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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. II. Band.

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und historische Romane. Aber wie kann man in Etvöoö Englisch >
lernen? Das Latein würde mich sehr amüsiren, denn ich finde es
ungerecht, daß die Männer allein es verstehen sollen. Hier gibt es
sogar Bauern, die Latein sprechen. Ich habe Lust, mir von meinem
Kaviar darin Unterricht geben zu lassen. Vielleicht nehme ich ungari¬
sche Stunden bei ihm. Ich schäme mich doch, auf den Gütern mei¬
nes Mannes kein Wort von der Landessprache zu verstehen, als Ma¬
gyar - einbre.


Zweiter Brief.
Dieselbe em Dieselbe.

Dn wunderst Dich umsonst, die Zeit vergeht schneller, als Du
glaubst, schneller, als ich selbst geglaubt hätte. Was meinen Muth
besonders aufrecht erhält, ist die Schwäche meines Herrn und Mei¬
sters. Die Männer stehen so tief unter uns! Er ist von einer Nie¬
dergeschlagenheit, die alles Maß überschreitet. Er steht so spät als
möglich auf, reitet aus, geht auf die Jagd, oder macht Besuche bei
den langweiligsten Leuten, bei dem Stuhlrichter und derlei Menschen,
die in der Stadt, d. h. 4 Meilen weit von hier, wohnen. Vor acht
Tagen hat er die Geheimnisse von Paris zu lesen angefangen, und
ist noch beim ersten Bande. "Es ist besser, sich selbst loben, als von
Andern Böses sprechen," ist Dein Sprichwort. Ich will daher von
ihm aufhören, um Dir von mir zu sprechen. Die Landluft thut mir
sehr wohl. Ich befinde mich vortrefflich, und wenn ich mich in mei¬
nem Spiegel betrachte, möchte ich mir nicht dreißig Jahre geben; auch
gehe ich viel spazieren. Gestern habe ich es dahin gebracht, daß
Heinrich mit mir längs der Donau spazieren ging. Während er an¬
gelte, las ich den Gesang der Piraten im "Giaur." Vor einem Strom
wie die Donau scheinen diese schönen Verse noch schöner. Die Do-
nau ist zwar kein Meer, aber sie hat ihre Poesie wie jedes große Ge¬
wässer. Weißt Du. was ich an Lord Byron bewundere? daß er die
Natur versteht! Er spricht nicht vom Meer, weil er Hummern und
Austern gegessen hat. Er ist zu Schiffe gewesen, er hat Stürme ge¬
sehen. Alle seine Schilderungen sind Daguerreotype. Während ich
lesend und bewundernd spazieren ging, suchte mich der Pater Buko-
wizka auf -- ich weiß nicht, ob ich Dir schon von diesem Pater,


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und historische Romane. Aber wie kann man in Etvöoö Englisch >
lernen? Das Latein würde mich sehr amüsiren, denn ich finde es
ungerecht, daß die Männer allein es verstehen sollen. Hier gibt es
sogar Bauern, die Latein sprechen. Ich habe Lust, mir von meinem
Kaviar darin Unterricht geben zu lassen. Vielleicht nehme ich ungari¬
sche Stunden bei ihm. Ich schäme mich doch, auf den Gütern mei¬
nes Mannes kein Wort von der Landessprache zu verstehen, als Ma¬
gyar - einbre.


Zweiter Brief.
Dieselbe em Dieselbe.

