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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. IV. Band.

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Der Einfluß der Condnitenlisten
auf
die österreichische Bureaukratie.



Die öffentlichen Glauben habenden Berichte der Amtsvorsteher über die Fähig¬
keiten und das Betragen ihrer untergebenen Beamten heißen Condnitenlisten.

Der Kaiser Joseph II. hat die Condnitenlisten mit Hofdekrct vom 13. Jan. 1783
in Oesterreich allgemein eingeführt. Die Gründe der Einführung enthält das
Handbillet vom 31. October 1785. Die Conduitenliste soll eine übersichtliche Dar¬
stellung der physischen, sittliche" und Amtseigenschaften des Beamten sein, den sie
zum Gegenstand hat. Sie soll die Grundlage der Beurtheilung der Einzelnen sein.
Sie soll möglich machen, daß die Hofstellen ihre Provinzialstcllen und diese wieder die
ihnen untergebenen Behörden kennen lernen. Der Gebrauch von Cvndniteulisteu sei
eben so nothwendig als nützlich, um bei sich äußernden Vvrrücknngcn blos nach
dem wahren Verdienst und nach der geprüften Geschicklichkeit urtheilen zu können.

Die Condnitenlisten waren nach folgendem Formular zu verfassen: 1)Dicnsteigen-
schast. 2) Vor- und Familienname. 3) Alter. 4) Dienstjahre. 5) Wo der Beamte
bisher gedient habe. V) Ob er verheirathet sei, ob er Kinder habe. 7) Ob er
Vermögen besitze. 8) Ob er sein Amt mit unbefriedigendem, ausgezeichnetem oder
gewöhnlichem Fleiße versehe. !>) Welche Studien und welche Sprachkenntnissc er
besitze. 10) Ob er mehrere Länder kenne und im bejahenden Fall, welche Länder
er kenne. 11) Wozu er die meiste Geschicklichkeit habe. 12) Ob er einen frommen
und christlichen Lebenswandel führe. 13) Ob er seinen Obern mit Ehrfurcht und
Gehorsam begegne. 14) Ob er im Umgänge verträglich oder unruhig, ob er in
seinem Amte verdrießlich sei. 15) Ob der Beamte ein Spieler, Trinker oder
Schuldenmacher sei; ob und im bejahenden Falle welchen sonstigen Ausschweifungen
er ergeben sei.

Ueber jeden Staatsbeamten mußte eine Conduitenliste verfaßt werden. Die
Ausfüllung der Conduitenliste stand rücksichtlich des im Conccvtfache angestellten
Personals dem Chef jeder Stelle zu. Die Couduiteulisteu der in der Canzlei be¬
schäftigten Beamten schrieben die Cauzleivorstände als Entwürfe, welche sie dem
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Grenzbote". IV. I"i7. Z5
Der Einfluß der Condnitenlisten
auf
die österreichische Bureaukratie.



Die öffentlichen Glauben habenden Berichte der Amtsvorsteher über die Fähig¬
keiten und das Betragen ihrer untergebenen Beamten heißen Condnitenlisten.

Der Kaiser Joseph II. hat die Condnitenlisten mit Hofdekrct vom 13. Jan. 1783
in Oesterreich allgemein eingeführt. Die Gründe der Einführung enthält das
Handbillet vom 31. October 1785. Die Conduitenliste soll eine übersichtliche Dar¬
stellung der physischen, sittliche» und Amtseigenschaften des Beamten sein, den sie
zum Gegenstand hat. Sie soll die Grundlage der Beurtheilung der Einzelnen sein.
Sie soll möglich machen, daß die Hofstellen ihre Provinzialstcllen und diese wieder die
ihnen untergebenen Behörden kennen lernen. Der Gebrauch von Cvndniteulisteu sei
eben so nothwendig als nützlich, um bei sich äußernden Vvrrücknngcn blos nach
dem wahren Verdienst und nach der geprüften Geschicklichkeit urtheilen zu können.

Die Condnitenlisten waren nach folgendem Formular zu verfassen: 1)Dicnsteigen-
schast. 2) Vor- und Familienname. 3) Alter. 4) Dienstjahre. 5) Wo der Beamte
bisher gedient habe. V) Ob er verheirathet sei, ob er Kinder habe. 7) Ob er
Vermögen besitze. 8) Ob er sein Amt mit unbefriedigendem, ausgezeichnetem oder
gewöhnlichem Fleiße versehe. !>) Welche Studien und welche Sprachkenntnissc er
besitze. 10) Ob er mehrere Länder kenne und im bejahenden Fall, welche Länder
er kenne. 11) Wozu er die meiste Geschicklichkeit habe. 12) Ob er einen frommen
und christlichen Lebenswandel führe. 13) Ob er seinen Obern mit Ehrfurcht und
Gehorsam begegne. 14) Ob er im Umgänge verträglich oder unruhig, ob er in
seinem Amte verdrießlich sei. 15) Ob der Beamte ein Spieler, Trinker oder
Schuldenmacher sei; ob und im bejahenden Falle welchen sonstigen Ausschweifungen
er ergeben sei.

Ueber jeden Staatsbeamten mußte eine Conduitenliste verfaßt werden. Die
Ausfüllung der Conduitenliste stand rücksichtlich des im Conccvtfache angestellten
Personals dem Chef jeder Stelle zu. Die Couduiteulisteu der in der Canzlei be¬
schäftigten Beamten schrieben die Cauzleivorstände als Entwürfe, welche sie dem
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Grenzbote». IV. I»i7. Z5
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[0273] Der Einfluß der Condnitenlisten auf die österreichische Bureaukratie. Die öffentlichen Glauben habenden Berichte der Amtsvorsteher über die Fähig¬ keiten und das Betragen ihrer untergebenen Beamten heißen Condnitenlisten. Der Kaiser Joseph II. hat die Condnitenlisten mit Hofdekrct vom 13. Jan. 1783 in Oesterreich allgemein eingeführt. Die Gründe der Einführung enthält das Handbillet vom 31. October 1785. Die Conduitenliste soll eine übersichtliche Dar¬ stellung der physischen, sittliche» und Amtseigenschaften des Beamten sein, den sie zum Gegenstand hat. Sie soll die Grundlage der Beurtheilung der Einzelnen sein. Sie soll möglich machen, daß die Hofstellen ihre Provinzialstcllen und diese wieder die ihnen untergebenen Behörden kennen lernen. Der Gebrauch von Cvndniteulisteu sei eben so nothwendig als nützlich, um bei sich äußernden Vvrrücknngcn blos nach dem wahren Verdienst und nach der geprüften Geschicklichkeit urtheilen zu können. Die Condnitenlisten waren nach folgendem Formular zu verfassen: 1)Dicnsteigen- schast. 2) Vor- und Familienname. 3) Alter. 4) Dienstjahre. 5) Wo der Beamte bisher gedient habe. V) Ob er verheirathet sei, ob er Kinder habe. 7) Ob er Vermögen besitze. 8) Ob er sein Amt mit unbefriedigendem, ausgezeichnetem oder gewöhnlichem Fleiße versehe. !>) Welche Studien und welche Sprachkenntnissc er besitze. 10) Ob er mehrere Länder kenne und im bejahenden Fall, welche Länder er kenne. 11) Wozu er die meiste Geschicklichkeit habe. 12) Ob er einen frommen und christlichen Lebenswandel führe. 13) Ob er seinen Obern mit Ehrfurcht und Gehorsam begegne. 14) Ob er im Umgänge verträglich oder unruhig, ob er in seinem Amte verdrießlich sei. 15) Ob der Beamte ein Spieler, Trinker oder Schuldenmacher sei; ob und im bejahenden Falle welchen sonstigen Ausschweifungen er ergeben sei. Ueber jeden Staatsbeamten mußte eine Conduitenliste verfaßt werden. Die Ausfüllung der Conduitenliste stand rücksichtlich des im Conccvtfache angestellten Personals dem Chef jeder Stelle zu. Die Couduiteulisteu der in der Canzlei be¬ schäftigten Beamten schrieben die Cauzleivorstände als Entwürfe, welche sie dem - Grenzbote». IV. I»i7. Z5

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_184763/273>, abgerufen am 22.07.2024.