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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. IV. Band.

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Flucht. I" Glarus ist es ebenfalls zu einem Gefecht gekommen; der Schwyzer Land¬
sturm war gegen Beulen hin vorgeschritten, ward aber daselbst mit einem Kugelregen
begrüßt und z" eiliger Umkehr gezwungen. Oberst Gmür steht mittlerweile mit seiner
Division, welche ungehindert den ganzen Canton Zug durchschritten und dessen Haupt¬
stadt gar nicht einer Besetzung werth gehalten hat, nur noch drei Stunden von Lu-
zern. Vielleicht meldet Ihnen schon mein nächster Brief auch die Besetzung und Ka¬
pitulation dieser Hauptstadt des Sonderbundes.

Freyburg hat sich dem Beschluß der eidgenössischen Tagsatzung unterworfen, dem
Sonderbund entsagt, und wird die Jesuiten ausweisen. Einstweilen hat eine proviso¬
rische Regierung die Zügel der Verwaltung ergriffen.

Kaum vermag ich Ihnen zu beschreiben, welche Freude die Siegesnachricht unter
Allen, welche es wohl mit dem schönen freien Lande meinen, hervorgebracht hat. Der
Enthusiasmus gibt sich besonders in einer Kriegslust kund, welche ohne die Besonnen¬
heit unserer Anführer leicht in's Verderben fuhren könnte. Ich gehöre, als ein einge¬
bürgerter Deutscher, zu dem Bernerischcn Reservebataillon unter Ochsenbein's Kom¬
mando. Viele Deutsche siud darunter, mehr noch unter dem Corps der freiwilligen
Jäger, welches bei Murren steht. Ich habe darunter viele Bekannte gesunden; beson¬
ders wild und ungestüm geberdete sich August Becker, dessen furchtbarer, rother Bart
schon einem Sonderbündcr Entsetzen einflößen muß. Denken Sie sich unsere Verzweif¬
lung, hier wie angenagelt stehen zu müssen, während ringsum der Donner der Kano¬
nen uns von Kampf und Ruhm die feurigsten Lieder singt! Doch hoffen wir in den
nächsten Tagen durch Freyburg und Waadtland gegen Wallis geführt zu werden.
Wenn der Zufall, der Mars unserer Tage, mir kein wallisisches Blei in die Brust sen¬
-- t. det, so werde ich Ihnen weitere Mittheilungen geben.


VI.
Aus Tirol.

Clerikale Vcmühnngcn. -- Ecnsvr Kopatsch. -- Hartwig'S Briefe. -- Lenen-r.

Tirol ist das Land der starrsten Stabilität und die Hauptstadt am Jnn seine
Metropole. Wir haben ein Restdcnzschloß, worin die frühern Landesfürsten saßen; nun
waltet dort das Gubernium, und die Vorstände der Jesuiten, Ligorianer und anderer
wiedererstandenen und neugestifteten Orden gehen da ab und zu, als hätten sie mit
den Herren über die LandcSzustände zu rathen und zu beschließen. Handelt es sich etwa
jetzt uoch immer wie zu weiland Kaiser Ferdinands Zeiten um Bewahrung des alten
Glaubens, wornach der Papst die Sonne, der Kaiser der Mond, das Volk die wollc-
tragendc Heerde beider ist? Thatsache ist es, daß die Geistlichkeit den frommen Lan-
deschcf um Beistand belagert, da ihr vor zwei Jahren der große Daniel zu Bogen
entrissen worden, dessen Unersetzlichkeit die historisch-politischen Blätter kürzlich doppel-
stimmig bejammerten, was auch hier als höchst jämmerlich erkannt und bedauert wurde.
Zuvörderst sucht man beim Himmel und seinen Schaaren Hülfe. Die marianischc So-
dalenschast mit ihrem hohen Genossen betet öffentlich um Entdeckung der geheimen
Feinde der Rechtgläubigkeit, die natürlich anch Gegner des re^ime iiilternv! sind.
Ein neues lateinisches Andachtsbüchlcin von hohen Händen: Domino "wcv n"s orare"
zeigt den Inbrünstigen die wahre Methode, sich und das Land dem höchsten Schutze zu
empfehlen, und erbauliche Lithographien lehren die Gläubigen hinter die heilige Lein¬
wand oder unter das Gefolge der heiligen drei. Könige in den Stall von Bethlehem


