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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. IV. Band.

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der ermüdenden Weitschweifigkeit der Verhandlungen war übrigens das Benehmen der
Polen nicht geeignet, bedeutende Sumpathieen für sie zu erwecken. In der Voruntersu-
chung schwachherzige Bekenntnisse, späterhin kindisches Leugnen, dazu ein oft gespreiztes
Haschen nach Effecten. Das war nicht das erhabene Bild der letzten Vertheidiger eines
gefallenen Volkes ans den Trümmern des Vaterlandes! Die Hauptschuldigen werden
zum Tode verurtheilt werden, hingerichtet wird natürlich Niemand werden, auf lang¬
wierige Festungshaft dagegen können sich Mehrere gefaßt machen.

Die Ausschüsse werden Mitte oder spätestens Ende Januar zusammentreten. Der
Himmel gebe, daß die Opposition nicht ihr Waterloo dabei erlebe. Ihre Stellung ist
so ungünstig, als nur möglich. Durch die sinnreiche Tactik der Divlomatiker in zwei
Lager gespalten, die energischsten Abgeordneten nicht in den Ausschüssen, da ist es sehr
zu befürchten, daß der Ausgang noch schlimmer werde, als der des vereinigten Land¬
tags. Doch mag es nnn kommen, wie es will, man wird wenigstens seine Leute ken¬
nen lernen, die aufgeputzte Gesinnungstüchtigkeit, der PhraseulibcralismnS werden endlich
die Masken fallen zu lassen gezwungen sein, und mag die Schaar kleiner werden,
man wird die gefährliche Gemeinschaft charakterloser und selbstsüchtiger Bundesgenossen
für immer los werden.


2.

ÄZcrthvld Unart'lich "ut Charlotte Vlrch-Pfeiffer. -- Neuer Ehariv>in,

Unsere generälintendanturbeliebtc Buch - Pfeiffer, die mit Dampfmaschinenkrast
und Schnelligkeit den Theatertantiemebruunen auszupumpen sich unablässig und mit
bestem Erfolge bestrebt, ist auf den sehr geschnitten Einfall gekommen, Auerbach's be¬
kannte Erzählung "Die Frau Professorin" zum Benefiz ihrer Kassette zu tautiizmiflrcn.
Das war klug und bequem zugleich. Klug, weil Auerbach nun gerade, und mit
Recht "z" vo^'n"!, die genannte Erzählung aber sehr rührend und -- (im bessern Sinne
des Worts) -- sentimental ist; weil der schwäbische Dialect hier wohl kaum jemals
in seriösen Scenen von der Bühne herab vernommen wurde, also etwas nagel¬
neues ist; weil Frau Birch wußte, daß sie selbst den Dialect höchst unwillkürlich und
natürlich spricht, und daß auch der, alles möglich machende Döring, und die be¬
gabte, eifervolle Stich mit diesen Patois, das diesmal ein Haupthebel der Wirkung,
sehr wohl fertig werden würden. Bequem war es: -- eine deutsche, stellenweise
schon dialogisirte Erzählung behufs der Tantiemeansbeute zu wählen, denn da
braucht's nicht erst des Uebersetzers, des NachschlageuS im Dictionaire und all' solcher
Mühe. Herr v. Küstncr hat das neueste Product seines Lieblings als Originalstück
anerkannt, d. h, tantiomewürdig. Es heißt: "Dorf und Stadt" macht volle Häuser,
und wird so oft wie möglich gegeben, damit Frau Birch zu ihrem Schaden kommt. --
Man erzählt sich nun aber in literarischen Kreisen, Auerbach wolle ihr, Madame
Birchpfciffcr nämlich, den Antheil des Löwen entreißen, und ganz ernsthaft sein Au¬
torrecht vor der geeigneten Barre geltend machen. Wir glauben, er wird nichts ergrei¬
fe", und Frau Pfeiffer-Birch wird nach wie vor die volle Tantieme für ihre Nepro-
ducte und Theaterschnciderkünste einsanken, als wären es die ehrlichsten Originale. Aber
interessant, ja wichtig in hohem Grade könnte der Prozeß doch werden, und es wäre
sehr zu wünschen, daß der wackere Gevattersmann ans dem Schwarzwald Ernst damit
machte. --

