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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band.

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IV.
Notizen.

Bulwer's Speculationsgeist. -- Wie man Programme stylisiren muß. -- Gustav
Heckenast.

Nach dem neuen Vertrage zwischen England und Preußen in Be¬
zug auf das internationale Verlagsrecht, steht es jedem englischen Autor
zu, gleichzeitig mit seinem Original eine deutsche Uebersetzung erscheinen
zu lassen, deren Verlagsrecht ihm auf zwei Jahre zugesichert ist -- wenn
nicht eine andere Buchhandlung ihm mit der Uebersetzung zuvorgekommen
ist. Wie rasch die Engländer zur Hand sind, wo es gilt, einen Vertrag
auszubeuten, davon liefert die Thatsache einen Beweis, daß Bulwer sich
bereits an die Dunker'sehe Buchhandlung in Berlin gewendet hat, um
ihr den Verlag einer Uebersetzung seines neuesten, noch im Manuskripte
sich befindenden Romans anzubieten. --

In Frankreich debattirt man über Thronreden, wir im bescheidenen
Deutschland müssen uns mit Debatten über Zeitungsprogramme und
Probenummern beschränken. Eine solche Debatte hat die eben erschienene
Probenummer der "Berliner Aeirungshatte" von Gustav Julius erregt.
Man streitet über die Richtung, welches das neue Blatt einschlagen wird,
tadelt die RückHaltung, die im Programm vorherrscht und vergißt es, daß
unter preußischer und zumal unter Berliner Censur grade das Klügst"
ist, wenn es wie eine englische Thronrede so wenig als möglich sagt.
Das Publicum ist so oft schon von Programmversprechungen getäuscht
worden, daß ein ehrlicher Mann sich eigentlich schämen muß derlei Quack.
salberhilfsmittel als Köder auszuwerfen. Wenn ich heute ein Journa!
begründen sollte, so würde ich meine Thronrede, mein Programm folgen¬
der Gestalt stylisiren: Mylords und Herren! Am Anfang schuf Gott
Himmel und Erde. Sechs mal sechs ist sechsunddreißig. Zwanzig Buch
Papier machen ein Rieß; zehn Rieß machen einen Ballen. Morgen¬
stunde hat Gold im Munde. Wer drei Mal hintereinander alle -Neune
schiebt, gilt gewöhnlich als ein guter Spieler. Schelling lebt gegenwär¬
tig in Berlin. An Dionvs dem Tyrannen schlich Möros den Dolch im
Gewände. Und der Herr redete mit Mose und sprach: Ihr sollt kein
Fett essen von Ochsen, Lämmern und Ziegen. Der siebenjährige Krieg
zeichnete sich darin vor dem dreißigjährigen aus, daß er um 23 Jahre
kürzer dauerte. -- Mylords und Herren, nachdem ich Ihnen diese Prin¬
cipien auseinander gesetzt, welche meine Zeitung stets unerschütterlich
verfechten wird, bleibt mir die volle Satisfaction, daß der Pränumerati-
ons-Preis für den Semester nur 3 Thaler ist. Bestellungen nehmen
alle löbl- Postämter und Buchhandlungen an. Mylords und Herren:
Die Zeitung ist eröffnet.


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IV.
Notizen.

Bulwer's Speculationsgeist. — Wie man Programme stylisiren muß. — Gustav
Heckenast.

Nach dem neuen Vertrage zwischen England und Preußen in Be¬
zug auf das internationale Verlagsrecht, steht es jedem englischen Autor
zu, gleichzeitig mit seinem Original eine deutsche Uebersetzung erscheinen
zu lassen, deren Verlagsrecht ihm auf zwei Jahre zugesichert ist — wenn
nicht eine andere Buchhandlung ihm mit der Uebersetzung zuvorgekommen
ist. Wie rasch die Engländer zur Hand sind, wo es gilt, einen Vertrag
auszubeuten, davon liefert die Thatsache einen Beweis, daß Bulwer sich
bereits an die Dunker'sehe Buchhandlung in Berlin gewendet hat, um
ihr den Verlag einer Uebersetzung seines neuesten, noch im Manuskripte
sich befindenden Romans anzubieten. —

