Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. IV. Band.Blüthe wächst aus Moder. Die unerhörte Entwickelung der Industrie Wohlan, man werfe einen Blick nach Hapel! In seiner jüngsten Auch Hapel hatte im Jahre 1789 eine staunenswürdige Culturüp¬ Furchtbare Lehre der Geschichte!" IV. Gutzkow als Dramaturg. Gutzkow ist 'zum Dramaturgen beim Dresdner Hoftheater ernannt Blüthe wächst aus Moder. Die unerhörte Entwickelung der Industrie Wohlan, man werfe einen Blick nach Hapel! In seiner jüngsten Auch Hapel hatte im Jahre 1789 eine staunenswürdige Culturüp¬ Furchtbare Lehre der Geschichte!" IV. Gutzkow als Dramaturg. Gutzkow ist 'zum Dramaturgen beim Dresdner Hoftheater ernannt <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0179" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/183761"/> <p xml:id="ID_501" prev="#ID_500"> Blüthe wächst aus Moder. Die unerhörte Entwickelung der Industrie<lb/> ist emporgetrieben durch die furchtbarste Sklaverei der Massen.</p><lb/> <p xml:id="ID_502"> Wohlan, man werfe einen Blick nach Hapel! In seiner jüngsten<lb/> Vergangenheit haben wir einen Miniaturspiegel der Zukunft Europas,<lb/> die nothwendig eintreten muß und wird, wenn der Angstschrei der er¬<lb/> drückten und abgezehrten Träger der ganzen Gesellschaft kein Gehör fin¬<lb/> det und die Sklaven gezwungen werden zur Selbstbefreiung.</p><lb/> <p xml:id="ID_503"> Auch Hapel hatte im Jahre 1789 eine staunenswürdige Culturüp¬<lb/> pigkeit erreicht, aber nur durch entsetzlichen Mcnschenverbrauch. Die Fes¬<lb/> seln wurden gewaltsam gesprengt; in dem grausenhaften Vernichtungs¬<lb/> kriege der Befreiten gegen ihre Unterdrücker ging die ganze emporgefchwin-<lb/> delte Herrlichkeit in Trümmer, die Cultur ward fast zur Barbarei, und<lb/> erst nachdem ihr Paradies zur Wüstenei geworden, erbten es die armen<lb/> Sieger.</p><lb/> <p xml:id="ID_504"> Furchtbare Lehre der Geschichte!"</p><lb/> </div> <div n="2"> <head> IV.<lb/> Gutzkow als Dramaturg.</head><lb/> <p xml:id="ID_505" next="#ID_506"> Gutzkow ist 'zum Dramaturgen beim Dresdner Hoftheater ernannt<lb/> worden. Wie wir hören, ist sowohl von seiner Seite als von Seiten der<lb/> dortigen Intendanz vorläufig blos ein dreijähriger Contract abgeschlossen<lb/> worden, und nur, wenn beide Theile mit den Ergebnissen und Erlebnissen<lb/> dieser Zeit zufrieden zu sein Ursache haben werden, dürfte der Contract in<lb/> einen lebenslänglichen sich verwandeln. Die Dresdner Hofbühne ist so¬<lb/> mit gleich der Stuttgarter den übrigen Bühnen in der Feststellung eines<lb/> Princips vorangegangen, in dem wir das einzige Mittel zur Hebung der<lb/> mit Verfall bedrohten deutschen Theater erblicken. Die deutschen Bühnen<lb/> müssen unter die Leitung wissenschaftlicher, literarischer Männer kommen,<lb/> wenn sie nicht mit jedem Tage mehr zu bloßen Anstalten der Geldspecu-<lb/> lation herabsinken sollen. Die Berliner Hofbühne geht diesem Schicksale<lb/> mit jedem Tage mehr entgegen; das Wiener Burgtheater ist seit dem<lb/> Tode Schreivogel's jedes Jahr seinem bedrohlichen Verfall näher gerückt.<lb/> Ohne bestimmtes geistiges Ideal, ohne Sicherheit des Geschmacks, ohne<lb/> Verständniß der Zeit, ohne nationalen Stolz, gehen die meisten Bühnenlen¬<lb/> ker den Weg des veralteten Schlendrians, oder suchen die Neuzeit nur auf<lb/> den Bretern der Pariser Vorstadtbühnen. Von einer umsichtigen Be¬<lb/> nutzung der nationalen Talente, von einer Hebung des Geschmacks bei<lb/> dem großen Publicum, von einer Belebung jugendlicher Geister ist nir¬<lb/> gends eine Spur. Die dilletantische Halbbildung fast aller unserer Büh¬<lb/> nenleiter tappt im Dunkeln bald nach diefem bald nach jenem Hülfsmittel,<lb/> fast Alle stehen unter ihrer Aufgabe, kein Einziger steht kritisch und sicher<lb/> mit Hellem Blicke über ihr. Dies hat nicht nur auf die Bühnen, es<lb/> hat auch auf das Publicum einen nachtheiligen Einfluß. Denn dies<lb/> blinde Herumtappen, diese komischen Mißgriffe werden gar wohl bemerkt.</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0179]
Blüthe wächst aus Moder. Die unerhörte Entwickelung der Industrie
ist emporgetrieben durch die furchtbarste Sklaverei der Massen.
