Kehlen bei Flügge "ut bei Wall¬
müller.

Und nach ein Paar Tagen ist der Traum zu Ende, die Kinder müssen wieder in
die Schule, der Staatshömorrhoidarius setzt sich wieder an den Aktentisch, und Gemüth,
Poesie und Christenthum werden wieder in die Rumpelkammer gesteckt.


2.

Neue Schriften über die ständischen Verhältnisse Preußens. -- Die Schweizer Krage.

Bei der nahe bevorstehenden Eröffnung der Ausschüsse ist es von Interesse, die
Tendenzen, welche sich in Beziehung ans das ständische Wesen geltend machen, öffent¬
lich besprochen zu sehen. -- Eine so eben erschienene Broschüre von v. Bardele¬
ben, die aus dem Kreise der ostpreußischen Opposition hervorgegangen ist (Leipzig,
Spamer), gibt den Ausschüsse" den Rath, sich auf alle Fälle sür incompetent zu
erklären, auch wenn die Regierung ihnen nichts anderes vorlegen sollte, als den Straf-
gesetzentwnrf. Mit Recht, denn wenn sich die Ausschüsse dazu herbeilassen, in dieser
Angelegenheit einen ständischen Rath zu ertheilen, so geben sie die Sache der eigentlichen
Stände um so mehr auf, da der Gegenstand aufs tiefste in das Leben des ganzen
Volkes eingreift. Einzelne Punkte dieses Entwurfs haben schon zu Reklamationen Ver¬
anlassung gegeben, die dem Vernehmen nach von achtbaren Körperschaften an die Aus¬
schüsse gelangen werden. Die merkwürdigste Bestimmung ist diejenige, welche den Hi¬
storikern verbietet, etwas Nachtheiliges über die ehemaligen preußischen Könige zu sa¬
gen -- eine Bestimmung, die der römischen Imperatoren und der römischen Papst?
würdig ist.

Eine andere Schrift, von Biedermann, in welcher dieser unermüdliche PubU-
cist einen Beitrag liefert zur Charakteristik der zweiten Curie Preußens, hat dasselbe
Schicksal gehabt, das in der letzten Zeit allen Schriften des gesinnungstüchtigen Ver¬
fassers zu widerfahre" scheint .....- sie ist confiscire. So lange in der Presse das Eigen¬
thum "och nicht gesetzlich gesichert ist, ist auch von einer Annäherung zur Preßfreiheit
keine Rede.

Von I. Venedey ist wieder ein neues Buch erschienen, in welchem der Ver¬
fasser die preußische Geschichte seit der Restauration, und namentlich die diesjährige
Ständeversammlung, mit großer Wärme und lebendigem Patriotismus beleuchtet.
Er weist ganz richtig "ach, daß die Revolution nur durch die gesetzliche Reform ver¬
mieden werden kann, und daß diese nur denkbar ist, wo die Vertreter des Volkes
Muth und Energie haben und Bestimmtheit in dem, was sie wollen, und wo die
Negierung Achtung vor dem Gesetze hegt. Vcnedeh geht vom Standpunkte des deut¬
schen Patriotismus a"S, aber er sieht ganz richtig i" Preuße" de" Centralpunkt der
deutschen Entwickelung.

Sehr interessant ist noch eine Broschüre: Die Landtagsvcrhandlu ngen
über die bürgerliche Stellung der Juden in Preußen. Mit Bezie¬
hung ans Oesterreich (Leipzig, Grunvw), in welcher zuerst der gesetzliche Zustand,


In allen Kirchen wird das Wort des Herrn rein und lauter gepredigt: aber im
Voigtland — dies Stadtviertel ist ebensowenig local zu realisiren, als der ^-uilwurF
8t. Ksi'lium oder ein Lst. — steigt nach wie vor der Alkohol in die Köpfe, nach wie
vor fließen Ströme bairischen Bieres in die durstigen Kehlen bei Flügge »ut bei Wall¬
müller.

Und nach ein Paar Tagen ist der Traum zu Ende, die Kinder müssen wieder in
die Schule, der Staatshömorrhoidarius setzt sich wieder an den Aktentisch, und Gemüth,
Poesie und Christenthum werden wieder in die Rumpelkammer gesteckt.


2.

Neue Schriften über die ständischen Verhältnisse Preußens. — Die Schweizer Krage.

Bei der nahe bevorstehenden Eröffnung der Ausschüsse ist es von Interesse, die
Tendenzen, welche sich in Beziehung ans das ständische Wesen geltend machen, öffent¬
lich besprochen zu sehen. — Eine so eben erschienene Broschüre von v. Bardele¬
ben, die aus dem Kreise der ostpreußischen Opposition hervorgegangen ist (Leipzig,
Spamer), gibt den Ausschüsse» den Rath, sich auf alle Fälle sür incompetent zu
erklären, auch wenn die Regierung ihnen nichts anderes vorlegen sollte, als den Straf-
gesetzentwnrf. Mit Recht, denn wenn sich die Ausschüsse dazu herbeilassen, in dieser
Angelegenheit einen ständischen Rath zu ertheilen, so geben sie die Sache der eigentlichen
Stände um so mehr auf, da der Gegenstand aufs tiefste in das Leben des ganzen
Volkes eingreift. Einzelne Punkte dieses Entwurfs haben schon zu Reklamationen Ver¬
anlassung gegeben, die dem Vernehmen nach von achtbaren Körperschaften an die Aus¬
schüsse gelangen werden. Die merkwürdigste Bestimmung ist diejenige, welche den Hi¬
storikern verbietet, etwas Nachtheiliges über die ehemaligen preußischen Könige zu sa¬
gen — eine Bestimmung, die der römischen Imperatoren und der römischen Papst?
würdig ist.

