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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. IV. Band.

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Beute. Die große Zahl unserer jungen und wissenschaftlich tüchtigen
Juristen fleht sich auf der einen Seite von der Phalanx der Monopolir-
ten und andererseits von dem Heuschreckenschwärme der Winkler, deren
Gewerbe zu treiben sie zu stolz sind, in ihren Lebenswegen abgeschnitten.
Unsere jüngern Rechtsgelehrten müssen sich glücklich schätzen, wenn sie
bei einem jener monopolirten Fabrikherrn eine Anstellung erhalten und für
bis 6VV Fi. jährlich ihm zur Hand arbeiten, was er sich dann mir
eben so vielen Tausenden bezahlen laßt. Ich könnte eine Reihe der ta¬
lentvollsten und kenntnißreichsten jungen Doctoren des Rechts namhaft
machen, die, nachdem sie bis zu ihrem fünfundzwanzigsten Jahre die eif¬
rigsten Studien betrieben, endlich froh sind, in der Kanzlei eines Advocaten
eine Stelle zu erhalten, die sie geistig weit überragen, und dies für einen
Gehalt, mit welchem der geringste Handlungscommis sich kaum begnügen
würde. Dieses Proletariat unserer Justizgelehrten ist eine traurige Folge
jener wunderlichen, unzeitgemäßer Monopole, die nur Schaden und gar
keinen Nutzen schaffen, die den Verkehr beschränken, die Geschäfte erschweren
und das Publicum, zumal das minder bemittelte, aus eine grausame Weise
besteuern. Hier ist eine Reform ebenso nöthig wie in unsern gesammten
P Rechtszuständen überhaupt.


III.
Jordan's Geschichte der Insel Hapel.

Von Dr. Wilhelm Jordan in Leipzig, dessen jüngste Schicksale so
allgemeine Theilnahme erregten, ist soeben eine bedeutende historische Arbeit
erschienen: Geschichte der Insel Hapel und ihres Negerstaa¬
tes (Leipzig, Verlag von Will). Juranv). Der Verfasser, der bei seiner
schriftstellerischen Thätigkeit, insoweit sie dieAustände und das Gedankenleben
des gebildeten Europas betreffen, so bittere Erfahrungen machen mußte,
und einen Theil seiner Arbeiten jetzt im Gefängniß abbüßt, flüchtet sich
hier -- geistig wenigstens -- auf die fernen Antillen. "Hapel" -- sagt
er in der Vorrede -- "ist die verjüngte Bühne einer in vier Jahrhun¬
derten zusammengedrängten Weltgeschichte.

In vier Jahrhunderten sehen wir auf diesem paradiesischen Eiland,
dessen tropisch gewaltige Treibhauskraft auch in seiner Geschichte zu wal¬
ten, dessen vulkanische Natur auch seine Bewohner anzustecken scheint,
vier verschiedene Bevölkerungen nacheinander austreten und drei derselben
unter gräßlichen Kämpfen und unerhörten Greueln fast spurlos verschwinden.

Unter der Hand der Spanier verbluten die Eingeborenen; die Spa¬
nier müssen den Franzosen weichen; die Franzosen endlich, als der elek¬
trische Funke ihrer Revolution bis über den Ocean hinüberzuckt, den zum
Gefühl ihrer Menschheit erweckten Negern.

Weniger denn eine Million dieser rohen, durch keine Künste der
Cultur, sondern nur durch Rache und Freiheitsgefühl erstarkten Menschen¬
masse -- denn ein Volk darf man sie in dieser Zeit noch nicht nennen --


Beute. Die große Zahl unserer jungen und wissenschaftlich tüchtigen
Juristen fleht sich auf der einen Seite von der Phalanx der Monopolir-
ten und andererseits von dem Heuschreckenschwärme der Winkler, deren
Gewerbe zu treiben sie zu stolz sind, in ihren Lebenswegen abgeschnitten.
Unsere jüngern Rechtsgelehrten müssen sich glücklich schätzen, wenn sie
bei einem jener monopolirten Fabrikherrn eine Anstellung erhalten und für
bis 6VV Fi. jährlich ihm zur Hand arbeiten, was er sich dann mir
eben so vielen Tausenden bezahlen laßt. Ich könnte eine Reihe der ta¬
lentvollsten und kenntnißreichsten jungen Doctoren des Rechts namhaft
machen, die, nachdem sie bis zu ihrem fünfundzwanzigsten Jahre die eif¬
rigsten Studien betrieben, endlich froh sind, in der Kanzlei eines Advocaten
eine Stelle zu erhalten, die sie geistig weit überragen, und dies für einen
Gehalt, mit welchem der geringste Handlungscommis sich kaum begnügen
würde. Dieses Proletariat unserer Justizgelehrten ist eine traurige Folge
jener wunderlichen, unzeitgemäßer Monopole, die nur Schaden und gar
keinen Nutzen schaffen, die den Verkehr beschränken, die Geschäfte erschweren
und das Publicum, zumal das minder bemittelte, aus eine grausame Weise
besteuern. Hier ist eine Reform ebenso nöthig wie in unsern gesammten
P Rechtszuständen überhaupt.


