Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. IV. Band.Censoren und Censur in Wie". Drei Censoren sind in den letzten vier Wochen aus dem Leben *) In Oesterreich wird der Censor nicht wie in Deutschland von den Schrift¬
stellern und Buchhändlern bezahlt, sondern von der Regierung. Darin ist wenig¬ stens Konsequenz! Censoren und Censur in Wie«. Drei Censoren sind in den letzten vier Wochen aus dem Leben *) In Oesterreich wird der Censor nicht wie in Deutschland von den Schrift¬
stellern und Buchhändlern bezahlt, sondern von der Regierung. Darin ist wenig¬ stens Konsequenz! <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0341" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/183923"/> </div> </div> <div n="1"> <head> Censoren und Censur in Wie«.</head><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p xml:id="ID_1038" next="#ID_1039"> Drei Censoren sind in den letzten vier Wochen aus dem Leben<lb/> gestrichen worden: Rupprecht, Kuffner und Hohler. Wer wird ihre<lb/> Stellen ersetzen? Die deutschen Zeitungen meldeten unlängst aus der<lb/> preußischen Stadt Naumburg, daß sich dort nach dem Tode des Cen¬<lb/> sors kein Mann vorfand, der zu diesem Amte steh hergeben wollte.<lb/> In solche Verlegenheiten zu gerathen brauchen wir hier nicht zu fürch¬<lb/> ten. Wenn Baron Kübeck statt eines Urlebens von 20 Millionen<lb/> Gulden mit 20 Millionen Censoren sich begnügen könnte, die wären<lb/> in Oesterreich bald aufzutreiben. Es muß ein außerordentliches Be¬<lb/> wußtsein, eine eigenthümliche Lust gewähren, Censor zu sein; der Hof¬<lb/> rath Köhler z. B. (und Sie wissen, bei uns ist diese Stelle eine ganz<lb/> andere als die preußische Hofrätherei) bezieht als Hofrath der Salinen<lb/> ein Gehalt von 4000 Fi. C.-M. und als protestantischer Consistorial-<lb/> rath obendrein noch 700 Fi. C.-M. Und doch ist er nebenbei auch<lb/> noch Censor! Ist es glaublich, daß ein lediger Mann, bei sonstigem<lb/> Privatvermögen und einem so reichen Einkommen, für die Summe von<lb/> 30« Fi. C.-M. (denn dies, höchstens 400 Fi. ist das jährliche Gehalt<lb/> eines Censors -) eine solche Verantwortlichkeit und eben nicht den Dank<lb/> der Bestgesinnten auf sich laden würde, wenn nicht eine besondere Passion<lb/> für das Censoramt das vorherrschende Motiv wäre? Die er¬<lb/> wähnten drei todten Censoren waren noch nicht beerdigt, und schon<lb/> lagen neun Bittgesuche im Einreichungsprotokolle der Polizeihofstelle,<lb/> darunter das des gesinnungs- und salbungsüberfließenden Redacteurs<lb/> des „Zuschauers", Herrn Ebersberg, ferner ein Gesuch des Statisti-</p><lb/> <note xml:id="FID_33" place="foot"> *) In Oesterreich wird der Censor nicht wie in Deutschland von den Schrift¬<lb/> stellern und Buchhändlern bezahlt, sondern von der Regierung. Darin ist wenig¬<lb/> stens Konsequenz!</note><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0341]
Censoren und Censur in Wie«.
Drei Censoren sind in den letzten vier Wochen aus dem Leben
gestrichen worden: Rupprecht, Kuffner und Hohler. Wer wird ihre
Stellen ersetzen? Die deutschen Zeitungen meldeten unlängst aus der
preußischen Stadt Naumburg, daß sich dort nach dem Tode des Cen¬
sors kein Mann vorfand, der zu diesem Amte steh hergeben wollte.
In solche Verlegenheiten zu gerathen brauchen wir hier nicht zu fürch¬
ten. Wenn Baron Kübeck statt eines Urlebens von 20 Millionen
Gulden mit 20 Millionen Censoren sich begnügen könnte, die wären
in Oesterreich bald aufzutreiben. Es muß ein außerordentliches Be¬
wußtsein, eine eigenthümliche Lust gewähren, Censor zu sein; der Hof¬
rath Köhler z. B. (und Sie wissen, bei uns ist diese Stelle eine ganz
andere als die preußische Hofrätherei) bezieht als Hofrath der Salinen
ein Gehalt von 4000 Fi. C.-M. und als protestantischer Consistorial-
rath obendrein noch 700 Fi. C.-M. Und doch ist er nebenbei auch
noch Censor! Ist es glaublich, daß ein lediger Mann, bei sonstigem
Privatvermögen und einem so reichen Einkommen, für die Summe von
30« Fi. C.-M. (denn dies, höchstens 400 Fi. ist das jährliche Gehalt
eines Censors -) eine solche Verantwortlichkeit und eben nicht den Dank
der Bestgesinnten auf sich laden würde, wenn nicht eine besondere Passion
für das Censoramt das vorherrschende Motiv wäre? Die er¬
wähnten drei todten Censoren waren noch nicht beerdigt, und schon
lagen neun Bittgesuche im Einreichungsprotokolle der Polizeihofstelle,
darunter das des gesinnungs- und salbungsüberfließenden Redacteurs
des „Zuschauers", Herrn Ebersberg, ferner ein Gesuch des Statisti-
*) In Oesterreich wird der Censor nicht wie in Deutschland von den Schrift¬
stellern und Buchhändlern bezahlt, sondern von der Regierung. Darin ist wenig¬
stens Konsequenz!
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