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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. IV. Band.

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ner Geist Lord Palmerston von der Einlösung seines Versprechens
im Parlamente durch Uebernahme des Portefeuilles befreien. Wir mü߬
ten unsern alten Alliirten, England, nicht kennen, um nicht zu wissen, daß er
bei dieser Gelegenheit nur so lange schmollen und grollen wird, bis er irgend
einen Vortheil für sich herausnegocirr haben wird. Um Frankreich wird er sich
wenig kümmern, so wenig, als dieses sich neulichst um England kümmerte.
Wie man auch jenseits des Rheins und des Canals über Oesterreich
und die nordischen Machte denken mag, an ihrer Festigkeit bei einem ge¬
faßten Entschluß und an ihrer Macht, ihn zu unterstützen, zweifelt wohl
Niemand. Und grade das Ueberraschende und die Plötzlichkeit der That,
gerade die geheimnißvollen achtmonatlichen Vorbereitungen sind ein Be¬
weis, wie fest geschlossen die Trippelallianz in dieser Frage ist, und wie
man auf alle Eventualitäten sich gefaßt machte. Und eben deshalb wer¬
den in dieser Angelegenheit nur Worte und Tinte fließen; denn Blut
ist heute mehr als je ein absonderlicher Saft.

Wie aber auch der Gang der Vertrage und der Ereignisse in dieser
Krakauer Specialfrage zu Gunsten der nordischen Machte sich gestaltet,
die polnische Frage im Ganzen bleibt immer dieselbe große und geheiligte
Sache, und die edelsten Herzen in Oesterreich rufen mit uns: Wollte
Gott, wir hatten dieses Galizien nie berührt!


II.
Ans Hamburg.

Die Bürgerschaft und die Opposttionsprcsse. -- Das Budget. -- Li'ndley. --
Zukunft der Nachtwächter. -- Dr. Wurm. -- Theater--

Wenn unser Staat an sich auch nur klein und im allgemeinen
deutschen Staatenbunde von geringer und kaum bemerklicher Bedeutung
ist, so dürften unsere Zustande und Verhältnisse, welche täglich eine leb¬
haftere Farbe annehmen, doch immer mehr sich dazu eignen, die allge¬
meine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Es ist das Geld und immer
das Geld, welches dieses Wunder der bürgerlichen Bewegung bewirkt.
Die früher so ruhigen, so folgsamen und geduldigen Bürger bekommen
Muth und Entschlossenheit, sich ihrem Senat mit Entschiedenheit gegen¬
über zu stellen. Das liberale Schriftthum feiert bei dieser Gelegenheit
stille Triumphe, denn Alles, was die Bürger oder die bürgerschaftlichen
Eollegien jetzt in Opposition beginnen, die Ansichten und Meinungen,
welche sie jetzt laur werden lassen, die wurden ihnen schon vor zwei,
drei Jahren in die Schuhe geschoben, ihnen gleichsam mit Gewalt ein-
geblasen, aber -- sie wollten damals noch nicht sogleich Folge leisten;
ihre Begriffe hatten noch nicht die nöthige Entschiedenheit erlangt, sie konnten
den, des möglichen Verrufes wegen von der reichen aristokratischen Par¬
tei sogenannten " Skcmdalmachern" noch keinen Glauben schenken.


ner Geist Lord Palmerston von der Einlösung seines Versprechens
im Parlamente durch Uebernahme des Portefeuilles befreien. Wir mü߬
ten unsern alten Alliirten, England, nicht kennen, um nicht zu wissen, daß er
bei dieser Gelegenheit nur so lange schmollen und grollen wird, bis er irgend
einen Vortheil für sich herausnegocirr haben wird. Um Frankreich wird er sich
wenig kümmern, so wenig, als dieses sich neulichst um England kümmerte.
Wie man auch jenseits des Rheins und des Canals über Oesterreich
und die nordischen Machte denken mag, an ihrer Festigkeit bei einem ge¬
faßten Entschluß und an ihrer Macht, ihn zu unterstützen, zweifelt wohl
Niemand. Und grade das Ueberraschende und die Plötzlichkeit der That,
gerade die geheimnißvollen achtmonatlichen Vorbereitungen sind ein Be¬
weis, wie fest geschlossen die Trippelallianz in dieser Frage ist, und wie
man auf alle Eventualitäten sich gefaßt machte. Und eben deshalb wer¬
den in dieser Angelegenheit nur Worte und Tinte fließen; denn Blut
ist heute mehr als je ein absonderlicher Saft.

Wie aber auch der Gang der Vertrage und der Ereignisse in dieser
Krakauer Specialfrage zu Gunsten der nordischen Machte sich gestaltet,
die polnische Frage im Ganzen bleibt immer dieselbe große und geheiligte
Sache, und die edelsten Herzen in Oesterreich rufen mit uns: Wollte
Gott, wir hatten dieses Galizien nie berührt!


