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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. IV. Band.

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Maxen, als er so hinüberschaute, eine Frauengestalt zeige sich an dem
einen Fenster, aber in demselben Augenblick verschwand die momentane
Beleuchtung, und Alles lag wieder in gespensterhaften Dunkel. Die
Fenster des Schlosses glühten wieder, wie die leuchtenden Augen eines
Nachtvogels, der Wach rauschte ungesehen und geheimnißvoll in der
Tiefe, und das Försterhäuschen, ein Tropfen Milch auf den dunkeln
Wellen der Laubwaldung, war düster und unkenntlich.

"Wenn ihre Arme sich jetzt sehnend nach mir ausbreiteten!" flü¬
sterte der junge Waidmann, "sie ahnt vielleicht, daß ich sie verlassen!
Gibt es denn keinen Ausweg? Keinen? Ein Dämon hat mir seine
Höflingsdimste erwiesen, ein Teufel mischte die Karten, die Gelegen¬
heit mahnt und ich muß folgen! Aber wie? wenn ich den Zufall
von mir wiese, wenn ich mir selbst Aufschub verschaffte, wenn ich diese
Höllenlist mit List vereitelte? Es ist Selbstbetrug! Es ist Täuschung!
Verzeiht mir, ihr mahnenden Schatten, aber noch bin ich zu jung zu
dieser That!"

Rasch stand er auf, ein schwacher halbverschleierter Mondstrahl
fuhr über den nördlichen Theil des Thales, und zeigte noch einmal
das Försterhäuschen, einen sehnsüchtigen Blick warf der trübsinnige
Nachtwandler noch hinüber, dann eilte er mit kecken Sprüngen die
Thalwand hinab, und bald verbargen ihn ganz die breiten Stämme
der Eichen und Buchen.


III.

"Wißt ihr schon?" klang es aus Aller Munde, als Robert früh
am andern Morgen zu den versammelten Jägern trat.

"Was gibt es denn?" frug dieser, "Ihr seht Alle so verblüfft
und mißgestimmt drein."

"Fünfmal haben die Wächter in dieser Nacht eine Büchse knallen
hören", antwortete Einer, "unser Wild ist wahrscheinlich verscheucht
und über die Grenze geflohen."

"Dann ist es ja vorbei mit der Freude!" versetzte Robert ärger¬
lich, "und Se. Durchlaucht kann ""verrichteter Sache mit all' dem
Troß wieder abziehn."

"Freilich wird's nicht anders werden", antwortete ein alter Jä¬
gersmann, "es ist ein boshafter Streich, den man uns gespielt hat,
denn nur unsere Nachlässigkeit, wird es heißen, sei an Allem Schuld."


Maxen, als er so hinüberschaute, eine Frauengestalt zeige sich an dem
einen Fenster, aber in demselben Augenblick verschwand die momentane
Beleuchtung, und Alles lag wieder in gespensterhaften Dunkel. Die
Fenster des Schlosses glühten wieder, wie die leuchtenden Augen eines
Nachtvogels, der Wach rauschte ungesehen und geheimnißvoll in der
Tiefe, und das Försterhäuschen, ein Tropfen Milch auf den dunkeln
Wellen der Laubwaldung, war düster und unkenntlich.

„Wenn ihre Arme sich jetzt sehnend nach mir ausbreiteten!" flü¬
sterte der junge Waidmann, „sie ahnt vielleicht, daß ich sie verlassen!
Gibt es denn keinen Ausweg? Keinen? Ein Dämon hat mir seine
Höflingsdimste erwiesen, ein Teufel mischte die Karten, die Gelegen¬
heit mahnt und ich muß folgen! Aber wie? wenn ich den Zufall
von mir wiese, wenn ich mir selbst Aufschub verschaffte, wenn ich diese
Höllenlist mit List vereitelte? Es ist Selbstbetrug! Es ist Täuschung!
Verzeiht mir, ihr mahnenden Schatten, aber noch bin ich zu jung zu
dieser That!"