Flucht. I» Glarus ist es ebenfalls zu einem Gefecht gekommen; der Schwyzer Land¬
sturm war gegen Beulen hin vorgeschritten, ward aber daselbst mit einem Kugelregen
begrüßt und z» eiliger Umkehr gezwungen. Oberst Gmür steht mittlerweile mit seiner
Division, welche ungehindert den ganzen Canton Zug durchschritten und dessen Haupt¬
stadt gar nicht einer Besetzung werth gehalten hat, nur noch drei Stunden von Lu-
zern. Vielleicht meldet Ihnen schon mein nächster Brief auch die Besetzung und Ka¬
pitulation dieser Hauptstadt des Sonderbundes.

Freyburg hat sich dem Beschluß der eidgenössischen Tagsatzung unterworfen, dem
Sonderbund entsagt, und wird die Jesuiten ausweisen. Einstweilen hat eine proviso¬
rische Regierung die Zügel der Verwaltung ergriffen.

Kaum vermag ich Ihnen zu beschreiben, welche Freude die Siegesnachricht unter
Allen, welche es wohl mit dem schönen freien Lande meinen, hervorgebracht hat. Der
Enthusiasmus gibt sich besonders in einer Kriegslust kund, welche ohne die Besonnen¬
heit unserer Anführer leicht in's Verderben fuhren könnte. Ich gehöre, als ein einge¬
bürgerter Deutscher, zu dem Bernerischcn Reservebataillon unter Ochsenbein's Kom¬
mando. Viele Deutsche siud darunter, mehr noch unter dem Corps der freiwilligen
Jäger, welches bei Murren steht. Ich habe darunter viele Bekannte gesunden; beson¬
ders wild und ungestüm geberdete sich August Becker, dessen furchtbarer, rother Bart
schon einem Sonderbündcr Entsetzen einflößen muß. Denken Sie sich unsere Verzweif¬
lung, hier wie angenagelt stehen zu müssen, während ringsum der Donner der Kano¬
nen uns von Kampf und Ruhm die feurigsten Lieder singt! Doch hoffen wir in den
nächsten Tagen durch Freyburg und Waadtland gegen Wallis geführt zu werden.
Wenn der Zufall, der Mars unserer Tage, mir kein wallisisches Blei in die Brust sen¬
— t. det, so werde ich Ihnen weitere Mittheilungen geben.


VI.
Aus Tirol.

Clerikale Vcmühnngcn. — Ecnsvr Kopatsch. — Hartwig'S Briefe. — Lenen-r.

Tirol ist das Land der starrsten Stabilität und die Hauptstadt am Jnn seine
Metropole. Wir haben ein Restdcnzschloß, worin die frühern Landesfürsten saßen; nun
waltet dort das Gubernium, und die Vorstände der Jesuiten, Ligorianer und anderer
wiedererstandenen und neugestifteten Orden gehen da ab und zu, als hätten sie mit
den Herren über die LandcSzustände zu rathen und zu beschließen. Handelt es sich etwa
jetzt uoch immer wie zu weiland Kaiser Ferdinands Zeiten um Bewahrung des alten
Glaubens, wornach der Papst die Sonne, der Kaiser der Mond, das Volk die wollc-
tragendc Heerde beider ist? Thatsache ist es, daß die Geistlichkeit den frommen Lan-
deschcf um Beistand belagert, da ihr vor zwei Jahren der große Daniel zu Bogen
entrissen worden, dessen Unersetzlichkeit die historisch-politischen Blätter kürzlich doppel-
stimmig bejammerten, was auch hier als höchst jämmerlich erkannt und bedauert wurde.
Zuvörderst sucht man beim Himmel und seinen Schaaren Hülfe. Die marianischc So-
dalenschast mit ihrem hohen Genossen betet öffentlich um Entdeckung der geheimen
Feinde der Rechtgläubigkeit, die natürlich anch Gegner des re^ime iiilternv! sind.
Ein neues lateinisches Andachtsbüchlcin von hohen Händen: Domino «wcv n»s orare"
zeigt den Inbrünstigen die wahre Methode, sich und das Land dem höchsten Schutze zu
empfehlen, und erbauliche Lithographien lehren die Gläubigen hinter die heilige Lein¬
wand oder unter das Gefolge der heiligen drei. Könige in den Stall von Bethlehem


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_184763/316>, abgerufen am 11.12.2024.