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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. IV. Band.

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verharrt. Von diesen Leuten ist in der letzten Svmphoniesoiree bei Meyer-
beer's Ouvertüre gezischt worden! ein unerhörtes Beispiel dieser Celevri-
tät gegenüber und auch unerhört in der eleganten Versammlung dieses Orts!

Anwesend sind und haben sich in einem Concert hören lassen.- Frl.
Bochkoltz, vom Conservatorium zu Paris und Herr Cossmann, ein junger
Cellist: Erstere soll, wie man sagt, durch die Frau Gräfin Rossi, geb.
Sonntag, nach Berlin berufen sein, um hier Gesangsunterricht, die
Stunde zu zwei Thalern, zu geben. Wenn Fräulein Bochkoltz hier Mode
werden sollte, und eine Protection hoher Cirkel pflegt darauf einwirken
zu können, so ist ihr Glück gemacht, und unsere Gesangslehrer dürsten
die Concurrenz nur zu bald empfinden. Es gehört übrigens nicht
viel dazu, um mehr zu leisten, als die hiesigen Gesangslehrer. Seit
vielen Jahren geht jedes mit einem hoffnungsvollen Organe beglückte
Individuum, dem es darum zu thun ist, singen zu lernen, von Berlin
fort, und so haben die hiesigen Gesangslehrer, mit Ausnahme derer,
welche den Chor für die Oper "einpauken," nichts Anderes zu thun, als
in den Häusern herumzulaufen und unsern Dilettantinnen, dieses ge¬
müthliche und unversorgte Geschlecht, zu festen Preisen, die Stunde
ein bis zwei Thaler, singen zu lassen. Da ist Rellstab, guter Vater
und schlechter Musikant, Teschner, der mit einem Thermometer den
Wärmegrad der Rachenhöhle untersucht, Jähns, der nur Compositionen
von Carl Maria von Weber und Jähns singen läßt, Stümer, emeri-
tirter Tenor und Thiesen, harmloser Mensch und letzter Sopranist. Mit
diesen Herren muß nun Fräulein Bochkoltz in Concurrenz treten. Was
man lernen kann, hat sie gelernt; damit ist ihr Gebiet und seine Grenzen
charakteristrt. Seele spiegelt sich in ihrem Gesänge nicht wieder, aber
eine tüchtige Fertigkeit und eine gute Schule. -- Der Cellist Cossmann
gehört der neueren französischen Virtuosität an. Sehr dünn bezogenes
Instrument, viel tremolo, mehr Violine als Cello, aber elegante Bogen¬
führung, äußerste Delicatesse und Romantik des Vertrages.

In diesen Tagen fand die Verlosung der kleinen, auf der Kunst¬
ausstellung gekauften Bilderchen statt. Man ist im Publicum höchst un.
zufrieden mit der Unbedeutendheit der Gewinne, noch mehr aber mit den
sehr hohen Preisen, für die einige derselben angekauft worden. Nicht zu
billigen ist, daß man, statt sich an die vorhandenen, im Katalog ver¬
zeichneten Werke zu halten, noch schnell nachträglich Bilder anfertigen
Z. Z. ließ, um sie als angekauft zur Verlosung zu bringen.


III.
Aus Cöln.

Die Scandalftcunde und die Oeffentlichkeit. -- Nuancen eines Assisenpublicums. --
Enttäuschungen. -- Borzüge und Nachtheile des rheinischen Verfahrens. --.
Venedey's neuestes Buch. -- DronlVö Verhaftung.

Erklären Sie mir das große Räthsel, warum die Masse so unem¬
pfindlich bleibt bei Thatsachen, welche die Masse betreffen und so erregt


verharrt. Von diesen Leuten ist in der letzten Svmphoniesoiree bei Meyer-
beer's Ouvertüre gezischt worden! ein unerhörtes Beispiel dieser Celevri-
tät gegenüber und auch unerhört in der eleganten Versammlung dieses Orts!

Anwesend sind und haben sich in einem Concert hören lassen.- Frl.
Bochkoltz, vom Conservatorium zu Paris und Herr Cossmann, ein junger
Cellist: Erstere soll, wie man sagt, durch die Frau Gräfin Rossi, geb.
Sonntag, nach Berlin berufen sein, um hier Gesangsunterricht, die
Stunde zu zwei Thalern, zu geben. Wenn Fräulein Bochkoltz hier Mode
werden sollte, und eine Protection hoher Cirkel pflegt darauf einwirken
zu können, so ist ihr Glück gemacht, und unsere Gesangslehrer dürsten
die Concurrenz nur zu bald empfinden. Es gehört übrigens nicht
viel dazu, um mehr zu leisten, als die hiesigen Gesangslehrer. Seit
vielen Jahren geht jedes mit einem hoffnungsvollen Organe beglückte
Individuum, dem es darum zu thun ist, singen zu lernen, von Berlin
fort, und so haben die hiesigen Gesangslehrer, mit Ausnahme derer,
welche den Chor für die Oper „einpauken," nichts Anderes zu thun, als
in den Häusern herumzulaufen und unsern Dilettantinnen, dieses ge¬
müthliche und unversorgte Geschlecht, zu festen Preisen, die Stunde
ein bis zwei Thaler, singen zu lassen. Da ist Rellstab, guter Vater
und schlechter Musikant, Teschner, der mit einem Thermometer den
Wärmegrad der Rachenhöhle untersucht, Jähns, der nur Compositionen
von Carl Maria von Weber und Jähns singen läßt, Stümer, emeri-
tirter Tenor und Thiesen, harmloser Mensch und letzter Sopranist. Mit
diesen Herren muß nun Fräulein Bochkoltz in Concurrenz treten. Was
man lernen kann, hat sie gelernt; damit ist ihr Gebiet und seine Grenzen
charakteristrt. Seele spiegelt sich in ihrem Gesänge nicht wieder, aber
eine tüchtige Fertigkeit und eine gute Schule. — Der Cellist Cossmann
gehört der neueren französischen Virtuosität an. Sehr dünn bezogenes
Instrument, viel tremolo, mehr Violine als Cello, aber elegante Bogen¬
führung, äußerste Delicatesse und Romantik des Vertrages.

In diesen Tagen fand die Verlosung der kleinen, auf der Kunst¬
ausstellung gekauften Bilderchen statt. Man ist im Publicum höchst un.
zufrieden mit der Unbedeutendheit der Gewinne, noch mehr aber mit den
sehr hohen Preisen, für die einige derselben angekauft worden. Nicht zu
billigen ist, daß man, statt sich an die vorhandenen, im Katalog ver¬
zeichneten Werke zu halten, noch schnell nachträglich Bilder anfertigen
Z. Z. ließ, um sie als angekauft zur Verlosung zu bringen.


III.
Aus Cöln.

Die Scandalftcunde und die Oeffentlichkeit. — Nuancen eines Assisenpublicums. —
Enttäuschungen. — Borzüge und Nachtheile des rheinischen Verfahrens. —.
Venedey's neuestes Buch. — DronlVö Verhaftung.

Erklären Sie mir das große Räthsel, warum die Masse so unem¬
pfindlich bleibt bei Thatsachen, welche die Masse betreffen und so erregt


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365123/403>, abgerufen am 05.12.2024.