Haben Sie unsern Charivnri schon gesehen? (gehört, müßte man eigentlich sagen,
denn "Katzenmusik" pflegt man noch weniger als andere Musik zu sehen, da sie ge-


der ermüdenden Weitschweifigkeit der Verhandlungen war übrigens das Benehmen der
Polen nicht geeignet, bedeutende Sumpathieen für sie zu erwecken. In der Voruntersu-
chung schwachherzige Bekenntnisse, späterhin kindisches Leugnen, dazu ein oft gespreiztes
Haschen nach Effecten. Das war nicht das erhabene Bild der letzten Vertheidiger eines
gefallenen Volkes ans den Trümmern des Vaterlandes! Die Hauptschuldigen werden
zum Tode verurtheilt werden, hingerichtet wird natürlich Niemand werden, auf lang¬
wierige Festungshaft dagegen können sich Mehrere gefaßt machen.

Die Ausschüsse werden Mitte oder spätestens Ende Januar zusammentreten. Der
Himmel gebe, daß die Opposition nicht ihr Waterloo dabei erlebe. Ihre Stellung ist
so ungünstig, als nur möglich. Durch die sinnreiche Tactik der Divlomatiker in zwei
Lager gespalten, die energischsten Abgeordneten nicht in den Ausschüssen, da ist es sehr
zu befürchten, daß der Ausgang noch schlimmer werde, als der des vereinigten Land¬
tags. Doch mag es nnn kommen, wie es will, man wird wenigstens seine Leute ken¬
nen lernen, die aufgeputzte Gesinnungstüchtigkeit, der PhraseulibcralismnS werden endlich
die Masken fallen zu lassen gezwungen sein, und mag die Schaar kleiner werden,
man wird die gefährliche Gemeinschaft charakterloser und selbstsüchtiger Bundesgenossen
für immer los werden.


2.

ÄZcrthvld Unart'lich »ut Charlotte Vlrch-Pfeiffer. — Neuer Ehariv>in,

Unsere generälintendanturbeliebtc Buch - Pfeiffer, die mit Dampfmaschinenkrast
und Schnelligkeit den Theatertantiemebruunen auszupumpen sich unablässig und mit
bestem Erfolge bestrebt, ist auf den sehr geschnitten Einfall gekommen, Auerbach's be¬
kannte Erzählung „Die Frau Professorin" zum Benefiz ihrer Kassette zu tautiizmiflrcn.
Das war klug und bequem zugleich. Klug, weil Auerbach nun gerade, und mit
Recht «z» vo^'n«!, die genannte Erzählung aber sehr rührend und — (im bessern Sinne
des Worts) — sentimental ist; weil der schwäbische Dialect hier wohl kaum jemals
in seriösen Scenen von der Bühne herab vernommen wurde, also etwas nagel¬
neues ist; weil Frau Birch wußte, daß sie selbst den Dialect höchst unwillkürlich und
natürlich spricht, und daß auch der, alles möglich machende Döring, und die be¬
gabte, eifervolle Stich mit diesen Patois, das diesmal ein Haupthebel der Wirkung,
sehr wohl fertig werden würden. Bequem war es: — eine deutsche, stellenweise
schon dialogisirte Erzählung behufs der Tantiemeansbeute zu wählen, denn da
braucht's nicht erst des Uebersetzers, des NachschlageuS im Dictionaire und all' solcher
Mühe. Herr v. Küstncr hat das neueste Product seines Lieblings als Originalstück
anerkannt, d. h, tantiomewürdig. Es heißt: „Dorf und Stadt" macht volle Häuser,
und wird so oft wie möglich gegeben, damit Frau Birch zu ihrem Schaden kommt. —
Man erzählt sich nun aber in literarischen Kreisen, Auerbach wolle ihr, Madame
Birchpfciffcr nämlich, den Antheil des Löwen entreißen, und ganz ernsthaft sein Au¬
torrecht vor der geeigneten Barre geltend machen. Wir glauben, er wird nichts ergrei¬
fe», und Frau Pfeiffer-Birch wird nach wie vor die volle Tantieme für ihre Nepro-
ducte und Theaterschnciderkünste einsanken, als wären es die ehrlichsten Originale. Aber
interessant, ja wichtig in hohem Grade könnte der Prozeß doch werden, und es wäre
sehr zu wünschen, daß der wackere Gevattersmann ans dem Schwarzwald Ernst damit
machte. —

Haben Sie unsern Charivnri schon gesehen? (gehört, müßte man eigentlich sagen,
denn „Katzenmusik" pflegt man noch weniger als andere Musik zu sehen, da sie ge-


