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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. II. Band.

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nen von der Pike, das heißt vom Klingelbeutel auf, bis sie alt, das
heißt wieder "Oberalten" werden und nun erst diejenigen sind, welche die
Bürgerschaft zunächst gegen den Senat zu vertreten haben.

Eigentlich aber ist es auch sehr schwer, über Hamburg etwas Bestimm¬
tes und Treffendes zu sagen, wenn man nicht ganze Bände full.>n will.
Hamburg ist ein Chamäleon, es spielt in allen Farben, es ist nichts
festgestellt und ausgeprägt, es steht eigentlich nichts in Harmonie mit
deutschen Zuständen und Verhältnissen. Hamburg leidet unter den
überseeischen, besonders englischen Einflüssn, und der.'Publicist leid t mit
ihm. Wo soll man hier die Farben zu einem deutschen Gemälde, die
Gesinnung zu einer deutschen Charakteristik hernehmen? Hamburg würde
aufhören, Hamburg zu sein, wenn es ganz und gar eine deutsche
Stadt sein wollte. Hamburg liegt jenseits der Elbe, darin liegt
zum Theil auch seine Entschuldigung; es ist eine zu kolossale Masse ge¬
gen Holstein, es imponirt sich selbst zu sehr, es fühlt sich selbst zurück¬
gestoßen und auf sich beschränkt durch seine compacte, eingeborne Größe
als Stadt für sich, darin liegt eine zweite und größere Entschuldigung.
Wie also Hamburg erklären? Wie es panoramenartig beschreiben nach
seinen Zustanden, da es Land und Stadt, Negierende und Negierte zu¬
gleich ist? Eben aus diesem Grunde gibt es auch keine Stadt in der
Welt, über die in ihren eigenen Mauern so viel geschrieben worden ist,
als Hamburg. Wie schon bemerkt, hatte Hamburg für den Hamburger
selbst immer das größte Interesse. Er dachte sich als Republikaner,
wenn er es auch nicht war; Hamburg über Alles! und einen deut¬
schen Patriotismus, der über diesen ginge, gibt es nicht. Ich sage,
es gibt eine ganze Bibliothek über Hamburg, es gibt historische, sta¬
tistische, topographische, juristische Werke in großer Zahl, die sich alle nur
auf Hamburg beziehen und in denen von einem allgemeinen deutschen
Zusammenhange kaum eine Spur ist! Ja, man könnte sagen, allein die
Hamburger Gesetze, Mandate und Verordnungen füllen ein Repositorium.
Wie da nun sich durchfinden, um dem Fremden eine Idee von Hamburg,
seinen Zuständen und Verhältnissen, seinem staatlichen und intelligenten
Charakter geben. Es ist ja Alles separatisirt, absolut für sich bestehend,
in sich ausgebildet und mit sich selbst abgeschlossen!

Doch -- ich will versuchen, was sich thun läßt, ich will über den
mastenreichcn Hafen, über das -- ganz scheinlose, winzige Baum¬
haus, eine Art Gasthaus für Schiffscapitäne, über den Tanzsalon voll
Phrynen unter der Firma "Peter Ahrens," über die gewöhnliche flache
Sphäre der "Hamburger Skizzen" und "Hamburger Briefe," oder
"Hamburger Genrebilder" zusammenfassen und hinstellen, so viel sich zu¬
sammenfassen und hinstellen läßt in gedrängten Uebersichten und Klassi¬
fikationen.

Der Senat.

Dazu rechne ich hier die vier Bürgermeister, vier Syndici und
vierundzwanzig Senatoren. Da jeder Senator auch zugleich ein Beam¬
ter ist oder ein städtisches Amt verwaltet, so wird man aus der obigen


"Sttvzbot"", es40. it. 22

nen von der Pike, das heißt vom Klingelbeutel auf, bis sie alt, das
heißt wieder „Oberalten" werden und nun erst diejenigen sind, welche die
Bürgerschaft zunächst gegen den Senat zu vertreten haben.

Eigentlich aber ist es auch sehr schwer, über Hamburg etwas Bestimm¬
tes und Treffendes zu sagen, wenn man nicht ganze Bände full.>n will.
Hamburg ist ein Chamäleon, es spielt in allen Farben, es ist nichts
festgestellt und ausgeprägt, es steht eigentlich nichts in Harmonie mit
deutschen Zuständen und Verhältnissen. Hamburg leidet unter den
überseeischen, besonders englischen Einflüssn, und der.'Publicist leid t mit
ihm. Wo soll man hier die Farben zu einem deutschen Gemälde, die
Gesinnung zu einer deutschen Charakteristik hernehmen? Hamburg würde
aufhören, Hamburg zu sein, wenn es ganz und gar eine deutsche
Stadt sein wollte. Hamburg liegt jenseits der Elbe, darin liegt
zum Theil auch seine Entschuldigung; es ist eine zu kolossale Masse ge¬
gen Holstein, es imponirt sich selbst zu sehr, es fühlt sich selbst zurück¬
gestoßen und auf sich beschränkt durch seine compacte, eingeborne Größe
als Stadt für sich, darin liegt eine zweite und größere Entschuldigung.
Wie also Hamburg erklären? Wie es panoramenartig beschreiben nach
seinen Zustanden, da es Land und Stadt, Negierende und Negierte zu¬
gleich ist? Eben aus diesem Grunde gibt es auch keine Stadt in der
Welt, über die in ihren eigenen Mauern so viel geschrieben worden ist,
als Hamburg. Wie schon bemerkt, hatte Hamburg für den Hamburger
selbst immer das größte Interesse. Er dachte sich als Republikaner,
wenn er es auch nicht war; Hamburg über Alles! und einen deut¬
schen Patriotismus, der über diesen ginge, gibt es nicht. Ich sage,
es gibt eine ganze Bibliothek über Hamburg, es gibt historische, sta¬
tistische, topographische, juristische Werke in großer Zahl, die sich alle nur
auf Hamburg beziehen und in denen von einem allgemeinen deutschen
Zusammenhange kaum eine Spur ist! Ja, man könnte sagen, allein die
Hamburger Gesetze, Mandate und Verordnungen füllen ein Repositorium.
Wie da nun sich durchfinden, um dem Fremden eine Idee von Hamburg,
seinen Zuständen und Verhältnissen, seinem staatlichen und intelligenten
Charakter geben. Es ist ja Alles separatisirt, absolut für sich bestehend,
in sich ausgebildet und mit sich selbst abgeschlossen!

