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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. IV. Band.

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Sonst, murmelte er, mußten zwei Leute die Pferde halten, bis
der gnädige Herr aufgestiegen war, und die Zügel ergriffen hatte,
aber das muß man sagen, der junge Herr Hugo hat die Thiere rasch
zahm gemacht.

ES war eben 8 Uhr Abends. Die große Glocke der Fabrik
läutete zum Feierabend, und aus allen Räumen des Hauses ergossen
sich Schaaren von Männern, Weibern und Kindern, die nach voll¬
brachtem Tagewerke in ihre niedern Hütten zurückkehrten, die ein paar
hundert Schritte von der Fabrik entfernt jenseits des Mühlenbaches
lagen. --

Hugo und sein Freund stiegen auf. Ersterer ergriff Zügel und
Peitsche und handhabte auch sogleich die letztere so kräftig, daß das
Gespann im donnernden Galopp über die hölzerne Brücke flog, an
deren einen Seite ein Pfeiler mit einer Tafel aufgerichtet stand, auf
welcher zu lesen war, daß man nur im Schritt über diese Brücke
fahren dürfe, ein Gebot, welches Hugo für Jedermann, sich allem
ausgenommen, für bindend hielt. Bald war das Fuhrwerk dem
Blick der ehrerbietig grüßenden Arbeiter in einer Staubwolke ent¬
schwunden.


KVt 'kNA.-^

Eisenstabe ist ein kleines freundliches Städtchen mit fast lauter
neuen Häusern und einem prachtvollen fürstlichen Schlosse, das von
einem großen, aber freilich jetzt etwas verwahrlostem Parke eingehegt
wird. Die Familie Esterhazy, der Stadt und Schloß gehört, übt
hier noch eine Art von feudaler Souverainetät aus, deren am meisten
in die Augen fallendes Zeichen die großen ungeschlachten Bauerlum-
mel sind, welche als fürstliche Leibgarde in grellrolhe Röcke gesteckt
vor dem Wachhause auf dem Marktplatze herumlungern, und wahr¬
scheinlich die alterthümliche Feldschlange bewachen sollen, welche mit
ihrer dunklen Mündung gegen das friedliebende Städtchen gerichtet
einen nichts weniger als furchtbaren Anblick gewährt. Ob sich die
Familie auch ihres anderen Souverainetätsvorrechtes, nämlich der Be-
fugniß Geld zu schlagen, bedient, weiß ich nicht, bezweifle ich aber,
da sie, wenn anders die böse Welt Recht hat, um das Metall, aus
welchem Geld geschlagen zu werden pflegt, manchmal in Verlegen¬
heit sein dürfte. Daß sie dagegen Papiere ausgibt, scheint mir eine
feststehende Thatsache zu sein, wenn auch Uebelwollende behaupten,


Grenzboten. IV.

Sonst, murmelte er, mußten zwei Leute die Pferde halten, bis
der gnädige Herr aufgestiegen war, und die Zügel ergriffen hatte,
aber das muß man sagen, der junge Herr Hugo hat die Thiere rasch
zahm gemacht.

ES war eben 8 Uhr Abends. Die große Glocke der Fabrik
läutete zum Feierabend, und aus allen Räumen des Hauses ergossen
sich Schaaren von Männern, Weibern und Kindern, die nach voll¬
brachtem Tagewerke in ihre niedern Hütten zurückkehrten, die ein paar
hundert Schritte von der Fabrik entfernt jenseits des Mühlenbaches
lagen. —

Hugo und sein Freund stiegen auf. Ersterer ergriff Zügel und
Peitsche und handhabte auch sogleich die letztere so kräftig, daß das
Gespann im donnernden Galopp über die hölzerne Brücke flog, an
deren einen Seite ein Pfeiler mit einer Tafel aufgerichtet stand, auf
welcher zu lesen war, daß man nur im Schritt über diese Brücke
fahren dürfe, ein Gebot, welches Hugo für Jedermann, sich allem
ausgenommen, für bindend hielt. Bald war das Fuhrwerk dem
Blick der ehrerbietig grüßenden Arbeiter in einer Staubwolke ent¬
schwunden.


