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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. IV. Band.

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F
Professor Jordan's LeidensgeMirte",.

Hatte der Gegenstand, welchen ich hier zur Sprache bringe, mit
Politik zu schaffen, so würden Sie, da ja Alles Politik will, den folgenden
Bemerkungen ohne Zweifel die Aufnahme gestatten; da er aber nur die
Menschlichkeit angeht, so darf ich mich um so überzeugter halten, daß
Sie mir durch das Organ der Grenzboten Gehör verschaffen, als ich
noch nirgends, nicht einmal bei Jordan selbst, auf Mitgefühl mit seinen
Leidensgefährten getroffen habe. Auch will ich Ihnen offen sagen, was
mich bestimmt hat, zu Ihnen zu flüchten. Es wurde mir in diesen
Tagen angeboten, die Sache, wenn sie den Deutschen doch so ge¬
fährlich scheine, in den Times zur Sprache zu bringen, und so derb, als
ich nur Lust hätte; man wollte mir's übersetzen und hineinbesorgen.
Ehe ich das thue, dachte ich, ehe ich uns vor dem Auslande herabsetze,
ehe will ich alle Rücksicht auf die Censur nehmen und so leis auftreten,
als ging ich auf Glatteis. Sie werden sich aber sogleich überzeugen, daß
ich nichts Gefährliches vorhabe, und nur deshalb so ängstlich und besorgt
geworden bin, weil ich zu einem kleinen unschuldigen guten Werke bisher
vergeblich nach einem Helfershelfer suchte.

Es ist ein schöner Zug an uns Deutschen, daß wir uns über das
Gute freuen, welches auswärts geschieht; sind wir dadurch doch der
Verlegenheit überhoben, uns über uns selbst zu freuen. Wie hat uns
nicht die Amnestie erhoben, welche Pius IX. den politischen Verbrechern
im Kirchenstaate zu Theil werden ließ; selbst in Spanien sind kürzlich
Begnadigungen erfolgt; wie schön doch! Aber weil wir Spanien und
Italien in politischer Beziehung so tief unter uns erblicken, als wir
selbst unter Frankreich und England zu stehen glauben, so ist es bei
dieser Gelegenheit Niemandem eingefallen, daß bei uns noch politische


Grenzboten. IV. Is-i". HZ
Tage b u es.



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Professor Jordan's LeidensgeMirte»,.

Hatte der Gegenstand, welchen ich hier zur Sprache bringe, mit
Politik zu schaffen, so würden Sie, da ja Alles Politik will, den folgenden
Bemerkungen ohne Zweifel die Aufnahme gestatten; da er aber nur die
Menschlichkeit angeht, so darf ich mich um so überzeugter halten, daß
Sie mir durch das Organ der Grenzboten Gehör verschaffen, als ich
noch nirgends, nicht einmal bei Jordan selbst, auf Mitgefühl mit seinen
Leidensgefährten getroffen habe. Auch will ich Ihnen offen sagen, was
mich bestimmt hat, zu Ihnen zu flüchten. Es wurde mir in diesen
Tagen angeboten, die Sache, wenn sie den Deutschen doch so ge¬
fährlich scheine, in den Times zur Sprache zu bringen, und so derb, als
ich nur Lust hätte; man wollte mir's übersetzen und hineinbesorgen.
Ehe ich das thue, dachte ich, ehe ich uns vor dem Auslande herabsetze,
ehe will ich alle Rücksicht auf die Censur nehmen und so leis auftreten,
als ging ich auf Glatteis. Sie werden sich aber sogleich überzeugen, daß
ich nichts Gefährliches vorhabe, und nur deshalb so ängstlich und besorgt
geworden bin, weil ich zu einem kleinen unschuldigen guten Werke bisher
vergeblich nach einem Helfershelfer suchte.

Es ist ein schöner Zug an uns Deutschen, daß wir uns über das
Gute freuen, welches auswärts geschieht; sind wir dadurch doch der
Verlegenheit überhoben, uns über uns selbst zu freuen. Wie hat uns
nicht die Amnestie erhoben, welche Pius IX. den politischen Verbrechern
im Kirchenstaate zu Theil werden ließ; selbst in Spanien sind kürzlich
Begnadigungen erfolgt; wie schön doch! Aber weil wir Spanien und
Italien in politischer Beziehung so tief unter uns erblicken, als wir
selbst unter Frankreich und England zu stehen glauben, so ist es bei
dieser Gelegenheit Niemandem eingefallen, daß bei uns noch politische


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[0397] Tage b u es. F Professor Jordan's LeidensgeMirte»,. Hatte der Gegenstand, welchen ich hier zur Sprache bringe, mit Politik zu schaffen, so würden Sie, da ja Alles Politik will, den folgenden Bemerkungen ohne Zweifel die Aufnahme gestatten; da er aber nur die Menschlichkeit angeht, so darf ich mich um so überzeugter halten, daß Sie mir durch das Organ der Grenzboten Gehör verschaffen, als ich noch nirgends, nicht einmal bei Jordan selbst, auf Mitgefühl mit seinen Leidensgefährten getroffen habe. Auch will ich Ihnen offen sagen, was mich bestimmt hat, zu Ihnen zu flüchten. Es wurde mir in diesen Tagen angeboten, die Sache, wenn sie den Deutschen doch so ge¬ fährlich scheine, in den Times zur Sprache zu bringen, und so derb, als ich nur Lust hätte; man wollte mir's übersetzen und hineinbesorgen. Ehe ich das thue, dachte ich, ehe ich uns vor dem Auslande herabsetze, ehe will ich alle Rücksicht auf die Censur nehmen und so leis auftreten, als ging ich auf Glatteis. Sie werden sich aber sogleich überzeugen, daß ich nichts Gefährliches vorhabe, und nur deshalb so ängstlich und besorgt geworden bin, weil ich zu einem kleinen unschuldigen guten Werke bisher vergeblich nach einem Helfershelfer suchte. Es ist ein schöner Zug an uns Deutschen, daß wir uns über das Gute freuen, welches auswärts geschieht; sind wir dadurch doch der Verlegenheit überhoben, uns über uns selbst zu freuen. Wie hat uns nicht die Amnestie erhoben, welche Pius IX. den politischen Verbrechern im Kirchenstaate zu Theil werden ließ; selbst in Spanien sind kürzlich Begnadigungen erfolgt; wie schön doch! Aber weil wir Spanien und Italien in politischer Beziehung so tief unter uns erblicken, als wir selbst unter Frankreich und England zu stehen glauben, so ist es bei dieser Gelegenheit Niemandem eingefallen, daß bei uns noch politische Grenzboten. IV. Is-i». HZ

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365123/397>, abgerufen am 05.12.2024.