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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band.

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der dieselben Verlegenheiten, welche sie stets erfahren hat, wenn die
Geistlichkeit zu zahlreich, zu wohlhabend und zu selbstständig wurde.
Siege auch die weltliche Macht über diese geistliche, so ist jeder solcher
Sieg in einer andern wichtigen Rücksicht eine tödtliche Niederlage. Die
Geschichte ist Zeuge. Wachsende Demoralisirung des Volkes, und Ideen
des Umsturzes, wie wir sie überall finden, wo durch die Reaction der
weltlichen Gewalt geistliches Uebergewicht gebrochen werden mußte, sind
die naturnothwendigen verderblichen Folgen der Störung des Gleichge¬
wichts kirchlich hierarchischen und politischen Strebens.


IV.
Notiz e l>.

Mehrere Zeitungen enthalten folgende Notiz aus Wien: "In der noch
immer bestehenden Versammlung hiesiger Redacteure ist eine Art Ana-
them gegen den Redacteur der Grenzboten ausgesprochen worden, der ob¬
wohl ein geborener Oesterreicher und der Verhältnisse kundig, sich gegen
die bekannte Erklärung in scharfen Worten habe vernehmen lassen." ^
Ein Anathem von Zeitungscardinälen ist in der Kirchengeschichte etwas
so nagelneues, daß wir nicht wissen, was wir davon denken sollen. Ist
damit das Leben des in die Acht Erklärten verfallen? Wird für die
Einlieferung desselben nach bekanntem Muster ein Preis von 5--10 Fi.
ausgezahlt? Darf er nach seinem Tode ein ehrliches Begräbnis) hoffen?
Oder muß er, wie der arme Kaiser Heinrich, nach Canossa oder nach
Hitzing und Döbling wallfahren, um einem heiligen Aeitungsvater den
Pantoffel zu küssen und von seiner Mathilois Fürsprache zu erbetteln?
Aber unter zwölf Redacteuren, unter zwölf Aposteln wird es ihm ja un¬
möglich den eigentlichen Stellvertreter Christi zu finden? Wer ist Gre¬
gor VII? Wer führt den Fischerring Petri? Ist es der heilige Ludwig,
der so eben erhalten hat einen kaiserlichen Brillantenring für sein Epos
Don Juan (Druck und Verlag von I. I. Weber in Leipzig) Ist es
der heilige Bernhard (Druck und Verlag der Gselischen Erben)? Ist es
der heilige Johannes Nepomuck, der da steht auf der ewigen BaUaden-
brust? Da der unglückliche Geächtete bis zu dieser Stunde ohne alle
nähere Nachricht ist über den Blitz, der ihn getroffen, so glaubt er zur
Ehre des gesunden Menschenverstandes seiner Landsleute und College" in
Wien annehmen zu dürfen, daß jene Notiz eine Uebertreibung ist, eine
Zeitungsente, die über die Donau geschwommen und die als Enterich wie¬
der heimkehren wird. --




Verlag von Fr. Ludw. Herbig. -- Redacteur I. Kuvanda.
Druck von Friedrich AndrÄ.

der dieselben Verlegenheiten, welche sie stets erfahren hat, wenn die
Geistlichkeit zu zahlreich, zu wohlhabend und zu selbstständig wurde.
Siege auch die weltliche Macht über diese geistliche, so ist jeder solcher
Sieg in einer andern wichtigen Rücksicht eine tödtliche Niederlage. Die
Geschichte ist Zeuge. Wachsende Demoralisirung des Volkes, und Ideen
des Umsturzes, wie wir sie überall finden, wo durch die Reaction der
weltlichen Gewalt geistliches Uebergewicht gebrochen werden mußte, sind
die naturnothwendigen verderblichen Folgen der Störung des Gleichge¬
wichts kirchlich hierarchischen und politischen Strebens.


IV.
Notiz e l>.

Mehrere Zeitungen enthalten folgende Notiz aus Wien: „In der noch
immer bestehenden Versammlung hiesiger Redacteure ist eine Art Ana-
them gegen den Redacteur der Grenzboten ausgesprochen worden, der ob¬
wohl ein geborener Oesterreicher und der Verhältnisse kundig, sich gegen
die bekannte Erklärung in scharfen Worten habe vernehmen lassen." ^
Ein Anathem von Zeitungscardinälen ist in der Kirchengeschichte etwas
so nagelneues, daß wir nicht wissen, was wir davon denken sollen. Ist
damit das Leben des in die Acht Erklärten verfallen? Wird für die
Einlieferung desselben nach bekanntem Muster ein Preis von 5—10 Fi.
ausgezahlt? Darf er nach seinem Tode ein ehrliches Begräbnis) hoffen?
Oder muß er, wie der arme Kaiser Heinrich, nach Canossa oder nach
Hitzing und Döbling wallfahren, um einem heiligen Aeitungsvater den
Pantoffel zu küssen und von seiner Mathilois Fürsprache zu erbetteln?
Aber unter zwölf Redacteuren, unter zwölf Aposteln wird es ihm ja un¬
möglich den eigentlichen Stellvertreter Christi zu finden? Wer ist Gre¬
gor VII? Wer führt den Fischerring Petri? Ist es der heilige Ludwig,
der so eben erhalten hat einen kaiserlichen Brillantenring für sein Epos
Don Juan (Druck und Verlag von I. I. Weber in Leipzig) Ist es
der heilige Bernhard (Druck und Verlag der Gselischen Erben)? Ist es
der heilige Johannes Nepomuck, der da steht auf der ewigen BaUaden-
brust? Da der unglückliche Geächtete bis zu dieser Stunde ohne alle
nähere Nachricht ist über den Blitz, der ihn getroffen, so glaubt er zur
Ehre des gesunden Menschenverstandes seiner Landsleute und College» in
Wien annehmen zu dürfen, daß jene Notiz eine Uebertreibung ist, eine
Zeitungsente, die über die Donau geschwommen und die als Enterich wie¬
der heimkehren wird. —




Verlag von Fr. Ludw. Herbig. — Redacteur I. Kuvanda.
Druck von Friedrich AndrÄ.
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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_183020/406>, abgerufen am 24.07.2024.