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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. IV. Band.

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Studentenbilder.^^



?.

Blondlockig, blauäugig -- ein ziemlich sicherer Grieche und ge¬
wiß ein vortrefflicher Lateiner -- so trar er, Adalbert, noch nicht acht¬
zehn Jahre alt, aller Erwartung voll, die erste Reise nach der Univer-"
sitae an. Wir lassen ihn selbst erzählen:

Der Vater und die Mutter hatten mir das Geleite bis Dresden
gegeben. Dentschland wußte noch nichts von Dampfwagen und Ei¬
senbahnen, die fünf Jahre später die Wanderpoesie zu vernichten be¬
gannen, und zwischen Dresden und Leipzig lagen zwei Tagereisen,
wenn man nicht grade mit der Eilpost fuhr, deren rasche Bewegung
nach der Meinung meiner Mutter der Brust schadete, wie sie nach der
Ansicht meines Vaters nicht geeignet war, einen Kasten mit Betten,
einen zweiten Kasten mit Büchern, einen dritten Kasten mit Wäsche
und Kleidern und endlich -- nebst Mantel, Hutschachtel, Regenschirm
und Fußsack -- den jungen Studenten selbst auf eine billige Weise in
die Universitätsstadt zu bestellen.

Aber es gab Lohnkutscher, die den unbestrittenen Vorzug hatten,
daß ihren Abgang zu versäumen ganz unmöglich war, weil sie einen
Jeden ihrer Passagiere an Versäumniß weit übertrafen und auf den
Achsen ihrer schwerfälligen Fuhrwerke hatten noch viel verwickeltere Exi¬
stenzen Raum, als die eines angehenden Studenten. Der Wagen, der
mir hinlängliche Besinnung lassen sollte, mich auf den Eintritt in die
akademische Laufbahn, ja selbst auf den Aufbruch dazu vorzubereiten,
stand in der großen Brüdergasfe. Die Abfahrt war früh sechs Uhr
angesagt. Eine halbe Stunde vorher flössen die ersten Thränen mei¬
ner Mutter, aber als wir auf dem Platze anlangten, wo ich mich von


Grenzboten. IV. 1846. 42
Studentenbilder.^^



?.

Blondlockig, blauäugig — ein ziemlich sicherer Grieche und ge¬
wiß ein vortrefflicher Lateiner — so trar er, Adalbert, noch nicht acht¬
zehn Jahre alt, aller Erwartung voll, die erste Reise nach der Univer-«
sitae an. Wir lassen ihn selbst erzählen:

Der Vater und die Mutter hatten mir das Geleite bis Dresden
gegeben. Dentschland wußte noch nichts von Dampfwagen und Ei¬
senbahnen, die fünf Jahre später die Wanderpoesie zu vernichten be¬
gannen, und zwischen Dresden und Leipzig lagen zwei Tagereisen,
wenn man nicht grade mit der Eilpost fuhr, deren rasche Bewegung
nach der Meinung meiner Mutter der Brust schadete, wie sie nach der
Ansicht meines Vaters nicht geeignet war, einen Kasten mit Betten,
einen zweiten Kasten mit Büchern, einen dritten Kasten mit Wäsche
und Kleidern und endlich — nebst Mantel, Hutschachtel, Regenschirm
und Fußsack — den jungen Studenten selbst auf eine billige Weise in
die Universitätsstadt zu bestellen.

Aber es gab Lohnkutscher, die den unbestrittenen Vorzug hatten,
daß ihren Abgang zu versäumen ganz unmöglich war, weil sie einen
Jeden ihrer Passagiere an Versäumniß weit übertrafen und auf den
Achsen ihrer schwerfälligen Fuhrwerke hatten noch viel verwickeltere Exi¬
stenzen Raum, als die eines angehenden Studenten. Der Wagen, der
mir hinlängliche Besinnung lassen sollte, mich auf den Eintritt in die
akademische Laufbahn, ja selbst auf den Aufbruch dazu vorzubereiten,
stand in der großen Brüdergasfe. Die Abfahrt war früh sechs Uhr
angesagt. Eine halbe Stunde vorher flössen die ersten Thränen mei¬
ner Mutter, aber als wir auf dem Platze anlangten, wo ich mich von


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[0313] Studentenbilder.^^ ?. Blondlockig, blauäugig — ein ziemlich sicherer Grieche und ge¬ wiß ein vortrefflicher Lateiner — so trar er, Adalbert, noch nicht acht¬ zehn Jahre alt, aller Erwartung voll, die erste Reise nach der Univer-« sitae an. Wir lassen ihn selbst erzählen: Der Vater und die Mutter hatten mir das Geleite bis Dresden gegeben. Dentschland wußte noch nichts von Dampfwagen und Ei¬ senbahnen, die fünf Jahre später die Wanderpoesie zu vernichten be¬ gannen, und zwischen Dresden und Leipzig lagen zwei Tagereisen, wenn man nicht grade mit der Eilpost fuhr, deren rasche Bewegung nach der Meinung meiner Mutter der Brust schadete, wie sie nach der Ansicht meines Vaters nicht geeignet war, einen Kasten mit Betten, einen zweiten Kasten mit Büchern, einen dritten Kasten mit Wäsche und Kleidern und endlich — nebst Mantel, Hutschachtel, Regenschirm und Fußsack — den jungen Studenten selbst auf eine billige Weise in die Universitätsstadt zu bestellen. Aber es gab Lohnkutscher, die den unbestrittenen Vorzug hatten, daß ihren Abgang zu versäumen ganz unmöglich war, weil sie einen Jeden ihrer Passagiere an Versäumniß weit übertrafen und auf den Achsen ihrer schwerfälligen Fuhrwerke hatten noch viel verwickeltere Exi¬ stenzen Raum, als die eines angehenden Studenten. Der Wagen, der mir hinlängliche Besinnung lassen sollte, mich auf den Eintritt in die akademische Laufbahn, ja selbst auf den Aufbruch dazu vorzubereiten, stand in der großen Brüdergasfe. Die Abfahrt war früh sechs Uhr angesagt. Eine halbe Stunde vorher flössen die ersten Thränen mei¬ ner Mutter, aber als wir auf dem Platze anlangten, wo ich mich von Grenzboten. IV. 1846. 42

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365123/313>, abgerufen am 05.12.2024.