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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. IV. Band.

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Ils.
Aus Berli".

Nuancen eines ConcertpublicumZ. -- Mahadöh von Truhn. -- Antonia ti Mandi.
-- Aauverflötc. -- Erdöhl.! Eintrittspreise.

Das eleganteste Concert dieses Winters veranstaltete HieronvmuS
Truhn am 26. December im Saale des Schauspielhauses. Lassen Sie
mich zuerst einige Worte über das Publicum verlieren, doch bitte ich
diesen Ausdruck nicht im schlimmsten Sinne zu nehmen. Auch das Publi¬
cum hat ein Recht besprochen zu werden, denn wenn Künstler einen festen
Pre.'s bestimmen, für den sie gehört und gesehen werden können; so be¬
zahlt ein Theil der Anwesenden denselben, um nun auch an jenem Rechte,
wenigstens an der zweiten Hälfte desselben Theil zu nehmen. So kommt
es denn, das; die Crome unserer Gesellschaft nie das Vergnügen genießt,
unverfälscht und unvermischt, in einem öffentlichen Locale beisammen zu
sein; denn ach die Crome bezahlt nicht gerne mehr, als die Ucvrigen und
sie kennen jenes berühmte und doch lügenhafte Wort Caspars in der
Wolfsschlucht.- Umsonst ist der Tod! (Sterben ist hier theuerer denn Le¬
ben). -- In den ersten Reihen sitzen also hier die musikalischen Nota¬
bilitäten der höchsten Zirkel. Hier lispelt man ein göttliches Englisch,
man wirft sich piquante französische Brocken zu, ja man vergißt sich und
spricht zuweilen ein triviales deutsches Wort, arme Stiefmuttersprache
der Vornehmen, hier sehen Sie die feinsten und reinsten Glacehand¬
schuhe, auf den Wangen etwas Schminke, aber mitten darunter ein Paar
weiße Schultern von der höchsten plastischen Vollendung, die ihren erge¬
bensten Feuilletonisten zu astronomischen Beobachtungen anspornten, die
leider von Zeit zu Zeit durch das schwarze Gewölk eines Sammt-
shawls unterbrochen wurden. Hier wäre im eigentlichsten Sinne 5es
Worts: ein Fraunhofer, nöthig gewesen. -- Etwas weiter stellt sich der
hohe Beamte, der Militair ein; der Berliner Banquier und Fabrikant,
der über Alles, nur nicht über seine Geschäftsverhältnisse spricht, folgt
zunächst. In dieser Region spuken schon Freibillets, an die Creme der
Literatur und Kunst versandt. Dann kommt ein geheimnißvolles Gemisch
von alten räthselhaften Herren, jungen Offizieren und Rechtskundigen
nebst Polizeibeflissencn in Civil untermischt mit Ehehälften und Töch¬
tern. Garnirt ist der Hintere Theil des Saales mit jungen Componisten
und Musikern, zu spät gekommenen und stehen gebliebenen Individuen
und einigen Pleitegeyern. (Ein ornithologischer Ausdruck, den Sie sich
an der hiesigen Börse erklären lassen mögen.)

Alle diese Elemente hatten sich nun vereinigt, um das nach engli¬
schem Geschmack arrangirte Concert Truhn's zu hören. Eine Concert¬
ballade von der Composition des Concertgebers bildete den Mittelpunkt
des ersten Theiles: Mahadöh, diese classische Ballade Goethes, für Solo,
Chor und Orchester eingerichtet. Die Arbeit selbst, obschon durch und
durch geistreich und musikalisch auf eigenen Füßen stehend, befriedigte
nicht das Gros der Anwesenden, da das Werk auch wirklich den Fehler
hat. erst bei einer Recapitulation in der Reflexion größeren Genuß zu
gewähren. Der Componist wirkt zu sehr durch den Chor und stellt de";


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Aus Berli«.

Nuancen eines ConcertpublicumZ. — Mahadöh von Truhn. — Antonia ti Mandi.
— Aauverflötc. — Erdöhl.! Eintrittspreise.

Das eleganteste Concert dieses Winters veranstaltete HieronvmuS
Truhn am 26. December im Saale des Schauspielhauses. Lassen Sie
mich zuerst einige Worte über das Publicum verlieren, doch bitte ich
diesen Ausdruck nicht im schlimmsten Sinne zu nehmen. Auch das Publi¬
cum hat ein Recht besprochen zu werden, denn wenn Künstler einen festen
Pre.'s bestimmen, für den sie gehört und gesehen werden können; so be¬
zahlt ein Theil der Anwesenden denselben, um nun auch an jenem Rechte,
wenigstens an der zweiten Hälfte desselben Theil zu nehmen. So kommt
es denn, das; die Crome unserer Gesellschaft nie das Vergnügen genießt,
unverfälscht und unvermischt, in einem öffentlichen Locale beisammen zu
sein; denn ach die Crome bezahlt nicht gerne mehr, als die Ucvrigen und
sie kennen jenes berühmte und doch lügenhafte Wort Caspars in der
Wolfsschlucht.- Umsonst ist der Tod! (Sterben ist hier theuerer denn Le¬
ben). — In den ersten Reihen sitzen also hier die musikalischen Nota¬
bilitäten der höchsten Zirkel. Hier lispelt man ein göttliches Englisch,
man wirft sich piquante französische Brocken zu, ja man vergißt sich und
spricht zuweilen ein triviales deutsches Wort, arme Stiefmuttersprache
der Vornehmen, hier sehen Sie die feinsten und reinsten Glacehand¬
schuhe, auf den Wangen etwas Schminke, aber mitten darunter ein Paar
weiße Schultern von der höchsten plastischen Vollendung, die ihren erge¬
bensten Feuilletonisten zu astronomischen Beobachtungen anspornten, die
leider von Zeit zu Zeit durch das schwarze Gewölk eines Sammt-
shawls unterbrochen wurden. Hier wäre im eigentlichsten Sinne 5es
Worts: ein Fraunhofer, nöthig gewesen. — Etwas weiter stellt sich der
hohe Beamte, der Militair ein; der Berliner Banquier und Fabrikant,
der über Alles, nur nicht über seine Geschäftsverhältnisse spricht, folgt
zunächst. In dieser Region spuken schon Freibillets, an die Creme der
Literatur und Kunst versandt. Dann kommt ein geheimnißvolles Gemisch
von alten räthselhaften Herren, jungen Offizieren und Rechtskundigen
nebst Polizeibeflissencn in Civil untermischt mit Ehehälften und Töch¬
tern. Garnirt ist der Hintere Theil des Saales mit jungen Componisten
und Musikern, zu spät gekommenen und stehen gebliebenen Individuen
und einigen Pleitegeyern. (Ein ornithologischer Ausdruck, den Sie sich
an der hiesigen Börse erklären lassen mögen.)

Alle diese Elemente hatten sich nun vereinigt, um das nach engli¬
schem Geschmack arrangirte Concert Truhn's zu hören. Eine Concert¬
ballade von der Composition des Concertgebers bildete den Mittelpunkt
des ersten Theiles: Mahadöh, diese classische Ballade Goethes, für Solo,
Chor und Orchester eingerichtet. Die Arbeit selbst, obschon durch und
durch geistreich und musikalisch auf eigenen Füßen stehend, befriedigte
nicht das Gros der Anwesenden, da das Werk auch wirklich den Fehler
hat. erst bei einer Recapitulation in der Reflexion größeren Genuß zu
gewähren. Der Componist wirkt zu sehr durch den Chor und stellt de»;


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365123/566>, abgerufen am 05.12.2024.