III.
Jordan's Geschichte der Insel Hapel.

Von Dr. Wilhelm Jordan in Leipzig, dessen jüngste Schicksale so
allgemeine Theilnahme erregten, ist soeben eine bedeutende historische Arbeit
erschienen: Geschichte der Insel Hapel und ihres Negerstaa¬
tes (Leipzig, Verlag von Will). Juranv). Der Verfasser, der bei seiner
schriftstellerischen Thätigkeit, insoweit sie dieAustände und das Gedankenleben
des gebildeten Europas betreffen, so bittere Erfahrungen machen mußte,
und einen Theil seiner Arbeiten jetzt im Gefängniß abbüßt, flüchtet sich
hier — geistig wenigstens — auf die fernen Antillen. „Hapel" — sagt
er in der Vorrede — „ist die verjüngte Bühne einer in vier Jahrhun¬
derten zusammengedrängten Weltgeschichte.

In vier Jahrhunderten sehen wir auf diesem paradiesischen Eiland,
dessen tropisch gewaltige Treibhauskraft auch in seiner Geschichte zu wal¬
ten, dessen vulkanische Natur auch seine Bewohner anzustecken scheint,
vier verschiedene Bevölkerungen nacheinander austreten und drei derselben
unter gräßlichen Kämpfen und unerhörten Greueln fast spurlos verschwinden.

Unter der Hand der Spanier verbluten die Eingeborenen; die Spa¬
nier müssen den Franzosen weichen; die Franzosen endlich, als der elek¬
trische Funke ihrer Revolution bis über den Ocean hinüberzuckt, den zum
Gefühl ihrer Menschheit erweckten Negern.

Weniger denn eine Million dieser rohen, durch keine Künste der
Cultur, sondern nur durch Rache und Freiheitsgefühl erstarkten Menschen¬
masse — denn ein Volk darf man sie in dieser Zeit noch nicht nennen —


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[0177] Beute. Die große Zahl unserer jungen und wissenschaftlich tüchtigen Juristen fleht sich auf der einen Seite von der Phalanx der Monopolir- ten und andererseits von dem Heuschreckenschwärme der Winkler, deren Gewerbe zu treiben sie zu stolz sind, in ihren Lebenswegen abgeschnitten. Unsere jüngern Rechtsgelehrten müssen sich glücklich schätzen, wenn sie bei einem jener monopolirten Fabrikherrn eine Anstellung erhalten und für bis 6VV Fi. jährlich ihm zur Hand arbeiten, was er sich dann mir eben so vielen Tausenden bezahlen laßt. Ich könnte eine Reihe der ta¬ lentvollsten und kenntnißreichsten jungen Doctoren des Rechts namhaft machen, die, nachdem sie bis zu ihrem fünfundzwanzigsten Jahre die eif¬ rigsten Studien betrieben, endlich froh sind, in der Kanzlei eines Advocaten eine Stelle zu erhalten, die sie geistig weit überragen, und dies für einen Gehalt, mit welchem der geringste Handlungscommis sich kaum begnügen würde. Dieses Proletariat unserer Justizgelehrten ist eine traurige Folge jener wunderlichen, unzeitgemäßer Monopole, die nur Schaden und gar keinen Nutzen schaffen, die den Verkehr beschränken, die Geschäfte erschweren und das Publicum, zumal das minder bemittelte, aus eine grausame Weise besteuern. Hier ist eine Reform ebenso nöthig wie in unsern gesammten P Rechtszuständen überhaupt. III. Jordan's Geschichte der Insel Hapel. Von Dr. Wilhelm Jordan in Leipzig, dessen jüngste Schicksale so allgemeine Theilnahme erregten, ist soeben eine bedeutende historische Arbeit erschienen: Geschichte der Insel Hapel und ihres Negerstaa¬ tes (Leipzig, Verlag von Will). Juranv). Der Verfasser, der bei seiner schriftstellerischen Thätigkeit, insoweit sie dieAustände und das Gedankenleben des gebildeten Europas betreffen, so bittere Erfahrungen machen mußte, und einen Theil seiner Arbeiten jetzt im Gefängniß abbüßt, flüchtet sich hier — geistig wenigstens — auf die fernen Antillen. „Hapel" — sagt er in der Vorrede — „ist die verjüngte Bühne einer in vier Jahrhun¬ derten zusammengedrängten Weltgeschichte. In vier Jahrhunderten sehen wir auf diesem paradiesischen Eiland, dessen tropisch gewaltige Treibhauskraft auch in seiner Geschichte zu wal¬ ten, dessen vulkanische Natur auch seine Bewohner anzustecken scheint, vier verschiedene Bevölkerungen nacheinander austreten und drei derselben unter gräßlichen Kämpfen und unerhörten Greueln fast spurlos verschwinden. Unter der Hand der Spanier verbluten die Eingeborenen; die Spa¬ nier müssen den Franzosen weichen; die Franzosen endlich, als der elek¬ trische Funke ihrer Revolution bis über den Ocean hinüberzuckt, den zum Gefühl ihrer Menschheit erweckten Negern. Weniger denn eine Million dieser rohen, durch keine Künste der Cultur, sondern nur durch Rache und Freiheitsgefühl erstarkten Menschen¬ masse — denn ein Volk darf man sie in dieser Zeit noch nicht nennen —

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365123/177>, abgerufen am 23.07.2024.