Doch — ich will versuchen, was sich thun läßt, ich will über den
mastenreichcn Hafen, über das — ganz scheinlose, winzige Baum¬
haus, eine Art Gasthaus für Schiffscapitäne, über den Tanzsalon voll
Phrynen unter der Firma „Peter Ahrens," über die gewöhnliche flache
Sphäre der „Hamburger Skizzen" und „Hamburger Briefe," oder
„Hamburger Genrebilder" zusammenfassen und hinstellen, so viel sich zu¬
sammenfassen und hinstellen läßt in gedrängten Uebersichten und Klassi¬
fikationen.

Der Senat.

Dazu rechne ich hier die vier Bürgermeister, vier Syndici und
vierundzwanzig Senatoren. Da jeder Senator auch zugleich ein Beam¬
ter ist oder ein städtisches Amt verwaltet, so wird man aus der obigen


«Sttvzbot«», es40. it. 22
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[0181] nen von der Pike, das heißt vom Klingelbeutel auf, bis sie alt, das heißt wieder „Oberalten" werden und nun erst diejenigen sind, welche die Bürgerschaft zunächst gegen den Senat zu vertreten haben. Eigentlich aber ist es auch sehr schwer, über Hamburg etwas Bestimm¬ tes und Treffendes zu sagen, wenn man nicht ganze Bände full.>n will. Hamburg ist ein Chamäleon, es spielt in allen Farben, es ist nichts festgestellt und ausgeprägt, es steht eigentlich nichts in Harmonie mit deutschen Zuständen und Verhältnissen. Hamburg leidet unter den überseeischen, besonders englischen Einflüssn, und der.'Publicist leid t mit ihm. Wo soll man hier die Farben zu einem deutschen Gemälde, die Gesinnung zu einer deutschen Charakteristik hernehmen? Hamburg würde aufhören, Hamburg zu sein, wenn es ganz und gar eine deutsche Stadt sein wollte. Hamburg liegt jenseits der Elbe, darin liegt zum Theil auch seine Entschuldigung; es ist eine zu kolossale Masse ge¬ gen Holstein, es imponirt sich selbst zu sehr, es fühlt sich selbst zurück¬ gestoßen und auf sich beschränkt durch seine compacte, eingeborne Größe als Stadt für sich, darin liegt eine zweite und größere Entschuldigung. Wie also Hamburg erklären? Wie es panoramenartig beschreiben nach seinen Zustanden, da es Land und Stadt, Negierende und Negierte zu¬ gleich ist? Eben aus diesem Grunde gibt es auch keine Stadt in der Welt, über die in ihren eigenen Mauern so viel geschrieben worden ist, als Hamburg. Wie schon bemerkt, hatte Hamburg für den Hamburger selbst immer das größte Interesse. Er dachte sich als Republikaner, wenn er es auch nicht war; Hamburg über Alles! und einen deut¬ schen Patriotismus, der über diesen ginge, gibt es nicht. Ich sage, es gibt eine ganze Bibliothek über Hamburg, es gibt historische, sta¬ tistische, topographische, juristische Werke in großer Zahl, die sich alle nur auf Hamburg beziehen und in denen von einem allgemeinen deutschen Zusammenhange kaum eine Spur ist! Ja, man könnte sagen, allein die Hamburger Gesetze, Mandate und Verordnungen füllen ein Repositorium. Wie da nun sich durchfinden, um dem Fremden eine Idee von Hamburg, seinen Zuständen und Verhältnissen, seinem staatlichen und intelligenten Charakter geben. Es ist ja Alles separatisirt, absolut für sich bestehend, in sich ausgebildet und mit sich selbst abgeschlossen! Doch — ich will versuchen, was sich thun läßt, ich will über den mastenreichcn Hafen, über das — ganz scheinlose, winzige Baum¬ haus, eine Art Gasthaus für Schiffscapitäne, über den Tanzsalon voll Phrynen unter der Firma „Peter Ahrens," über die gewöhnliche flache Sphäre der „Hamburger Skizzen" und „Hamburger Briefe," oder „Hamburger Genrebilder" zusammenfassen und hinstellen, so viel sich zu¬ sammenfassen und hinstellen läßt in gedrängten Uebersichten und Klassi¬ fikationen. Der Senat. Dazu rechne ich hier die vier Bürgermeister, vier Syndici und vierundzwanzig Senatoren. Da jeder Senator auch zugleich ein Beam¬ ter ist oder ein städtisches Amt verwaltet, so wird man aus der obigen «Sttvzbot«», es40. it. 22

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_365120/181>, abgerufen am 24.11.2024.