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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. IV. Band.

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Tage b u et^.



i.
Friedrich Lift. ^

Wir haben einen außerordentlichen Mann verloren an Friedrich List.
Wenn jemals, so kann und muß man leider an diesem Grabe sagen:
das ganze Vaterland hat einen unersetzlichen Verlust erlitten. Denn ach,
grade die Eigenschaften, welche die Genialität List's bildeten, sind unter
uns Deutschen selten und noch seltener zu so fruchtbarem Erfolge verei¬
nigt, wie sie es bei Friedrich List waren.. Jetzt, im ersten Augenblicke
des Schreckens, meine ich, es sei eine wichtige Triebfeder zerbrochen in
unserer politischen, erst seit so Kurzem in Gang gesetzten Uhr, in dieser
so schwer zu treibenden, so schwer zu regelnden Uhr Deutschlands, welche
innen Schwarzwäldisch und außen ein Breguet sein möchte. Wahrlich,
List's Feder war eine Triebfeder wichtigster Art, und man wird sich be¬
sinnen, man wird weit suchen müssen, wenn man in unserer Geschichte
einen Mann finden will, der gleich Friedrich List aus dem tiefsten Schat¬
ten einer Privatstcllung heraus eine zuerst spöttisch aufgenommene, dann
mit allen Gründen bestehender Gewalt bekämpfte und endlich doch ge¬
setzgeberische Stimme im ganzen Vaterlande geltend gemacht, und der
durch diese erzwungene Geltung die Hauptlander Europas in Harnisch
oder Bewegung gesetzt hat. Das hat List gekonnt, das hat er gethan
durch die gesunde Kraft seines politischen Verstandes, durch die unerschöpf¬
lichen Hülfsmittel seines Geistes, durch die Wucht seines Talentes. Denn
er war auch einer unserer besten Schriftsteller; in seinen Artikeln war
mehr als bloßes Wissen und bloßer Beweis, es war ein drangvolles, den
Leser zwingendes Leben in diesen Aufsätzen, ein voller, gewaltiger Mensch
ordnete, regierte, er'eb, unterwarf uns hinter diesen Zeilen und Sätzen,
welche stets in künstlerischer Form stiegen und schwollen und am Ende
des Artikels stets die höchste Höhe des Ausdrucks erreichten. Wen sie
nicht überzeugten, den rissen sie fort, und wen sie nicht fortrissen, den


Tage b u et^.



i.
Friedrich Lift. ^

Wir haben einen außerordentlichen Mann verloren an Friedrich List.
Wenn jemals, so kann und muß man leider an diesem Grabe sagen:
das ganze Vaterland hat einen unersetzlichen Verlust erlitten. Denn ach,
grade die Eigenschaften, welche die Genialität List's bildeten, sind unter
uns Deutschen selten und noch seltener zu so fruchtbarem Erfolge verei¬
nigt, wie sie es bei Friedrich List waren.. Jetzt, im ersten Augenblicke
des Schreckens, meine ich, es sei eine wichtige Triebfeder zerbrochen in
unserer politischen, erst seit so Kurzem in Gang gesetzten Uhr, in dieser
so schwer zu treibenden, so schwer zu regelnden Uhr Deutschlands, welche
innen Schwarzwäldisch und außen ein Breguet sein möchte. Wahrlich,
List's Feder war eine Triebfeder wichtigster Art, und man wird sich be¬
sinnen, man wird weit suchen müssen, wenn man in unserer Geschichte
einen Mann finden will, der gleich Friedrich List aus dem tiefsten Schat¬
ten einer Privatstcllung heraus eine zuerst spöttisch aufgenommene, dann
mit allen Gründen bestehender Gewalt bekämpfte und endlich doch ge¬
setzgeberische Stimme im ganzen Vaterlande geltend gemacht, und der
durch diese erzwungene Geltung die Hauptlander Europas in Harnisch
oder Bewegung gesetzt hat. Das hat List gekonnt, das hat er gethan
durch die gesunde Kraft seines politischen Verstandes, durch die unerschöpf¬
lichen Hülfsmittel seines Geistes, durch die Wucht seines Talentes. Denn
er war auch einer unserer besten Schriftsteller; in seinen Artikeln war
mehr als bloßes Wissen und bloßer Beweis, es war ein drangvolles, den
Leser zwingendes Leben in diesen Aufsätzen, ein voller, gewaltiger Mensch
ordnete, regierte, er'eb, unterwarf uns hinter diesen Zeilen und Sätzen,
welche stets in künstlerischer Form stiegen und schwollen und am Ende
des Artikels stets die höchste Höhe des Ausdrucks erreichten. Wen sie
nicht überzeugten, den rissen sie fort, und wen sie nicht fortrissen, den


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[0441] Tage b u et^. i. Friedrich Lift. ^ Wir haben einen außerordentlichen Mann verloren an Friedrich List. Wenn jemals, so kann und muß man leider an diesem Grabe sagen: das ganze Vaterland hat einen unersetzlichen Verlust erlitten. Denn ach, grade die Eigenschaften, welche die Genialität List's bildeten, sind unter uns Deutschen selten und noch seltener zu so fruchtbarem Erfolge verei¬ nigt, wie sie es bei Friedrich List waren.. Jetzt, im ersten Augenblicke des Schreckens, meine ich, es sei eine wichtige Triebfeder zerbrochen in unserer politischen, erst seit so Kurzem in Gang gesetzten Uhr, in dieser so schwer zu treibenden, so schwer zu regelnden Uhr Deutschlands, welche innen Schwarzwäldisch und außen ein Breguet sein möchte. Wahrlich, List's Feder war eine Triebfeder wichtigster Art, und man wird sich be¬ sinnen, man wird weit suchen müssen, wenn man in unserer Geschichte einen Mann finden will, der gleich Friedrich List aus dem tiefsten Schat¬ ten einer Privatstcllung heraus eine zuerst spöttisch aufgenommene, dann mit allen Gründen bestehender Gewalt bekämpfte und endlich doch ge¬ setzgeberische Stimme im ganzen Vaterlande geltend gemacht, und der durch diese erzwungene Geltung die Hauptlander Europas in Harnisch oder Bewegung gesetzt hat. Das hat List gekonnt, das hat er gethan durch die gesunde Kraft seines politischen Verstandes, durch die unerschöpf¬ lichen Hülfsmittel seines Geistes, durch die Wucht seines Talentes. Denn er war auch einer unserer besten Schriftsteller; in seinen Artikeln war mehr als bloßes Wissen und bloßer Beweis, es war ein drangvolles, den Leser zwingendes Leben in diesen Aufsätzen, ein voller, gewaltiger Mensch ordnete, regierte, er'eb, unterwarf uns hinter diesen Zeilen und Sätzen, welche stets in künstlerischer Form stiegen und schwollen und am Ende des Artikels stets die höchste Höhe des Ausdrucks erreichten. Wen sie nicht überzeugten, den rissen sie fort, und wen sie nicht fortrissen, den

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365123/441>, abgerufen am 23.07.2024.