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Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. IV. Band.

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Bilder ans Rußland.
i.
Ministerium der Volks-Aufklärung").

Warum ich mit diesem Portefeuille beginne? Ich kann mich nicht trennen
von der Vorstellung, daß es das wichtigste in einem Staate sei, weil von der
Erziehung der Jngend am Ende Alles abhängt, nicht nur die Ausführung der
Dispositionen von Oben her, sondern auch diese selbst, sofern nicht etwa blos
Fremde an der Spitze stehen, was wohl höchst selten der Fall ist. Der Gesichts¬
punkt, ans welchem man Gewohntes und Neues betrachtet, ist das Werk der Er¬
ziehung, und es kömmt nur als einzelne Ausnahme vor, daß Jemand etwas An¬
deres wird, als wozu ihn diese gemacht hat, weil eine Menge glücklicher Facto"e"
erfordert werden, die ersten Eindrücke der Jngend völlig zu vernichten. Wem es um
große und dauernde politische Erfolge zu thun war, der hat ohne die Erziehung
noch nie seinen Zweck erreicht: Sparta Hütte uicht werden können was es geraume
Zeit war, wäre seinen Söhnen das Staatsprinzip mit weniger Sorgfalt eingeimpft
worden; der Jesuitenorden verdankte seine unheilvolle Blüthe vorzugsweise dem
großen Antheile an der Erziehung, wo ihm diese entrissen wurde, gerieth er bald
in Verfall --- und Rußland wußte 1838 sehr wohl, was es wollte, als es durch
seinen Gesandten bei den norddeutschen Regierungen in dem bekannten Memoire
so dringend anrieth, die Fürsten möchten der Erziehung mehr Aufmerksamkeit
widmen, d. h. sich ihrer ausschließlich bemächtigen. Wie schön ist das Vertrauen
der czarischm Autoritäten zur deutschen Gelehrsamkeit, "daß dieselbe sicherlich die
geeigneten Edncotionsräthe liefern werde", das Professoren- und Doctorencoips
Germaniens könnte dafür eine Dankadresse an den Selbstherrscher aller Reussen
einsenden!



*) Aus einem nächstens erscheinende" Wecke: Dreizehnjähnge Beobachtungen in Rußland.
Gnnzboten. >V. 'Si7. 13
Bilder ans Rußland.
i.
Ministerium der Volks-Aufklärung»).

Warum ich mit diesem Portefeuille beginne? Ich kann mich nicht trennen
von der Vorstellung, daß es das wichtigste in einem Staate sei, weil von der
Erziehung der Jngend am Ende Alles abhängt, nicht nur die Ausführung der
Dispositionen von Oben her, sondern auch diese selbst, sofern nicht etwa blos
Fremde an der Spitze stehen, was wohl höchst selten der Fall ist. Der Gesichts¬
punkt, ans welchem man Gewohntes und Neues betrachtet, ist das Werk der Er¬
ziehung, und es kömmt nur als einzelne Ausnahme vor, daß Jemand etwas An¬
deres wird, als wozu ihn diese gemacht hat, weil eine Menge glücklicher Facto»e»
erfordert werden, die ersten Eindrücke der Jngend völlig zu vernichten. Wem es um
große und dauernde politische Erfolge zu thun war, der hat ohne die Erziehung
noch nie seinen Zweck erreicht: Sparta Hütte uicht werden können was es geraume
Zeit war, wäre seinen Söhnen das Staatsprinzip mit weniger Sorgfalt eingeimpft
worden; der Jesuitenorden verdankte seine unheilvolle Blüthe vorzugsweise dem
großen Antheile an der Erziehung, wo ihm diese entrissen wurde, gerieth er bald
in Verfall -— und Rußland wußte 1838 sehr wohl, was es wollte, als es durch
seinen Gesandten bei den norddeutschen Regierungen in dem bekannten Memoire
so dringend anrieth, die Fürsten möchten der Erziehung mehr Aufmerksamkeit
widmen, d. h. sich ihrer ausschließlich bemächtigen. Wie schön ist das Vertrauen
der czarischm Autoritäten zur deutschen Gelehrsamkeit, „daß dieselbe sicherlich die
geeigneten Edncotionsräthe liefern werde", das Professoren- und Doctorencoips
Germaniens könnte dafür eine Dankadresse an den Selbstherrscher aller Reussen
einsenden!



*) Aus einem nächstens erscheinende» Wecke: Dreizehnjähnge Beobachtungen in Rußland.
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[0105] Bilder ans Rußland. i. Ministerium der Volks-Aufklärung»). Warum ich mit diesem Portefeuille beginne? Ich kann mich nicht trennen von der Vorstellung, daß es das wichtigste in einem Staate sei, weil von der Erziehung der Jngend am Ende Alles abhängt, nicht nur die Ausführung der Dispositionen von Oben her, sondern auch diese selbst, sofern nicht etwa blos Fremde an der Spitze stehen, was wohl höchst selten der Fall ist. Der Gesichts¬ punkt, ans welchem man Gewohntes und Neues betrachtet, ist das Werk der Er¬ ziehung, und es kömmt nur als einzelne Ausnahme vor, daß Jemand etwas An¬ deres wird, als wozu ihn diese gemacht hat, weil eine Menge glücklicher Facto»e» erfordert werden, die ersten Eindrücke der Jngend völlig zu vernichten. Wem es um große und dauernde politische Erfolge zu thun war, der hat ohne die Erziehung noch nie seinen Zweck erreicht: Sparta Hütte uicht werden können was es geraume Zeit war, wäre seinen Söhnen das Staatsprinzip mit weniger Sorgfalt eingeimpft worden; der Jesuitenorden verdankte seine unheilvolle Blüthe vorzugsweise dem großen Antheile an der Erziehung, wo ihm diese entrissen wurde, gerieth er bald in Verfall -— und Rußland wußte 1838 sehr wohl, was es wollte, als es durch seinen Gesandten bei den norddeutschen Regierungen in dem bekannten Memoire so dringend anrieth, die Fürsten möchten der Erziehung mehr Aufmerksamkeit widmen, d. h. sich ihrer ausschließlich bemächtigen. Wie schön ist das Vertrauen der czarischm Autoritäten zur deutschen Gelehrsamkeit, „daß dieselbe sicherlich die geeigneten Edncotionsräthe liefern werde", das Professoren- und Doctorencoips Germaniens könnte dafür eine Dankadresse an den Selbstherrscher aller Reussen einsenden! *) Aus einem nächstens erscheinende» Wecke: Dreizehnjähnge Beobachtungen in Rußland. Gnnzboten. >V. 'Si7. 13

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 6, 1847, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341559_184763/105>, abgerufen am 22.07.2024.