Dn wunderst Dich umsonst, die Zeit vergeht schneller, als Du
glaubst, schneller, als ich selbst geglaubt hätte. Was meinen Muth
besonders aufrecht erhält, ist die Schwäche meines Herrn und Mei¬
sters. Die Männer stehen so tief unter uns! Er ist von einer Nie¬
dergeschlagenheit, die alles Maß überschreitet. Er steht so spät als
möglich auf, reitet aus, geht auf die Jagd, oder macht Besuche bei
den langweiligsten Leuten, bei dem Stuhlrichter und derlei Menschen,
die in der Stadt, d. h. 4 Meilen weit von hier, wohnen. Vor acht
Tagen hat er die Geheimnisse von Paris zu lesen angefangen, und
ist noch beim ersten Bande. „Es ist besser, sich selbst loben, als von
Andern Böses sprechen," ist Dein Sprichwort. Ich will daher von
ihm aufhören, um Dir von mir zu sprechen. Die Landluft thut mir
sehr wohl. Ich befinde mich vortrefflich, und wenn ich mich in mei¬
nem Spiegel betrachte, möchte ich mir nicht dreißig Jahre geben; auch
gehe ich viel spazieren. Gestern habe ich es dahin gebracht, daß
Heinrich mit mir längs der Donau spazieren ging. Während er an¬
gelte, las ich den Gesang der Piraten im „Giaur." Vor einem Strom
wie die Donau scheinen diese schönen Verse noch schöner. Die Do-
nau ist zwar kein Meer, aber sie hat ihre Poesie wie jedes große Ge¬
wässer. Weißt Du. was ich an Lord Byron bewundere? daß er die
Natur versteht! Er spricht nicht vom Meer, weil er Hummern und
Austern gegessen hat. Er ist zu Schiffe gewesen, er hat Stürme ge¬
sehen. Alle seine Schilderungen sind Daguerreotype. Während ich
lesend und bewundernd spazieren ging, suchte mich der Pater Buko-
wizka auf — ich weiß nicht, ob ich Dir schon von diesem Pater,


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[0463] und historische Romane. Aber wie kann man in Etvöoö Englisch > lernen? Das Latein würde mich sehr amüsiren, denn ich finde es ungerecht, daß die Männer allein es verstehen sollen. Hier gibt es sogar Bauern, die Latein sprechen. Ich habe Lust, mir von meinem Kaviar darin Unterricht geben zu lassen. Vielleicht nehme ich ungari¬ sche Stunden bei ihm. Ich schäme mich doch, auf den Gütern mei¬ nes Mannes kein Wort von der Landessprache zu verstehen, als Ma¬ gyar - einbre. Zweiter Brief. Dieselbe em Dieselbe. Dn wunderst Dich umsonst, die Zeit vergeht schneller, als Du glaubst, schneller, als ich selbst geglaubt hätte. Was meinen Muth besonders aufrecht erhält, ist die Schwäche meines Herrn und Mei¬ sters. Die Männer stehen so tief unter uns! Er ist von einer Nie¬ dergeschlagenheit, die alles Maß überschreitet. Er steht so spät als möglich auf, reitet aus, geht auf die Jagd, oder macht Besuche bei den langweiligsten Leuten, bei dem Stuhlrichter und derlei Menschen, die in der Stadt, d. h. 4 Meilen weit von hier, wohnen. Vor acht Tagen hat er die Geheimnisse von Paris zu lesen angefangen, und ist noch beim ersten Bande. „Es ist besser, sich selbst loben, als von Andern Böses sprechen," ist Dein Sprichwort. Ich will daher von ihm aufhören, um Dir von mir zu sprechen. Die Landluft thut mir sehr wohl. Ich befinde mich vortrefflich, und wenn ich mich in mei¬ nem Spiegel betrachte, möchte ich mir nicht dreißig Jahre geben; auch gehe ich viel spazieren. Gestern habe ich es dahin gebracht, daß Heinrich mit mir längs der Donau spazieren ging. Während er an¬ gelte, las ich den Gesang der Piraten im „Giaur." Vor einem Strom wie die Donau scheinen diese schönen Verse noch schöner. Die Do- nau ist zwar kein Meer, aber sie hat ihre Poesie wie jedes große Ge¬ wässer. Weißt Du. was ich an Lord Byron bewundere? daß er die Natur versteht! Er spricht nicht vom Meer, weil er Hummern und Austern gegessen hat. Er ist zu Schiffe gewesen, er hat Stürme ge¬ sehen. Alle seine Schilderungen sind Daguerreotype. Während ich lesend und bewundernd spazieren ging, suchte mich der Pater Buko- wizka auf — ich weiß nicht, ob ich Dir schon von diesem Pater, 58-i- ,

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365120/463>, abgerufen am 24.11.2024.