Eine andere Schrift, von Biedermann, in welcher dieser unermüdliche PubU-
cist einen Beitrag liefert zur Charakteristik der zweiten Curie Preußens, hat dasselbe
Schicksal gehabt, das in der letzten Zeit allen Schriften des gesinnungstüchtigen Ver¬
fassers zu widerfahre» scheint .....- sie ist confiscire. So lange in der Presse das Eigen¬
thum »och nicht gesetzlich gesichert ist, ist auch von einer Annäherung zur Preßfreiheit
keine Rede.

Von I. Venedey ist wieder ein neues Buch erschienen, in welchem der Ver¬
fasser die preußische Geschichte seit der Restauration, und namentlich die diesjährige
Ständeversammlung, mit großer Wärme und lebendigem Patriotismus beleuchtet.
Er weist ganz richtig »ach, daß die Revolution nur durch die gesetzliche Reform ver¬
mieden werden kann, und daß diese nur denkbar ist, wo die Vertreter des Volkes
Muth und Energie haben und Bestimmtheit in dem, was sie wollen, und wo die
Negierung Achtung vor dem Gesetze hegt. Vcnedeh geht vom Standpunkte des deut¬
schen Patriotismus a»S, aber er sieht ganz richtig i» Preuße» de» Centralpunkt der
deutschen Entwickelung.

Sehr interessant ist noch eine Broschüre: Die Landtagsvcrhandlu ngen
über die bürgerliche Stellung der Juden in Preußen. Mit Bezie¬
hung ans Oesterreich (Leipzig, Grunvw), in welcher zuerst der gesetzliche Zustand,


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[0562] In allen Kirchen wird das Wort des Herrn rein und lauter gepredigt: aber im Voigtland — dies Stadtviertel ist ebensowenig local zu realisiren, als der ^-uilwurF 8t. Ksi'lium oder ein Lst. — steigt nach wie vor der Alkohol in die Köpfe, nach wie vor fließen Ströme bairischen Bieres in die durstigen Kehlen bei Flügge »ut bei Wall¬ müller. Und nach ein Paar Tagen ist der Traum zu Ende, die Kinder müssen wieder in die Schule, der Staatshömorrhoidarius setzt sich wieder an den Aktentisch, und Gemüth, Poesie und Christenthum werden wieder in die Rumpelkammer gesteckt. 2. Neue Schriften über die ständischen Verhältnisse Preußens. — Die Schweizer Krage. Bei der nahe bevorstehenden Eröffnung der Ausschüsse ist es von Interesse, die Tendenzen, welche sich in Beziehung ans das ständische Wesen geltend machen, öffent¬ lich besprochen zu sehen. — Eine so eben erschienene Broschüre von v. Bardele¬ ben, die aus dem Kreise der ostpreußischen Opposition hervorgegangen ist (Leipzig, Spamer), gibt den Ausschüsse» den Rath, sich auf alle Fälle sür incompetent zu erklären, auch wenn die Regierung ihnen nichts anderes vorlegen sollte, als den Straf- gesetzentwnrf. Mit Recht, denn wenn sich die Ausschüsse dazu herbeilassen, in dieser Angelegenheit einen ständischen Rath zu ertheilen, so geben sie die Sache der eigentlichen Stände um so mehr auf, da der Gegenstand aufs tiefste in das Leben des ganzen Volkes eingreift. Einzelne Punkte dieses Entwurfs haben schon zu Reklamationen Ver¬ anlassung gegeben, die dem Vernehmen nach von achtbaren Körperschaften an die Aus¬ schüsse gelangen werden. Die merkwürdigste Bestimmung ist diejenige, welche den Hi¬ storikern verbietet, etwas Nachtheiliges über die ehemaligen preußischen Könige zu sa¬ gen — eine Bestimmung, die der römischen Imperatoren und der römischen Papst? würdig ist. Eine andere Schrift, von Biedermann, in welcher dieser unermüdliche PubU- cist einen Beitrag liefert zur Charakteristik der zweiten Curie Preußens, hat dasselbe Schicksal gehabt, das in der letzten Zeit allen Schriften des gesinnungstüchtigen Ver¬ fassers zu widerfahre» scheint .....- sie ist confiscire. So lange in der Presse das Eigen¬ thum »och nicht gesetzlich gesichert ist, ist auch von einer Annäherung zur Preßfreiheit keine Rede. Von I. Venedey ist wieder ein neues Buch erschienen, in welchem der Ver¬ fasser die preußische Geschichte seit der Restauration, und namentlich die diesjährige Ständeversammlung, mit großer Wärme und lebendigem Patriotismus beleuchtet. Er weist ganz richtig »ach, daß die Revolution nur durch die gesetzliche Reform ver¬ mieden werden kann, und daß diese nur denkbar ist, wo die Vertreter des Volkes Muth und Energie haben und Bestimmtheit in dem, was sie wollen, und wo die Negierung Achtung vor dem Gesetze hegt. Vcnedeh geht vom Standpunkte des deut¬ schen Patriotismus a»S, aber er sieht ganz richtig i» Preuße» de» Centralpunkt der deutschen Entwickelung. Sehr interessant ist noch eine Broschüre: Die Landtagsvcrhandlu ngen über die bürgerliche Stellung der Juden in Preußen. Mit Bezie¬ hung ans Oesterreich (Leipzig, Grunvw), in welcher zuerst der gesetzliche Zustand,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_184763/562>, abgerufen am 22.07.2024.