In Frankreich debattirt man über Thronreden, wir im bescheidenen
Deutschland müssen uns mit Debatten über Zeitungsprogramme und
Probenummern beschränken. Eine solche Debatte hat die eben erschienene
Probenummer der „Berliner Aeirungshatte" von Gustav Julius erregt.
Man streitet über die Richtung, welches das neue Blatt einschlagen wird,
tadelt die RückHaltung, die im Programm vorherrscht und vergißt es, daß
unter preußischer und zumal unter Berliner Censur grade das Klügst«
ist, wenn es wie eine englische Thronrede so wenig als möglich sagt.
Das Publicum ist so oft schon von Programmversprechungen getäuscht
worden, daß ein ehrlicher Mann sich eigentlich schämen muß derlei Quack.
salberhilfsmittel als Köder auszuwerfen. Wenn ich heute ein Journa!
begründen sollte, so würde ich meine Thronrede, mein Programm folgen¬
der Gestalt stylisiren: Mylords und Herren! Am Anfang schuf Gott
Himmel und Erde. Sechs mal sechs ist sechsunddreißig. Zwanzig Buch
Papier machen ein Rieß; zehn Rieß machen einen Ballen. Morgen¬
stunde hat Gold im Munde. Wer drei Mal hintereinander alle -Neune
schiebt, gilt gewöhnlich als ein guter Spieler. Schelling lebt gegenwär¬
tig in Berlin. An Dionvs dem Tyrannen schlich Möros den Dolch im
Gewände. Und der Herr redete mit Mose und sprach: Ihr sollt kein
Fett essen von Ochsen, Lämmern und Ziegen. Der siebenjährige Krieg
zeichnete sich darin vor dem dreißigjährigen aus, daß er um 23 Jahre
kürzer dauerte. — Mylords und Herren, nachdem ich Ihnen diese Prin¬
cipien auseinander gesetzt, welche meine Zeitung stets unerschütterlich
verfechten wird, bleibt mir die volle Satisfaction, daß der Pränumerati-
ons-Preis für den Semester nur 3 Thaler ist. Bestellungen nehmen
alle löbl- Postämter und Buchhandlungen an. Mylords und Herren:
Die Zeitung ist eröffnet.


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[0515] IV. Notizen. Bulwer's Speculationsgeist. — Wie man Programme stylisiren muß. — Gustav Heckenast. Nach dem neuen Vertrage zwischen England und Preußen in Be¬ zug auf das internationale Verlagsrecht, steht es jedem englischen Autor zu, gleichzeitig mit seinem Original eine deutsche Uebersetzung erscheinen zu lassen, deren Verlagsrecht ihm auf zwei Jahre zugesichert ist — wenn nicht eine andere Buchhandlung ihm mit der Uebersetzung zuvorgekommen ist. Wie rasch die Engländer zur Hand sind, wo es gilt, einen Vertrag auszubeuten, davon liefert die Thatsache einen Beweis, daß Bulwer sich bereits an die Dunker'sehe Buchhandlung in Berlin gewendet hat, um ihr den Verlag einer Uebersetzung seines neuesten, noch im Manuskripte sich befindenden Romans anzubieten. — In Frankreich debattirt man über Thronreden, wir im bescheidenen Deutschland müssen uns mit Debatten über Zeitungsprogramme und Probenummern beschränken. Eine solche Debatte hat die eben erschienene Probenummer der „Berliner Aeirungshatte" von Gustav Julius erregt. Man streitet über die Richtung, welches das neue Blatt einschlagen wird, tadelt die RückHaltung, die im Programm vorherrscht und vergißt es, daß unter preußischer und zumal unter Berliner Censur grade das Klügst« ist, wenn es wie eine englische Thronrede so wenig als möglich sagt. Das Publicum ist so oft schon von Programmversprechungen getäuscht worden, daß ein ehrlicher Mann sich eigentlich schämen muß derlei Quack. salberhilfsmittel als Köder auszuwerfen. Wenn ich heute ein Journa! begründen sollte, so würde ich meine Thronrede, mein Programm folgen¬ der Gestalt stylisiren: Mylords und Herren! Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde. Sechs mal sechs ist sechsunddreißig. Zwanzig Buch Papier machen ein Rieß; zehn Rieß machen einen Ballen. Morgen¬ stunde hat Gold im Munde. Wer drei Mal hintereinander alle -Neune schiebt, gilt gewöhnlich als ein guter Spieler. Schelling lebt gegenwär¬ tig in Berlin. An Dionvs dem Tyrannen schlich Möros den Dolch im Gewände. Und der Herr redete mit Mose und sprach: Ihr sollt kein Fett essen von Ochsen, Lämmern und Ziegen. Der siebenjährige Krieg zeichnete sich darin vor dem dreißigjährigen aus, daß er um 23 Jahre kürzer dauerte. — Mylords und Herren, nachdem ich Ihnen diese Prin¬ cipien auseinander gesetzt, welche meine Zeitung stets unerschütterlich verfechten wird, bleibt mir die volle Satisfaction, daß der Pränumerati- ons-Preis für den Semester nur 3 Thaler ist. Bestellungen nehmen alle löbl- Postämter und Buchhandlungen an. Mylords und Herren: Die Zeitung ist eröffnet. 68-i-

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_183020/515>, abgerufen am 04.07.2024.