Rasch stand er auf, ein schwacher halbverschleierter Mondstrahl
fuhr über den nördlichen Theil des Thales, und zeigte noch einmal
das Försterhäuschen, einen sehnsüchtigen Blick warf der trübsinnige
Nachtwandler noch hinüber, dann eilte er mit kecken Sprüngen die
Thalwand hinab, und bald verbargen ihn ganz die breiten Stämme
der Eichen und Buchen.


III.

„Wißt ihr schon?" klang es aus Aller Munde, als Robert früh
am andern Morgen zu den versammelten Jägern trat.

„Was gibt es denn?" frug dieser, „Ihr seht Alle so verblüfft
und mißgestimmt drein."

„Fünfmal haben die Wächter in dieser Nacht eine Büchse knallen
hören", antwortete Einer, „unser Wild ist wahrscheinlich verscheucht
und über die Grenze geflohen."

„Dann ist es ja vorbei mit der Freude!" versetzte Robert ärger¬
lich, „und Se. Durchlaucht kann «„verrichteter Sache mit all' dem
Troß wieder abziehn."

„Freilich wird's nicht anders werden", antwortete ein alter Jä¬
gersmann, „es ist ein boshafter Streich, den man uns gespielt hat,
denn nur unsere Nachlässigkeit, wird es heißen, sei an Allem Schuld."


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[0166] Maxen, als er so hinüberschaute, eine Frauengestalt zeige sich an dem einen Fenster, aber in demselben Augenblick verschwand die momentane Beleuchtung, und Alles lag wieder in gespensterhaften Dunkel. Die Fenster des Schlosses glühten wieder, wie die leuchtenden Augen eines Nachtvogels, der Wach rauschte ungesehen und geheimnißvoll in der Tiefe, und das Försterhäuschen, ein Tropfen Milch auf den dunkeln Wellen der Laubwaldung, war düster und unkenntlich. „Wenn ihre Arme sich jetzt sehnend nach mir ausbreiteten!" flü¬ sterte der junge Waidmann, „sie ahnt vielleicht, daß ich sie verlassen! Gibt es denn keinen Ausweg? Keinen? Ein Dämon hat mir seine Höflingsdimste erwiesen, ein Teufel mischte die Karten, die Gelegen¬ heit mahnt und ich muß folgen! Aber wie? wenn ich den Zufall von mir wiese, wenn ich mir selbst Aufschub verschaffte, wenn ich diese Höllenlist mit List vereitelte? Es ist Selbstbetrug! Es ist Täuschung! Verzeiht mir, ihr mahnenden Schatten, aber noch bin ich zu jung zu dieser That!" Rasch stand er auf, ein schwacher halbverschleierter Mondstrahl fuhr über den nördlichen Theil des Thales, und zeigte noch einmal das Försterhäuschen, einen sehnsüchtigen Blick warf der trübsinnige Nachtwandler noch hinüber, dann eilte er mit kecken Sprüngen die Thalwand hinab, und bald verbargen ihn ganz die breiten Stämme der Eichen und Buchen. III. „Wißt ihr schon?" klang es aus Aller Munde, als Robert früh am andern Morgen zu den versammelten Jägern trat. „Was gibt es denn?" frug dieser, „Ihr seht Alle so verblüfft und mißgestimmt drein." „Fünfmal haben die Wächter in dieser Nacht eine Büchse knallen hören", antwortete Einer, „unser Wild ist wahrscheinlich verscheucht und über die Grenze geflohen." „Dann ist es ja vorbei mit der Freude!" versetzte Robert ärger¬ lich, „und Se. Durchlaucht kann «„verrichteter Sache mit all' dem Troß wieder abziehn." „Freilich wird's nicht anders werden", antwortete ein alter Jä¬ gersmann, „es ist ein boshafter Streich, den man uns gespielt hat, denn nur unsere Nachlässigkeit, wird es heißen, sei an Allem Schuld."

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. IV. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365123/166>, abgerufen am 23.07.2024.