Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. IV. Band.Einiges aus Westphalen. Alt- nud NeMvcstphale". -- Zwei Charakterzüge.-- Die Vorliebe der Regierung. -- DaS Ninnsterlond.--- Arnsberg und das säuert.ind. -- Die Grnfschgft Mnrk. -- Pietisten. -- Geistige Bildung. Die Provinz Westphalen ist unverdienter Weise dem Gespött anheimgefallen. Gr-nzs.vente. IV. 1S'.7. ,55
Einiges aus Westphalen. Alt- nud NeMvcstphale». — Zwei Charakterzüge.— Die Vorliebe der Regierung. — DaS Ninnsterlond.--- Arnsberg und das säuert.ind. — Die Grnfschgft Mnrk. — Pietisten. — Geistige Bildung. Die Provinz Westphalen ist unverdienter Weise dem Gespött anheimgefallen. Gr-nzs.vente. IV. 1S'.7. ,55
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0433" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/185197"/> </div> </div> <div n="1"> <head> Einiges aus Westphalen.</head><lb/> <note type="argument"> Alt- nud NeMvcstphale». — Zwei Charakterzüge.— Die Vorliebe der Regierung. — DaS Ninnsterlond.---<lb/> Arnsberg und das säuert.ind. — Die Grnfschgft Mnrk. — Pietisten. — Geistige Bildung.</note><lb/> <p xml:id="ID_1410"> Die Provinz Westphalen ist unverdienter Weise dem Gespött anheimgefallen.<lb/> Man nennt sie höhnend „ das deutsche Böotic»," oder die Vendee des deutschen Reichs,<lb/> indem man sich durch einige Züge täuschen läßt, deren Verhältniß zum Ganzen man<lb/> nicht begreift. Westphalen wurde ignorirt und wird es theilweise noch, obwohl in der<lb/> letzten Zeit die aufsteigenden Ideen des sich entwickelnden Selbstbewußtseins nicht mehr<lb/> verkannt werden können. Der Grundcharacterzug der Westphalen ist der Konservatis¬<lb/> mus im ächten Sinne des Wortes. Aus diesem lasse» sich alle geschichtlichen Ereig¬<lb/> nisse begreifen, die Westphalen Von seinem ersten Bekanntwerden an auszuweisen hat.<lb/> Jenes Festhalten am Gewohnten, am Bestehenden, für welches man Gut und Leben<lb/> zu opfern bereit war, ist der tiefere Grund, weshalb die römischen Heere einst in West¬<lb/> phalen einen so energischen Widerstand fanden. Kein Volksstamm Germaniens kämpfte<lb/> in dem Maaße für seine einheimischen Zustände, wie die Bewohner des Lippe- und<lb/> Wesernfers. Man hat den Arminius als Germaniens Hort und Beschützer laut geprie¬<lb/> sen, man hat ihn den Retter der deutschen Nationalität genannt und ihm den Sieg<lb/> "»gerechnet, den die germanische Welt in ihrem Zusammenstoßen mit der römischen er¬<lb/> achten. Man hat gesagt, ohne Arminius und seine Westphalen gäbe es kein deutsches-<lb/> Volk, keine germanische Weltanschauung. Wenn man daraus den Besiegen, der römi¬<lb/> schen Heere einen Ruhm vindiciren will, so verkennt man gänzlich die damaligen Ver¬<lb/> hältnisse. Die Westphalen bekämpften die Römer nicht, um Deutschland von den frem¬<lb/> den Eindringlingen zu befreien, sie stellten sich ihnen entgegen, weil man ihnen ihre<lb/> Einrichtungen entreißen wollte, weil ihre Zustände gefährdet waren, mit denen man so<lb/> verschmolzen war, daß man ohne sie nicht leben konnte. Es war also der Kampf ge¬<lb/> gen die römischen Adler nicht ein Kampf aus Frcihcitsmotivcn, eS war ein Act der<lb/> bloßen Nothwendigkeit, und jene triviale Begeisterung für den deutschen Herrmann ist<lb/> somit in ihr gebührendes Nichts verwiesen. Nach der Vertreibung der Römer aus<lb/> Westphalen, als man wieder seinen Sitten und Gewohnheiten gemäß leben konnte, war<lb/> '"an zufrieden, und erst dann trat Westphalen wieder in der Geschichte auf, als seine<lb/> ^»stände zum zweiten Male gefährdet waren. Die Römer wurden bald vergessen; nur<lb/> eun'ge Ortsnamen erinnern noch an jene Kämpfe und an Herrmann, und wenige<lb/> Strophen scheinen Klänge aus einem alten Volksliede zu sein, das diese Kämpfe ver¬<lb/> herrlichte. Sie leben in Westphalen im Munde der Jugend, und man hört sie<lb/> aus der Straße in der originell und ungeschliffen klingenden plattdeutschen Mundart'</p><lb/> <lg xml:id="POEMID_11" type="poem"> <l/> </lg><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Gr-nzs.vente. IV. 1S'.7. ,55</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0433]
Einiges aus Westphalen.
