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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. IV. Band.

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Die Romantiker und Theremin. - Ein Brief von Zack. Werner. -- Kunstaus¬
stellung, Akademie und Kritik. -- Die "Zeitungshalle" und ihre reichen CoUeginnen.

Theremin ist todt. Einer der letzten jener Männer, die in dem er¬
sten Decennium dieses Jahrhunderts den Romantikern enge verbunden
waren. Seitdem sind vierzig Jahre entschwunden. Damals schrieb Schleier¬
macher über Schlegel's Lucinde, Theremin übersetzte die hebräischen Ge¬
sänge Lord Byron's, und Beide glaubten ihrer kirchlichen Stellung und
ernsten christlichen Studien nichts zu vergeben, wenn sie zu gleicher Zeit
ihre Hände nach den goldenen Früchten der Romantik ausstreckten. Ob
dergleichen im Jahre 1846 möglich wäre? Theremin jedoch scheint einer
der Ersten gewesen zu sein, der sich von dem weltlichen Elemente zurück¬
zog und dem Dienste der Kirche ausschließlich widmete. Wenigstens haucht
uns, aus einem Briefe des Zacharias Werner an Adalbert Chamisso (1808)
hervorzugehen, daß dem Geiste Theremin's schon damals nicht mehr jener
Hang beiwohnte, der die endliche Jersprengung der romantischen Schule
bewirkt hat. "Den Theremin liebe ich sehr" schreibt Werner, "er ist
gesund und schuldlos. Ich wünsche sehnlichst, ihn bald verheirathet zu
sehen mit einem gesunden Madchen, es wäre die einzige Heirath, die ich,
wenn ich's könnte, aus allen Kräften beschleunigen würde. Sie, mein
theurer Adalbert, können füglich noch nicht heirathen. Zur Heirat!) näm¬
lich gehört hauptsächlich, daß man dem Götzendienste nicht anhängt, und
dem sind Sie noch sehr ergeben. Jede reine Seele durchlebt die Periode
der Ideale, indessen behält dennoch Gottes Gebot: Du sollst keine andere
Götter haben neben mir, seine unumstößliche Kraft. Auch mit Ihrem
Stande scheinen Sie nicht zufrieden, das thut mir leid, da Sie religiös
sind, und es zum priesterlichen Stande keine bessere Vor¬
bereitung gibt, als den Soldatenstand, wiewohl sie sich nicht
vereinbaren lassen, da bekanntlich der Priester sich nicht mit Blut beflecken
darf." Wie doch diese Gedanken Werner's mit gewissen heutigen An¬
sichten zusammenfallen. Berlin verliert übrigens an Theremin einen je-


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Die Romantiker und Theremin. - Ein Brief von Zack. Werner. — Kunstaus¬
stellung, Akademie und Kritik. — Die „Zeitungshalle" und ihre reichen CoUeginnen.

