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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. IV. Band.

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wohl theilweise viel zu sanguinische Hoffnungen von dem Nutzen derselben, ja glaubt
sogar, die Stadt werde dadurch wieder zur alten Handelsbedeutuug kommen. Ver¬
gebliche Hoffnung! Es wird Nichts mehr gewinnen, als es jetzt noch hat, aber
hätte es diese Bahn nicht bekomme", wäre auch dieses noch ganz verloren gegan¬
gen. Daher war dieselbe eine Lebensfrage für die Stadt. Uebrigens ist diese
Handelsthätigkeit, die vorzugsweise ans dem Verkehr nach den russischen und schwe¬
dischen Ostseeküsten, wo es von uralten Zeiten her noch viele feste Handelsverbin-
dungen besitzt, und aus Koruverschiffnngen nach England und Frankreich besteht,
gar nicht unbedeutend und nächst Stettin und für einige Zweige auch Rostock, ist
Lübeck noch immer der wichtigste Handelsplatz der deutschen Ostseeküste. Die 28,000
Einwohner, welche die Stadt noch zählt, finden noch immer genügenden Erwerb,
nnr im Vergleich zu der Große.des Ortes selbst und zu dem, was er früher
war, erscheint alles Jetzige so kleinlich und verkümmert. Doch herrscht noch immer
viel solider Wohlstand, fast unter alleu Ständen und man findet sehr wenig Armuth,
wenigstens so weit es sich uach der ganzen äußeren Erscheinung, die hierin selten
trügt, beurtheilen läßt. Man erwirbt zwar nicht außerordentlich viel, gibt aber
auch nur wenig aus. Großstädtische Vergnügungen sind fast gar nicht vorhanden,
der Lu,ruf in Toiletten und Ausstattung der Zimmer ist auch noch nicht so gestie¬
gen, wie in vielen anderen Orten, und obgleich man einen guten Tisch und ein
gutes Glas Bordeaux oder Rheinwein daselbst sehr liebt, so sind die Verschwen¬
dungen der Tafel doch lange nicht der Art, als in Hamburg und Bremen. Auch
der Handwerker- und Krämerstand ist fleißig, sparsam und noch sehr alten, soliden
Sitten huldigend. So erhält man das, was der Väter Fleiß erworben noch un-
geschmälert, besonders da man nirgends häuslichere, wirtschaftlichere Frauen, als
gerade hier finden wird.

Fremde werden im Ganzen wenig nach Lübeck kommen, da es zu abgelegen
Und außer einigen alten Kirchen, unter denen besonders die "Marienkirche" zu nen¬
nen ist, und sonstigen Alterthümlichkeiteu sehr wenig Interessantes darbietet. Nur
ni den Sommermonaten führt die Gelegenheit auf den Dampfschiffen nach den
schwedischen, dänischen und auch russischen Häfen mehrere flüchtige Passanten hier
^nrch. letztere Fahrten hat die Stadt einen sehr gefährlichen Concurrenten
"n der neuen Dampfschiffslinie von Stettin nach Petersburg erhalten, da gar
viele vornehme Russen diese Tour, die sowohl zur See als auch zu Lande dem
inneren Deutschlands näher gelegen ist, vorziehen.


III
H a in b u r g.

Wie ganz anders Hamburg. Welch' reges Leben, welche Großartigkeit in Han¬
del und Wandel, welche Ueppigkeit in allen Lebensgenüssen! Mit Ausnahme Wiens
ist Hamburg entschieden die großstädtischste Stadt in ganz Deutschland und wird


wohl theilweise viel zu sanguinische Hoffnungen von dem Nutzen derselben, ja glaubt
sogar, die Stadt werde dadurch wieder zur alten Handelsbedeutuug kommen. Ver¬
gebliche Hoffnung! Es wird Nichts mehr gewinnen, als es jetzt noch hat, aber
hätte es diese Bahn nicht bekomme«, wäre auch dieses noch ganz verloren gegan¬
gen. Daher war dieselbe eine Lebensfrage für die Stadt. Uebrigens ist diese
Handelsthätigkeit, die vorzugsweise ans dem Verkehr nach den russischen und schwe¬
dischen Ostseeküsten, wo es von uralten Zeiten her noch viele feste Handelsverbin-
dungen besitzt, und aus Koruverschiffnngen nach England und Frankreich besteht,
gar nicht unbedeutend und nächst Stettin und für einige Zweige auch Rostock, ist
Lübeck noch immer der wichtigste Handelsplatz der deutschen Ostseeküste. Die 28,000
Einwohner, welche die Stadt noch zählt, finden noch immer genügenden Erwerb,
nnr im Vergleich zu der Große.des Ortes selbst und zu dem, was er früher
war, erscheint alles Jetzige so kleinlich und verkümmert. Doch herrscht noch immer
viel solider Wohlstand, fast unter alleu Ständen und man findet sehr wenig Armuth,
wenigstens so weit es sich uach der ganzen äußeren Erscheinung, die hierin selten
trügt, beurtheilen läßt. Man erwirbt zwar nicht außerordentlich viel, gibt aber
auch nur wenig aus. Großstädtische Vergnügungen sind fast gar nicht vorhanden,
der Lu,ruf in Toiletten und Ausstattung der Zimmer ist auch noch nicht so gestie¬
gen, wie in vielen anderen Orten, und obgleich man einen guten Tisch und ein
gutes Glas Bordeaux oder Rheinwein daselbst sehr liebt, so sind die Verschwen¬
dungen der Tafel doch lange nicht der Art, als in Hamburg und Bremen. Auch
der Handwerker- und Krämerstand ist fleißig, sparsam und noch sehr alten, soliden
Sitten huldigend. So erhält man das, was der Väter Fleiß erworben noch un-
geschmälert, besonders da man nirgends häuslichere, wirtschaftlichere Frauen, als
gerade hier finden wird.