II.
Ans Hamburg.

Die Bürgerschaft und die Opposttionsprcsse. — Das Budget. — Li'ndley. —
Zukunft der Nachtwächter. — Dr. Wurm. — Theater—

Wenn unser Staat an sich auch nur klein und im allgemeinen
deutschen Staatenbunde von geringer und kaum bemerklicher Bedeutung
ist, so dürften unsere Zustande und Verhältnisse, welche täglich eine leb¬
haftere Farbe annehmen, doch immer mehr sich dazu eignen, die allge¬
meine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Es ist das Geld und immer
das Geld, welches dieses Wunder der bürgerlichen Bewegung bewirkt.
Die früher so ruhigen, so folgsamen und geduldigen Bürger bekommen
Muth und Entschlossenheit, sich ihrem Senat mit Entschiedenheit gegen¬
über zu stellen. Das liberale Schriftthum feiert bei dieser Gelegenheit
stille Triumphe, denn Alles, was die Bürger oder die bürgerschaftlichen
Eollegien jetzt in Opposition beginnen, die Ansichten und Meinungen,
welche sie jetzt laur werden lassen, die wurden ihnen schon vor zwei,
drei Jahren in die Schuhe geschoben, ihnen gleichsam mit Gewalt ein-
geblasen, aber — sie wollten damals noch nicht sogleich Folge leisten;
ihre Begriffe hatten noch nicht die nöthige Entschiedenheit erlangt, sie konnten
den, des möglichen Verrufes wegen von der reichen aristokratischen Par¬
tei sogenannten „ Skcmdalmachern" noch keinen Glauben schenken.


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[0359] ner Geist Lord Palmerston von der Einlösung seines Versprechens im Parlamente durch Uebernahme des Portefeuilles befreien. Wir mü߬ ten unsern alten Alliirten, England, nicht kennen, um nicht zu wissen, daß er bei dieser Gelegenheit nur so lange schmollen und grollen wird, bis er irgend einen Vortheil für sich herausnegocirr haben wird. Um Frankreich wird er sich wenig kümmern, so wenig, als dieses sich neulichst um England kümmerte. Wie man auch jenseits des Rheins und des Canals über Oesterreich und die nordischen Machte denken mag, an ihrer Festigkeit bei einem ge¬ faßten Entschluß und an ihrer Macht, ihn zu unterstützen, zweifelt wohl Niemand. Und grade das Ueberraschende und die Plötzlichkeit der That, gerade die geheimnißvollen achtmonatlichen Vorbereitungen sind ein Be¬ weis, wie fest geschlossen die Trippelallianz in dieser Frage ist, und wie man auf alle Eventualitäten sich gefaßt machte. Und eben deshalb wer¬ den in dieser Angelegenheit nur Worte und Tinte fließen; denn Blut ist heute mehr als je ein absonderlicher Saft. Wie aber auch der Gang der Vertrage und der Ereignisse in dieser Krakauer Specialfrage zu Gunsten der nordischen Machte sich gestaltet, die polnische Frage im Ganzen bleibt immer dieselbe große und geheiligte Sache, und die edelsten Herzen in Oesterreich rufen mit uns: Wollte Gott, wir hatten dieses Galizien nie berührt! II. Ans Hamburg. Die Bürgerschaft und die Opposttionsprcsse. — Das Budget. — Li'ndley. — Zukunft der Nachtwächter. — Dr. Wurm. — Theater— Wenn unser Staat an sich auch nur klein und im allgemeinen deutschen Staatenbunde von geringer und kaum bemerklicher Bedeutung ist, so dürften unsere Zustande und Verhältnisse, welche täglich eine leb¬ haftere Farbe annehmen, doch immer mehr sich dazu eignen, die allge¬ meine Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Es ist das Geld und immer das Geld, welches dieses Wunder der bürgerlichen Bewegung bewirkt. Die früher so ruhigen, so folgsamen und geduldigen Bürger bekommen Muth und Entschlossenheit, sich ihrem Senat mit Entschiedenheit gegen¬ über zu stellen. Das liberale Schriftthum feiert bei dieser Gelegenheit stille Triumphe, denn Alles, was die Bürger oder die bürgerschaftlichen Eollegien jetzt in Opposition beginnen, die Ansichten und Meinungen, welche sie jetzt laur werden lassen, die wurden ihnen schon vor zwei, drei Jahren in die Schuhe geschoben, ihnen gleichsam mit Gewalt ein- geblasen, aber — sie wollten damals noch nicht sogleich Folge leisten; ihre Begriffe hatten noch nicht die nöthige Entschiedenheit erlangt, sie konnten den, des möglichen Verrufes wegen von der reichen aristokratischen Par¬ tei sogenannten „ Skcmdalmachern" noch keinen Glauben schenken.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365123/359>, abgerufen am 03.07.2024.