Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. IV. Band.war und der Anblick einer Herodias mit dem Haupte des Täufers Mit sehr unheimlichen Reflerionen machte ich mich auf den Weg, III. Am andern Morgen bereute ich, das Abentheuer nicht verfolgt zu war und der Anblick einer Herodias mit dem Haupte des Täufers Mit sehr unheimlichen Reflerionen machte ich mich auf den Weg, III. Am andern Morgen bereute ich, das Abentheuer nicht verfolgt zu <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0371" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/183953"/> <p xml:id="ID_1111" prev="#ID_1110"> war und der Anblick einer Herodias mit dem Haupte des Täufers<lb/> mich so erregte, daß ich an der Hand des Vaters zu zittern anfing<lb/> und gleichwohl nicht im Stande war, ein Auge von der Gruppe zu<lb/> verwenden. Aehnlich ging es mir jetzt, ich schauderte innerlich, als ich<lb/> überall die leblosen Glasaugen auf mich gerichtet sah, und diese tod¬<lb/> ten Gebilde mir zuzurufen schienen: Was willst du hier? Entferne<lb/> dich! Unsichern Schrittes schlich ich die Treppe hinab und kaum fühlte<lb/> ich mich im Freien, so eilte ich fort, als jagte mich eine unsichtbare<lb/> Gewalt; ich war nicht eher ganz ruhig, als bis ich jenseits des Zau¬<lb/> nes mich befand. Hier hielt ich an und betrachtete aus der Feine<lb/> den Schauplatz jener sinnverwirrenden, geheimnißvollen Comödie. Nicht<lb/> lange, so sah ich Jemanden von der Villa herkommen und im Gespcn-<lb/> sterhäuschen verschwinden, bald darauf wurden die Fenster geschlossen<lb/> und die Lampen einzeln ausgelöscht, und es war mir dabei, als horte<lb/> ich die Stimmen einer wundersamen Geistermusik fugenartig verstum¬<lb/> men, bis mit dem letzten Lämpchen die Melodie erstarb und Alles fin¬<lb/> ster und ruhig war.</p><lb/> <p xml:id="ID_1112"> Mit sehr unheimlichen Reflerionen machte ich mich auf den Weg,<lb/> ich dachte an die tiefschwarzen, brennenden Augen der schönen Gräfin<lb/> und es erregte mir ordentlich das Gefühl eigner Schuld, weil ich mir<lb/> sie schon vorher als furchtbar unglücklich und furchtbar trotzend gedacht<lb/> hatte. War meine Neugierde und alle die Seelenkräfte, welche aus<lb/> Nichts einen goldenen Faden und mit dem Faden wundersame duftige<lb/> Gewebe spinnen, heftig erregt worden, so verdoppelte sich dies, als we¬<lb/> nige Schritte hinter dem Dorfe L. ein Reiter, von einem berittenen<lb/> Diener gefolgt, in verzweifelter Eile an mir vorübersprengte und ich<lb/> beim Schimmer der Mondsichel in ihm jenen unbekannten Astrologen<lb/> im Büffet des Theaters erkannte. War hier ein innerer Zusammen¬<lb/> hang? war die Rakete vielleicht ein Zeichen gewesen? Solche Fragen<lb/> wiederholte ich mir beständig und die Vermuthungen, die sie beantwor¬<lb/> ten sollten, wurden immer abentheuerlicher, der Alltäglichkeit fremder,<lb/> jemehr ich darüber nachsann.</p><lb/> </div> <div n="2"> <head> III.</head><lb/> <p xml:id="ID_1113" next="#ID_1114"> Am andern Morgen bereute ich, das Abentheuer nicht verfolgt zu<lb/> haben, zumal da das eingetretene Regenwetter mich abhielt, nach B.<lb/> zu gehen. Später kamen dringende Geschäfte, und da Lust und Neu¬<lb/> gierde ermattete, so konnte mich nur ein sehr heiterer Tag nach B»</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0371]
war und der Anblick einer Herodias mit dem Haupte des Täufers
mich so erregte, daß ich an der Hand des Vaters zu zittern anfing
und gleichwohl nicht im Stande war, ein Auge von der Gruppe zu
verwenden. Aehnlich ging es mir jetzt, ich schauderte innerlich, als ich
überall die leblosen Glasaugen auf mich gerichtet sah, und diese tod¬
ten Gebilde mir zuzurufen schienen: Was willst du hier? Entferne
dich! Unsichern Schrittes schlich ich die Treppe hinab und kaum fühlte
ich mich im Freien, so eilte ich fort, als jagte mich eine unsichtbare
Gewalt; ich war nicht eher ganz ruhig, als bis ich jenseits des Zau¬
nes mich befand. Hier hielt ich an und betrachtete aus der Feine
den Schauplatz jener sinnverwirrenden, geheimnißvollen Comödie. Nicht
lange, so sah ich Jemanden von der Villa herkommen und im Gespcn-
sterhäuschen verschwinden, bald darauf wurden die Fenster geschlossen
und die Lampen einzeln ausgelöscht, und es war mir dabei, als horte
ich die Stimmen einer wundersamen Geistermusik fugenartig verstum¬
men, bis mit dem letzten Lämpchen die Melodie erstarb und Alles fin¬
ster und ruhig war.
Mit sehr unheimlichen Reflerionen machte ich mich auf den Weg,
ich dachte an die tiefschwarzen, brennenden Augen der schönen Gräfin
und es erregte mir ordentlich das Gefühl eigner Schuld, weil ich mir
sie schon vorher als furchtbar unglücklich und furchtbar trotzend gedacht
hatte. War meine Neugierde und alle die Seelenkräfte, welche aus
Nichts einen goldenen Faden und mit dem Faden wundersame duftige
Gewebe spinnen, heftig erregt worden, so verdoppelte sich dies, als we¬
nige Schritte hinter dem Dorfe L. ein Reiter, von einem berittenen
Diener gefolgt, in verzweifelter Eile an mir vorübersprengte und ich
beim Schimmer der Mondsichel in ihm jenen unbekannten Astrologen
im Büffet des Theaters erkannte. War hier ein innerer Zusammen¬
hang? war die Rakete vielleicht ein Zeichen gewesen? Solche Fragen
wiederholte ich mir beständig und die Vermuthungen, die sie beantwor¬
ten sollten, wurden immer abentheuerlicher, der Alltäglichkeit fremder,
jemehr ich darüber nachsann.
III.
Am andern Morgen bereute ich, das Abentheuer nicht verfolgt zu
haben, zumal da das eingetretene Regenwetter mich abhielt, nach B.
zu gehen. Später kamen dringende Geschäfte, und da Lust und Neu¬
gierde ermattete, so konnte mich nur ein sehr heiterer Tag nach B»
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