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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. IV. Band.

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danken quellen nicht aus der frischen Atmoshpäre der Alpenwelt hervor und
die Einfälle haben weder die Wohlgefälligkeit, noch die Großartigkeit der
PariserMelt. Das ganze Buch hat weder einen rechten Anfang, noch einen
eigentlichen Zielpunkt, ist gemacht und nicht entstanden, wird darum nirgends
interessant, weil überall die Absichtlichkeit hervorblickt und gehört unstreitig
zum Unbedeutendsten, was diese Schriftstellerin jemals veröffentlichte.

Von I. G. Kohl, der in sechs Jahren über dreißig Bände ver¬
öffentlichte und in diesem Halbsschock doch immer frisch, munter, anmu¬
thig und belehrend blieb, liegen wieder zwei Bände "Reisen in Dänemark
und den Herzogthümern Schleswig und Holstein" vor. Sie theilen die
Vorzüge der frühern Meisterwerke des Verfassers, d.h. sie lesen sich ganz
angenehm und man erhält auch hier und da ganz liebliche Anschauungen
von den geschilderten Ländern und Menschen; aber man kann sich den¬
noch bei der Lectüre nicht verhehlen, daß die Menge des aufgehäuften
Materials bei etwas sorgsamerer Bearbeitung zu einem Buche von viel
bedeutenderem Nachdruck hätte geordnet werden können, ohne daß das¬
selbe selbst für den flüchtigen Leser an Reiz verloren hätte. Trotzdem
hat man Unrecht, diesem Schriftsteller einen Vorwurf daraus machen zu
wollen, daß er bei seinen Reiseschristen die eben tagesläusigen politischen
Zustände der Länder nur außerordentlich beiläufig in den Kreis seiner
Betrachtungen zieht. Wer so flüchtig, wie Kohl, die Länder durchstreift
und seine Fühlfäden dabei dennoch nach allen Seiten des bleibenden Le¬
bens ausstreckt, um ein möglichst gestaltenreiches Bild zu entwerfen, des¬
sen einzelne Partien niemals ausgeführt, sondern immer nur skizzirt sind;
ein solcher Beobachter kann diese ewig wechselnden Bewegungen der augen¬
blicklichen Interessen nur höchst ausnahmsweise einmal andeuten, ohne
dem Colorit des Ganzen zu schaden. Auch ist die ganze Auffassungsweise
Kohl's gar nicht darnach angethan, sich von den heitern Höhen des Le¬
bens in dessen düstere Schluchten und Klüfte zu versenken. Ja, der
eigenthümliche Reiz seiner Bücher würde darunter leiden, wenn sie
schwerer und bedeutsamer werden wollten. Nur im oberflächlichen Salon¬
tone geht er denn auch in den vorliegenden Bänden über die gegensätz¬
lichen Verhältnisse zwischen deutsch und dänisch hinweg; aber dafür malt
er uns Städte und Dörfer, Land und Meer, Alltagsarbeit und Feiertags¬
lust, Königsgräber und Bauernhochzeiten mit den buntesten Farben, immer
frisch, munter, anmuthig und auch belehrend, nur eben ohne großartige
Auffassungen und ohne streng geschiedene Licht- und Schattenpartien, ganz
wie in seinen übrigen Werken über den Osten und Westen, Süden und
A. B. Norden von Europa.


u.
Aus Berlin.

Die Zeitungen und ihre Principicnlosigkeit. -- "Eingesandt." -- Die Spener'sche
Zeitung. -- Der Gustav-Adolssverein. -- Ein Gleichniß. -- Das erwartete To-
leranzedict. -- Tactlosigkeiten der freien Gemeinde.

Bei der immer schroffer und deutlicher sich aussprechenden Sonderung
der Parteien, die sich in keinem speciellen Falle verleugnet und ebenso


GrcnMen. IV. Is4V. 7V

danken quellen nicht aus der frischen Atmoshpäre der Alpenwelt hervor und
die Einfälle haben weder die Wohlgefälligkeit, noch die Großartigkeit der
PariserMelt. Das ganze Buch hat weder einen rechten Anfang, noch einen
eigentlichen Zielpunkt, ist gemacht und nicht entstanden, wird darum nirgends
interessant, weil überall die Absichtlichkeit hervorblickt und gehört unstreitig
zum Unbedeutendsten, was diese Schriftstellerin jemals veröffentlichte.

Von I. G. Kohl, der in sechs Jahren über dreißig Bände ver¬
öffentlichte und in diesem Halbsschock doch immer frisch, munter, anmu¬
thig und belehrend blieb, liegen wieder zwei Bände „Reisen in Dänemark
und den Herzogthümern Schleswig und Holstein" vor. Sie theilen die
Vorzüge der frühern Meisterwerke des Verfassers, d.h. sie lesen sich ganz
angenehm und man erhält auch hier und da ganz liebliche Anschauungen
von den geschilderten Ländern und Menschen; aber man kann sich den¬
noch bei der Lectüre nicht verhehlen, daß die Menge des aufgehäuften
Materials bei etwas sorgsamerer Bearbeitung zu einem Buche von viel
bedeutenderem Nachdruck hätte geordnet werden können, ohne daß das¬
selbe selbst für den flüchtigen Leser an Reiz verloren hätte. Trotzdem
hat man Unrecht, diesem Schriftsteller einen Vorwurf daraus machen zu
wollen, daß er bei seinen Reiseschristen die eben tagesläusigen politischen
Zustände der Länder nur außerordentlich beiläufig in den Kreis seiner
Betrachtungen zieht. Wer so flüchtig, wie Kohl, die Länder durchstreift
und seine Fühlfäden dabei dennoch nach allen Seiten des bleibenden Le¬
bens ausstreckt, um ein möglichst gestaltenreiches Bild zu entwerfen, des¬
sen einzelne Partien niemals ausgeführt, sondern immer nur skizzirt sind;
ein solcher Beobachter kann diese ewig wechselnden Bewegungen der augen¬
blicklichen Interessen nur höchst ausnahmsweise einmal andeuten, ohne
dem Colorit des Ganzen zu schaden. Auch ist die ganze Auffassungsweise
Kohl's gar nicht darnach angethan, sich von den heitern Höhen des Le¬
bens in dessen düstere Schluchten und Klüfte zu versenken. Ja, der
eigenthümliche Reiz seiner Bücher würde darunter leiden, wenn sie
schwerer und bedeutsamer werden wollten. Nur im oberflächlichen Salon¬
tone geht er denn auch in den vorliegenden Bänden über die gegensätz¬
lichen Verhältnisse zwischen deutsch und dänisch hinweg; aber dafür malt
er uns Städte und Dörfer, Land und Meer, Alltagsarbeit und Feiertags¬
lust, Königsgräber und Bauernhochzeiten mit den buntesten Farben, immer
frisch, munter, anmuthig und auch belehrend, nur eben ohne großartige
Auffassungen und ohne streng geschiedene Licht- und Schattenpartien, ganz
wie in seinen übrigen Werken über den Osten und Westen, Süden und
A. B. Norden von Europa.


u.
Aus Berlin.

Die Zeitungen und ihre Principicnlosigkeit. — „Eingesandt." — Die Spener'sche
Zeitung. — Der Gustav-Adolssverein. — Ein Gleichniß. — Das erwartete To-
leranzedict. — Tactlosigkeiten der freien Gemeinde.

Bei der immer schroffer und deutlicher sich aussprechenden Sonderung
der Parteien, die sich in keinem speciellen Falle verleugnet und ebenso


GrcnMen. IV. Is4V. 7V
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365123/529>, abgerufen am 05.12.2024.