KVt 'kNA.-^

Eisenstabe ist ein kleines freundliches Städtchen mit fast lauter
neuen Häusern und einem prachtvollen fürstlichen Schlosse, das von
einem großen, aber freilich jetzt etwas verwahrlostem Parke eingehegt
wird. Die Familie Esterhazy, der Stadt und Schloß gehört, übt
hier noch eine Art von feudaler Souverainetät aus, deren am meisten
in die Augen fallendes Zeichen die großen ungeschlachten Bauerlum-
mel sind, welche als fürstliche Leibgarde in grellrolhe Röcke gesteckt
vor dem Wachhause auf dem Marktplatze herumlungern, und wahr¬
scheinlich die alterthümliche Feldschlange bewachen sollen, welche mit
ihrer dunklen Mündung gegen das friedliebende Städtchen gerichtet
einen nichts weniger als furchtbaren Anblick gewährt. Ob sich die
Familie auch ihres anderen Souverainetätsvorrechtes, nämlich der Be-
fugniß Geld zu schlagen, bedient, weiß ich nicht, bezweifle ich aber,
da sie, wenn anders die böse Welt Recht hat, um das Metall, aus
welchem Geld geschlagen zu werden pflegt, manchmal in Verlegen¬
heit sein dürfte. Daß sie dagegen Papiere ausgibt, scheint mir eine
feststehende Thatsache zu sein, wenn auch Uebelwollende behaupten,


Grenzboten. IV.
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[0513] Sonst, murmelte er, mußten zwei Leute die Pferde halten, bis der gnädige Herr aufgestiegen war, und die Zügel ergriffen hatte, aber das muß man sagen, der junge Herr Hugo hat die Thiere rasch zahm gemacht. ES war eben 8 Uhr Abends. Die große Glocke der Fabrik läutete zum Feierabend, und aus allen Räumen des Hauses ergossen sich Schaaren von Männern, Weibern und Kindern, die nach voll¬ brachtem Tagewerke in ihre niedern Hütten zurückkehrten, die ein paar hundert Schritte von der Fabrik entfernt jenseits des Mühlenbaches lagen. — Hugo und sein Freund stiegen auf. Ersterer ergriff Zügel und Peitsche und handhabte auch sogleich die letztere so kräftig, daß das Gespann im donnernden Galopp über die hölzerne Brücke flog, an deren einen Seite ein Pfeiler mit einer Tafel aufgerichtet stand, auf welcher zu lesen war, daß man nur im Schritt über diese Brücke fahren dürfe, ein Gebot, welches Hugo für Jedermann, sich allem ausgenommen, für bindend hielt. Bald war das Fuhrwerk dem Blick der ehrerbietig grüßenden Arbeiter in einer Staubwolke ent¬ schwunden. KVt 'kNA.-^ Eisenstabe ist ein kleines freundliches Städtchen mit fast lauter neuen Häusern und einem prachtvollen fürstlichen Schlosse, das von einem großen, aber freilich jetzt etwas verwahrlostem Parke eingehegt wird. Die Familie Esterhazy, der Stadt und Schloß gehört, übt hier noch eine Art von feudaler Souverainetät aus, deren am meisten in die Augen fallendes Zeichen die großen ungeschlachten Bauerlum- mel sind, welche als fürstliche Leibgarde in grellrolhe Röcke gesteckt vor dem Wachhause auf dem Marktplatze herumlungern, und wahr¬ scheinlich die alterthümliche Feldschlange bewachen sollen, welche mit ihrer dunklen Mündung gegen das friedliebende Städtchen gerichtet einen nichts weniger als furchtbaren Anblick gewährt. Ob sich die Familie auch ihres anderen Souverainetätsvorrechtes, nämlich der Be- fugniß Geld zu schlagen, bedient, weiß ich nicht, bezweifle ich aber, da sie, wenn anders die böse Welt Recht hat, um das Metall, aus welchem Geld geschlagen zu werden pflegt, manchmal in Verlegen¬ heit sein dürfte. Daß sie dagegen Papiere ausgibt, scheint mir eine feststehende Thatsache zu sein, wenn auch Uebelwollende behaupten, Grenzboten. IV.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365123/513>, abgerufen am 23.07.2024.