Fremde werden im Ganzen wenig nach Lübeck kommen, da es zu abgelegen
Und außer einigen alten Kirchen, unter denen besonders die „Marienkirche" zu nen¬
nen ist, und sonstigen Alterthümlichkeiteu sehr wenig Interessantes darbietet. Nur
ni den Sommermonaten führt die Gelegenheit auf den Dampfschiffen nach den
schwedischen, dänischen und auch russischen Häfen mehrere flüchtige Passanten hier
^nrch. letztere Fahrten hat die Stadt einen sehr gefährlichen Concurrenten
"n der neuen Dampfschiffslinie von Stettin nach Petersburg erhalten, da gar
viele vornehme Russen diese Tour, die sowohl zur See als auch zu Lande dem
inneren Deutschlands näher gelegen ist, vorziehen.


III
H a in b u r g.

Wie ganz anders Hamburg. Welch' reges Leben, welche Großartigkeit in Han¬
del und Wandel, welche Ueppigkeit in allen Lebensgenüssen! Mit Ausnahme Wiens
ist Hamburg entschieden die großstädtischste Stadt in ganz Deutschland und wird


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[0375] wohl theilweise viel zu sanguinische Hoffnungen von dem Nutzen derselben, ja glaubt sogar, die Stadt werde dadurch wieder zur alten Handelsbedeutuug kommen. Ver¬ gebliche Hoffnung! Es wird Nichts mehr gewinnen, als es jetzt noch hat, aber hätte es diese Bahn nicht bekomme«, wäre auch dieses noch ganz verloren gegan¬ gen. Daher war dieselbe eine Lebensfrage für die Stadt. Uebrigens ist diese Handelsthätigkeit, die vorzugsweise ans dem Verkehr nach den russischen und schwe¬ dischen Ostseeküsten, wo es von uralten Zeiten her noch viele feste Handelsverbin- dungen besitzt, und aus Koruverschiffnngen nach England und Frankreich besteht, gar nicht unbedeutend und nächst Stettin und für einige Zweige auch Rostock, ist Lübeck noch immer der wichtigste Handelsplatz der deutschen Ostseeküste. Die 28,000 Einwohner, welche die Stadt noch zählt, finden noch immer genügenden Erwerb, nnr im Vergleich zu der Große.des Ortes selbst und zu dem, was er früher war, erscheint alles Jetzige so kleinlich und verkümmert. Doch herrscht noch immer viel solider Wohlstand, fast unter alleu Ständen und man findet sehr wenig Armuth, wenigstens so weit es sich uach der ganzen äußeren Erscheinung, die hierin selten trügt, beurtheilen läßt. Man erwirbt zwar nicht außerordentlich viel, gibt aber auch nur wenig aus. Großstädtische Vergnügungen sind fast gar nicht vorhanden, der Lu,ruf in Toiletten und Ausstattung der Zimmer ist auch noch nicht so gestie¬ gen, wie in vielen anderen Orten, und obgleich man einen guten Tisch und ein gutes Glas Bordeaux oder Rheinwein daselbst sehr liebt, so sind die Verschwen¬ dungen der Tafel doch lange nicht der Art, als in Hamburg und Bremen. Auch der Handwerker- und Krämerstand ist fleißig, sparsam und noch sehr alten, soliden Sitten huldigend. So erhält man das, was der Väter Fleiß erworben noch un- geschmälert, besonders da man nirgends häuslichere, wirtschaftlichere Frauen, als gerade hier finden wird. Fremde werden im Ganzen wenig nach Lübeck kommen, da es zu abgelegen Und außer einigen alten Kirchen, unter denen besonders die „Marienkirche" zu nen¬ nen ist, und sonstigen Alterthümlichkeiteu sehr wenig Interessantes darbietet. Nur ni den Sommermonaten führt die Gelegenheit auf den Dampfschiffen nach den schwedischen, dänischen und auch russischen Häfen mehrere flüchtige Passanten hier ^nrch. letztere Fahrten hat die Stadt einen sehr gefährlichen Concurrenten "n der neuen Dampfschiffslinie von Stettin nach Petersburg erhalten, da gar viele vornehme Russen diese Tour, die sowohl zur See als auch zu Lande dem inneren Deutschlands näher gelegen ist, vorziehen. III H a in b u r g. Wie ganz anders Hamburg. Welch' reges Leben, welche Großartigkeit in Han¬ del und Wandel, welche Ueppigkeit in allen Lebensgenüssen! Mit Ausnahme Wiens ist Hamburg entschieden die großstädtischste Stadt in ganz Deutschland und wird

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_184763/375>, abgerufen am 11.12.2024.