Theremin ist todt. Einer der letzten jener Männer, die in dem er¬
sten Decennium dieses Jahrhunderts den Romantikern enge verbunden
waren. Seitdem sind vierzig Jahre entschwunden. Damals schrieb Schleier¬
macher über Schlegel's Lucinde, Theremin übersetzte die hebräischen Ge¬
sänge Lord Byron's, und Beide glaubten ihrer kirchlichen Stellung und
ernsten christlichen Studien nichts zu vergeben, wenn sie zu gleicher Zeit
ihre Hände nach den goldenen Früchten der Romantik ausstreckten. Ob
dergleichen im Jahre 1846 möglich wäre? Theremin jedoch scheint einer
der Ersten gewesen zu sein, der sich von dem weltlichen Elemente zurück¬
zog und dem Dienste der Kirche ausschließlich widmete. Wenigstens haucht
uns, aus einem Briefe des Zacharias Werner an Adalbert Chamisso (1808)
hervorzugehen, daß dem Geiste Theremin's schon damals nicht mehr jener
Hang beiwohnte, der die endliche Jersprengung der romantischen Schule
bewirkt hat. „Den Theremin liebe ich sehr" schreibt Werner, „er ist
gesund und schuldlos. Ich wünsche sehnlichst, ihn bald verheirathet zu
sehen mit einem gesunden Madchen, es wäre die einzige Heirath, die ich,
wenn ich's könnte, aus allen Kräften beschleunigen würde. Sie, mein
theurer Adalbert, können füglich noch nicht heirathen. Zur Heirat!) näm¬
lich gehört hauptsächlich, daß man dem Götzendienste nicht anhängt, und
dem sind Sie noch sehr ergeben. Jede reine Seele durchlebt die Periode
der Ideale, indessen behält dennoch Gottes Gebot: Du sollst keine andere
Götter haben neben mir, seine unumstößliche Kraft. Auch mit Ihrem
Stande scheinen Sie nicht zufrieden, das thut mir leid, da Sie religiös
sind, und es zum priesterlichen Stande keine bessere Vor¬
bereitung gibt, als den Soldatenstand, wiewohl sie sich nicht
vereinbaren lassen, da bekanntlich der Priester sich nicht mit Blut beflecken
darf." Wie doch diese Gedanken Werner's mit gewissen heutigen An¬
sichten zusammenfallen. Berlin verliert übrigens an Theremin einen je-


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[0040] T a g e b u c>). Die Romantiker und Theremin. - Ein Brief von Zack. Werner. — Kunstaus¬ stellung, Akademie und Kritik. — Die „Zeitungshalle" und ihre reichen CoUeginnen. Theremin ist todt. Einer der letzten jener Männer, die in dem er¬ sten Decennium dieses Jahrhunderts den Romantikern enge verbunden waren. Seitdem sind vierzig Jahre entschwunden. Damals schrieb Schleier¬ macher über Schlegel's Lucinde, Theremin übersetzte die hebräischen Ge¬ sänge Lord Byron's, und Beide glaubten ihrer kirchlichen Stellung und ernsten christlichen Studien nichts zu vergeben, wenn sie zu gleicher Zeit ihre Hände nach den goldenen Früchten der Romantik ausstreckten. Ob dergleichen im Jahre 1846 möglich wäre? Theremin jedoch scheint einer der Ersten gewesen zu sein, der sich von dem weltlichen Elemente zurück¬ zog und dem Dienste der Kirche ausschließlich widmete. Wenigstens haucht uns, aus einem Briefe des Zacharias Werner an Adalbert Chamisso (1808) hervorzugehen, daß dem Geiste Theremin's schon damals nicht mehr jener Hang beiwohnte, der die endliche Jersprengung der romantischen Schule bewirkt hat. „Den Theremin liebe ich sehr" schreibt Werner, „er ist gesund und schuldlos. Ich wünsche sehnlichst, ihn bald verheirathet zu sehen mit einem gesunden Madchen, es wäre die einzige Heirath, die ich, wenn ich's könnte, aus allen Kräften beschleunigen würde. Sie, mein theurer Adalbert, können füglich noch nicht heirathen. Zur Heirat!) näm¬ lich gehört hauptsächlich, daß man dem Götzendienste nicht anhängt, und dem sind Sie noch sehr ergeben. Jede reine Seele durchlebt die Periode der Ideale, indessen behält dennoch Gottes Gebot: Du sollst keine andere Götter haben neben mir, seine unumstößliche Kraft. Auch mit Ihrem Stande scheinen Sie nicht zufrieden, das thut mir leid, da Sie religiös sind, und es zum priesterlichen Stande keine bessere Vor¬ bereitung gibt, als den Soldatenstand, wiewohl sie sich nicht vereinbaren lassen, da bekanntlich der Priester sich nicht mit Blut beflecken darf." Wie doch diese Gedanken Werner's mit gewissen heutigen An¬ sichten zusammenfallen. Berlin verliert übrigens an Theremin einen je-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365123/40>, abgerufen am 03.07.2024.