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[0447] der ermüdenden Weitschweifigkeit der Verhandlungen war übrigens das Benehmen der Polen nicht geeignet, bedeutende Sumpathieen für sie zu erwecken. In der Voruntersu- chung schwachherzige Bekenntnisse, späterhin kindisches Leugnen, dazu ein oft gespreiztes Haschen nach Effecten. Das war nicht das erhabene Bild der letzten Vertheidiger eines gefallenen Volkes ans den Trümmern des Vaterlandes! Die Hauptschuldigen werden zum Tode verurtheilt werden, hingerichtet wird natürlich Niemand werden, auf lang¬ wierige Festungshaft dagegen können sich Mehrere gefaßt machen. Die Ausschüsse werden Mitte oder spätestens Ende Januar zusammentreten. Der Himmel gebe, daß die Opposition nicht ihr Waterloo dabei erlebe. Ihre Stellung ist so ungünstig, als nur möglich. Durch die sinnreiche Tactik der Divlomatiker in zwei Lager gespalten, die energischsten Abgeordneten nicht in den Ausschüssen, da ist es sehr zu befürchten, daß der Ausgang noch schlimmer werde, als der des vereinigten Land¬ tags. Doch mag es nnn kommen, wie es will, man wird wenigstens seine Leute ken¬ nen lernen, die aufgeputzte Gesinnungstüchtigkeit, der PhraseulibcralismnS werden endlich die Masken fallen zu lassen gezwungen sein, und mag die Schaar kleiner werden, man wird die gefährliche Gemeinschaft charakterloser und selbstsüchtiger Bundesgenossen für immer los werden. 2. ÄZcrthvld Unart'lich »ut Charlotte Vlrch-Pfeiffer. — Neuer Ehariv>in, Unsere generälintendanturbeliebtc Buch - Pfeiffer, die mit Dampfmaschinenkrast und Schnelligkeit den Theatertantiemebruunen auszupumpen sich unablässig und mit bestem Erfolge bestrebt, ist auf den sehr geschnitten Einfall gekommen, Auerbach's be¬ kannte Erzählung „Die Frau Professorin" zum Benefiz ihrer Kassette zu tautiizmiflrcn. Das war klug und bequem zugleich. Klug, weil Auerbach nun gerade, und mit Recht «z» vo^'n«!, die genannte Erzählung aber sehr rührend und — (im bessern Sinne des Worts) — sentimental ist; weil der schwäbische Dialect hier wohl kaum jemals in seriösen Scenen von der Bühne herab vernommen wurde, also etwas nagel¬ neues ist; weil Frau Birch wußte, daß sie selbst den Dialect höchst unwillkürlich und natürlich spricht, und daß auch der, alles möglich machende Döring, und die be¬ gabte, eifervolle Stich mit diesen Patois, das diesmal ein Haupthebel der Wirkung, sehr wohl fertig werden würden. Bequem war es: — eine deutsche, stellenweise schon dialogisirte Erzählung behufs der Tantiemeansbeute zu wählen, denn da braucht's nicht erst des Uebersetzers, des NachschlageuS im Dictionaire und all' solcher Mühe. Herr v. Küstncr hat das neueste Product seines Lieblings als Originalstück anerkannt, d. h, tantiomewürdig. Es heißt: „Dorf und Stadt" macht volle Häuser, und wird so oft wie möglich gegeben, damit Frau Birch zu ihrem Schaden kommt. — Man erzählt sich nun aber in literarischen Kreisen, Auerbach wolle ihr, Madame Birchpfciffcr nämlich, den Antheil des Löwen entreißen, und ganz ernsthaft sein Au¬ torrecht vor der geeigneten Barre geltend machen. Wir glauben, er wird nichts ergrei¬ fe», und Frau Pfeiffer-Birch wird nach wie vor die volle Tantieme für ihre Nepro- ducte und Theaterschnciderkünste einsanken, als wären es die ehrlichsten Originale. Aber interessant, ja wichtig in hohem Grade könnte der Prozeß doch werden, und es wäre sehr zu wünschen, daß der wackere Gevattersmann ans dem Schwarzwald Ernst damit machte. — Haben Sie unsern Charivnri schon gesehen? (gehört, müßte man eigentlich sagen, denn „Katzenmusik" pflegt man noch weniger als andere Musik zu sehen, da sie ge-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_184763/447>, abgerufen am 11.12.2024.