Alt- nud NeMvcstphale». — Zwei Charakterzüge.— Die Vorliebe der Regierung. — DaS Ninnsterlond.---
Arnsberg und das säuert.ind. — Die Grnfschgft Mnrk. — Pietisten. — Geistige Bildung.
Die Provinz Westphalen ist unverdienter Weise dem Gespött anheimgefallen.
Man nennt sie höhnend „ das deutsche Böotic»," oder die Vendee des deutschen Reichs,
indem man sich durch einige Züge täuschen läßt, deren Verhältniß zum Ganzen man
nicht begreift. Westphalen wurde ignorirt und wird es theilweise noch, obwohl in der
letzten Zeit die aufsteigenden Ideen des sich entwickelnden Selbstbewußtseins nicht mehr
verkannt werden können. Der Grundcharacterzug der Westphalen ist der Konservatis¬
mus im ächten Sinne des Wortes. Aus diesem lasse» sich alle geschichtlichen Ereig¬
nisse begreifen, die Westphalen Von seinem ersten Bekanntwerden an auszuweisen hat.
Jenes Festhalten am Gewohnten, am Bestehenden, für welches man Gut und Leben
zu opfern bereit war, ist der tiefere Grund, weshalb die römischen Heere einst in West¬
phalen einen so energischen Widerstand fanden. Kein Volksstamm Germaniens kämpfte
in dem Maaße für seine einheimischen Zustände, wie die Bewohner des Lippe- und
Wesernfers. Man hat den Arminius als Germaniens Hort und Beschützer laut geprie¬
sen, man hat ihn den Retter der deutschen Nationalität genannt und ihm den Sieg
"»gerechnet, den die germanische Welt in ihrem Zusammenstoßen mit der römischen er¬
achten. Man hat gesagt, ohne Arminius und seine Westphalen gäbe es kein deutsches-
Volk, keine germanische Weltanschauung. Wenn man daraus den Besiegen, der römi¬
schen Heere einen Ruhm vindiciren will, so verkennt man gänzlich die damaligen Ver¬
hältnisse. Die Westphalen bekämpften die Römer nicht, um Deutschland von den frem¬
den Eindringlingen zu befreien, sie stellten sich ihnen entgegen, weil man ihnen ihre
Einrichtungen entreißen wollte, weil ihre Zustände gefährdet waren, mit denen man so
verschmolzen war, daß man ohne sie nicht leben konnte. Es war also der Kampf ge¬
gen die römischen Adler nicht ein Kampf aus Frcihcitsmotivcn, eS war ein Act der
bloßen Nothwendigkeit, und jene triviale Begeisterung für den deutschen Herrmann ist
somit in ihr gebührendes Nichts verwiesen. Nach der Vertreibung der Römer aus
Westphalen, als man wieder seinen Sitten und Gewohnheiten gemäß leben konnte, war
'"an zufrieden, und erst dann trat Westphalen wieder in der Geschichte auf, als seine
^»stände zum zweiten Male gefährdet waren. Die Römer wurden bald vergessen; nur
eun'ge Ortsnamen erinnern noch an jene Kämpfe und an Herrmann, und wenige
Strophen scheinen Klänge aus einem alten Volksliede zu sein, das diese Kämpfe ver¬
herrlichte. Sie leben in Westphalen im Munde der Jugend, und man hört sie
aus der Straße in der originell und ungeschliffen klingenden plattdeutschen Mundart'
Gr-nzs.vente. IV. 1S'.7. ,55
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |