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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. IV. Band.

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nachdem was vorgefallen war, und nach dem, was damals in Preußen vorging,
keinen Augenblick mehr. So war es mir erwünscht, den deutschen Boden zu ver¬
lassen, obwohl ich nicht wünschte, mich wie ein Flüchtling davon zu schleichen.

Und doch mußte ich dieses zuletzt gezwungen thun. Ein Freund begleitete
mich in einem offenen Jagdwagen. Ein Jagdgewehr lehnte, so daß es Jedem in
die Augen fallen mußte, über die eine Seite des Wagens. So kamen wir unan-
gehalten nach Darmstadt, da man glaubte, daß wir auf die Jagd gingen. Die
Jahreszeit begünstigte diese Vermuthung. Von Darmstadt ging ich während der
Nacht ans der Post "ach Heidelberg, wo ich mich zum letzten Male in den Ruinen
des Schlosses ergötzte und auf dem Altane eine Flasche Rheinwein auf das Wohl
meines Vaterlandes trank. In Karlsruhe fand ich einen Gönner in einem lebens-
erfahreuen Manne, der mir von früher her wohlwollte. An den Thoren von Basel
endlich zeigte ich einen alten Paß vor, in welchem ich in meiner Eigenschaft als
Gesaudtschaftsbeamter aufgeführt war und der auf eine früher gemachte Reise in die
Schweiz lautete, und verlangte, schnell expedirt zu werden, da ich mit Depeschen
reise. Auf dieses hin gab man mir den Paß, beinahe ohne ihn anzusehen, zurück.
Und so hatte ich mich trotz aller Schwierigkeiten glücklich in die Schweiz hinein¬
geschmuggelt.


3.
Spione no e sen.

In der Schweiz wimmelte es im Jahr und .'!5> von bezahlten Auf¬
passern der großen Mächte, England allein ausgenommen, weil dieses der Natur
seiner Stellung nach kein directes Interesse an dem Parteigetriebe in der Schweiz
zu nehmen hatte. Manche dieser Spione trieben es arg und handgreiflich genug
und doch wurden sie kaum beargwohnt. Die damals höchstgestellte Person im
Kanton Zürich sagte mir mehr als einmal: "So lange die Flüchtlinge solche Men¬
schen unter sich dulden, werden wir ewig Verlegenheiten von ihnen zu erwarten
haben, ja, wir können ihnen nicht einmal so viel nützen, wie wir etwa Willens
und geneigt sein möchten." Und bei einem andern Anlaß: "Verschaffen sie mir
nur einmal die Gelegenheit und ich will ein Exempel an einem Spion statuiren."
Diese Gelegenheit ward ihm in der That verschafft, als ein I).-. A. B. C. im
Frühjahr 1835 als preußischer Agent in der Schweiz erschien, und sich häufig
ungeschickt und plump compromittirte. Aber da zuckte Herr H. . . bedauernd die
Achseln, denn der eingefangene Vogel hatte einen unantastbaren preußischen Mini-
sterialpaß. Dieser ebengenannte Mensch schien es hauptsächlich auf mich ab¬
gesehen zu haben, machte mir sogar Anträge von Seiten der preußischen Regie¬
rung, nicht blos Vergessen alles Vorgefallenen versprechend, denn ich hatte in
meiner Consequenz und Stellung als Publizist den Interessen der Kabinette gut
genug gedient, sondern vermaß sich auch glänzende Aussichten zu verheißen. Die-


nachdem was vorgefallen war, und nach dem, was damals in Preußen vorging,
keinen Augenblick mehr. So war es mir erwünscht, den deutschen Boden zu ver¬
lassen, obwohl ich nicht wünschte, mich wie ein Flüchtling davon zu schleichen.

Und doch mußte ich dieses zuletzt gezwungen thun. Ein Freund begleitete
mich in einem offenen Jagdwagen. Ein Jagdgewehr lehnte, so daß es Jedem in
die Augen fallen mußte, über die eine Seite des Wagens. So kamen wir unan-
gehalten nach Darmstadt, da man glaubte, daß wir auf die Jagd gingen. Die
Jahreszeit begünstigte diese Vermuthung. Von Darmstadt ging ich während der
Nacht ans der Post «ach Heidelberg, wo ich mich zum letzten Male in den Ruinen
des Schlosses ergötzte und auf dem Altane eine Flasche Rheinwein auf das Wohl
meines Vaterlandes trank. In Karlsruhe fand ich einen Gönner in einem lebens-
erfahreuen Manne, der mir von früher her wohlwollte. An den Thoren von Basel
endlich zeigte ich einen alten Paß vor, in welchem ich in meiner Eigenschaft als
Gesaudtschaftsbeamter aufgeführt war und der auf eine früher gemachte Reise in die
Schweiz lautete, und verlangte, schnell expedirt zu werden, da ich mit Depeschen
reise. Auf dieses hin gab man mir den Paß, beinahe ohne ihn anzusehen, zurück.
Und so hatte ich mich trotz aller Schwierigkeiten glücklich in die Schweiz hinein¬
geschmuggelt.


3.
Spione no e sen.

In der Schweiz wimmelte es im Jahr und .'!5> von bezahlten Auf¬
passern der großen Mächte, England allein ausgenommen, weil dieses der Natur
seiner Stellung nach kein directes Interesse an dem Parteigetriebe in der Schweiz
zu nehmen hatte. Manche dieser Spione trieben es arg und handgreiflich genug
und doch wurden sie kaum beargwohnt. Die damals höchstgestellte Person im
Kanton Zürich sagte mir mehr als einmal: „So lange die Flüchtlinge solche Men¬
schen unter sich dulden, werden wir ewig Verlegenheiten von ihnen zu erwarten
haben, ja, wir können ihnen nicht einmal so viel nützen, wie wir etwa Willens
und geneigt sein möchten." Und bei einem andern Anlaß: „Verschaffen sie mir
nur einmal die Gelegenheit und ich will ein Exempel an einem Spion statuiren."
Diese Gelegenheit ward ihm in der That verschafft, als ein I).-. A. B. C. im
Frühjahr 1835 als preußischer Agent in der Schweiz erschien, und sich häufig
ungeschickt und plump compromittirte. Aber da zuckte Herr H. . . bedauernd die
Achseln, denn der eingefangene Vogel hatte einen unantastbaren preußischen Mini-
sterialpaß. Dieser ebengenannte Mensch schien es hauptsächlich auf mich ab¬
gesehen zu haben, machte mir sogar Anträge von Seiten der preußischen Regie¬
rung, nicht blos Vergessen alles Vorgefallenen versprechend, denn ich hatte in
meiner Consequenz und Stellung als Publizist den Interessen der Kabinette gut
genug gedient, sondern vermaß sich auch glänzende Aussichten zu verheißen. Die-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_184763/241>, abgerufen am 22.07.2024.