Wohlan, man werfe einen Blick nach Hapel! In seiner jüngsten
Vergangenheit haben wir einen Miniaturspiegel der Zukunft Europas,
die nothwendig eintreten muß und wird, wenn der Angstschrei der er¬
drückten und abgezehrten Träger der ganzen Gesellschaft kein Gehör fin¬
det und die Sklaven gezwungen werden zur Selbstbefreiung.
Auch Hapel hatte im Jahre 1789 eine staunenswürdige Culturüp¬
pigkeit erreicht, aber nur durch entsetzlichen Mcnschenverbrauch. Die Fes¬
seln wurden gewaltsam gesprengt; in dem grausenhaften Vernichtungs¬
kriege der Befreiten gegen ihre Unterdrücker ging die ganze emporgefchwin-
delte Herrlichkeit in Trümmer, die Cultur ward fast zur Barbarei, und
erst nachdem ihr Paradies zur Wüstenei geworden, erbten es die armen
Sieger.
Furchtbare Lehre der Geschichte!"
IV.
Gutzkow als Dramaturg.
Gutzkow ist 'zum Dramaturgen beim Dresdner Hoftheater ernannt
worden. Wie wir hören, ist sowohl von seiner Seite als von Seiten der
dortigen Intendanz vorläufig blos ein dreijähriger Contract abgeschlossen
worden, und nur, wenn beide Theile mit den Ergebnissen und Erlebnissen
dieser Zeit zufrieden zu sein Ursache haben werden, dürfte der Contract in
einen lebenslänglichen sich verwandeln. Die Dresdner Hofbühne ist so¬
mit gleich der Stuttgarter den übrigen Bühnen in der Feststellung eines
Princips vorangegangen, in dem wir das einzige Mittel zur Hebung der
mit Verfall bedrohten deutschen Theater erblicken. Die deutschen Bühnen
müssen unter die Leitung wissenschaftlicher, literarischer Männer kommen,
wenn sie nicht mit jedem Tage mehr zu bloßen Anstalten der Geldspecu-
lation herabsinken sollen. Die Berliner Hofbühne geht diesem Schicksale
mit jedem Tage mehr entgegen; das Wiener Burgtheater ist seit dem
Tode Schreivogel's jedes Jahr seinem bedrohlichen Verfall näher gerückt.
Ohne bestimmtes geistiges Ideal, ohne Sicherheit des Geschmacks, ohne
Verständniß der Zeit, ohne nationalen Stolz, gehen die meisten Bühnenlen¬
ker den Weg des veralteten Schlendrians, oder suchen die Neuzeit nur auf
den Bretern der Pariser Vorstadtbühnen. Von einer umsichtigen Be¬
nutzung der nationalen Talente, von einer Hebung des Geschmacks bei
dem großen Publicum, von einer Belebung jugendlicher Geister ist nir¬
gends eine Spur. Die dilletantische Halbbildung fast aller unserer Büh¬
nenleiter tappt im Dunkeln bald nach diefem bald nach jenem Hülfsmittel,
fast Alle stehen unter ihrer Aufgabe, kein Einziger steht kritisch und sicher
mit Hellem Blicke über ihr. Dies hat nicht nur auf die Bühnen, es
hat auch auf das Publicum einen nachtheiligen Einfluß. Denn dies
blinde Herumtappen, diese komischen Mißgriffe werden gar wohl bemerkt.
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