Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band.

Bild:
<< vorherige Seite
2.

Die Hofkammer. -- Statistische Tabellen. -- Herr von Reden. -- Prag und
Wien. -- Die Juden. -- Kaiser Joseph und die Neuzeit. -- Das Lotto. --
Polizeistyl. -- Wiesner und Rank. --

Wenn in diesen Blättern zu wiederholten Malen darauf hingewie¬
sen wurde, wie sehr sich die Thätigkeit in allen Departements der öster¬
reichischen Hofkammer (Finanzministerium) durch Frische und Schwung,
durch Energie und wahren Fortschritt von der Stabilität und Langsam¬
keit anderer Branchen unseres Staatslebens auszeichnet, so haben wir
im letzten Monate drei neue Belege dazu erhalten. Zuerst durch das
Erscheinen der merkwürdigen "Tafeln zur Statistik der österreichischen
Monarchie" die zwar nur bis zum Jahre 1842 reichen, die aber nichts
destoweniger die wichtigsten Beitrage zur Beurtheilung der Eulturzustände
unseres Vaterlandes sind und in einem Umfange ausgeführt, wie sie nur
die Länder der freiesten Oeffentlichkeit aufzuweisen haben. Was übri¬
gens jenes Datum betrifft, so hat man sich um der Gleichförmigkeit
willen darauf beschränkt, nur bis zum Jahre 1842 zu gehen, während
für viele Branchen die Ausweise bereits bis 1844 ja bis 184b vorlie¬
gen. Irren wir nicht, so sind dergleichen dem preußischen Statistiker
Baron von Reden, der voriges Jahr zur Besichtigung unserer Industrie¬
ausstellung hier war, zur Benutzung mitgetheilt worden, wenigstens zei¬
gen die zwei Hefte, die so eben von seiner "Vergleichenden Culturstatistik"
in Berlin erschienen sind, daß solche über 1842 hinausreichende öster¬
reichische Quellen ihm hier und da zu Gebote stunden. -- In zweiter
Reihe ist des Beschlusses zu erwähnen, daß in Prag eine Filialbank mit
einem Capital von zwei Millionen errichtet werden soll. Dies heißt nicht
nur eine wichtige Lebensader zum Flor des gewerbreichen und doch ziem¬
lich stiefmütterlich behandelten Böhmens eröffnen, sondern es heißt auch
einen Act höherer Politik vollziehen, indem es die in letzterer Zeit etwas
schroff gewordenen Gemüther in dem halb slawischen, halb deutschen
Kronlande wieder versöhnen hilft und den Neid, mit welchem die czechi-
sche Hauptstadt auf die österreichische Großnachbarin sieht, in etwas ent¬
waffnet. Jedes neue Band, wodurch die innern Glieder der österreichi¬
schen Monarchie aneinander geknüpft werden, ist ein dreifacher Gewinn
für den materiellen Aufschwung, für die Auflösung der Nationaldissonan¬
zen und für die Ccntralmacht des Gesammtstaates. -- Erwähnen wir
noch in dritter Reihe die Aufhebung einer zur Schmach des Jahrhun¬
derts bis jetzt bestandenen unmoralischen Steuer, welche die Juden in
Böhmen und Ungarn zu zahlen hatten. Ich bin kein unbedingter Freund
der Juoen-mancipation und muß gestehen, daß ich hierin noch nicht
Herr manches anerzogenen Vorurtheils geworden bin. Aber das Sün¬
dengeld , das sich bisher der Staat von einem der gewerbfleißigsten und
handelsrührigsten Theil seiner Bevölkerung zahlen ließ, blos dafür, weil
er nicht seine Religion theilt, war einer der dunkelsten Flecken unserer
Staatsmoralität. Zur Ehre unserer eigenen Religion muß jeder ehrliche
Ehrist dem Heiland danken, daß endlich der Anfang gemacht wurde, zur
Ablegung dieser.den Principien unseres Glaubens zuwiderlaufenden Juno,


2.

Die Hofkammer. — Statistische Tabellen. — Herr von Reden. — Prag und
Wien. — Die Juden. — Kaiser Joseph und die Neuzeit. — Das Lotto. —
Polizeistyl. — Wiesner und Rank. —

Wenn in diesen Blättern zu wiederholten Malen darauf hingewie¬
sen wurde, wie sehr sich die Thätigkeit in allen Departements der öster¬
reichischen Hofkammer (Finanzministerium) durch Frische und Schwung,
durch Energie und wahren Fortschritt von der Stabilität und Langsam¬
keit anderer Branchen unseres Staatslebens auszeichnet, so haben wir
im letzten Monate drei neue Belege dazu erhalten. Zuerst durch das
Erscheinen der merkwürdigen „Tafeln zur Statistik der österreichischen
Monarchie" die zwar nur bis zum Jahre 1842 reichen, die aber nichts
destoweniger die wichtigsten Beitrage zur Beurtheilung der Eulturzustände
unseres Vaterlandes sind und in einem Umfange ausgeführt, wie sie nur
die Länder der freiesten Oeffentlichkeit aufzuweisen haben. Was übri¬
gens jenes Datum betrifft, so hat man sich um der Gleichförmigkeit
willen darauf beschränkt, nur bis zum Jahre 1842 zu gehen, während
für viele Branchen die Ausweise bereits bis 1844 ja bis 184b vorlie¬
gen. Irren wir nicht, so sind dergleichen dem preußischen Statistiker
Baron von Reden, der voriges Jahr zur Besichtigung unserer Industrie¬
ausstellung hier war, zur Benutzung mitgetheilt worden, wenigstens zei¬
gen die zwei Hefte, die so eben von seiner „Vergleichenden Culturstatistik"
in Berlin erschienen sind, daß solche über 1842 hinausreichende öster¬
reichische Quellen ihm hier und da zu Gebote stunden. — In zweiter
Reihe ist des Beschlusses zu erwähnen, daß in Prag eine Filialbank mit
einem Capital von zwei Millionen errichtet werden soll. Dies heißt nicht
nur eine wichtige Lebensader zum Flor des gewerbreichen und doch ziem¬
lich stiefmütterlich behandelten Böhmens eröffnen, sondern es heißt auch
einen Act höherer Politik vollziehen, indem es die in letzterer Zeit etwas
schroff gewordenen Gemüther in dem halb slawischen, halb deutschen
Kronlande wieder versöhnen hilft und den Neid, mit welchem die czechi-
sche Hauptstadt auf die österreichische Großnachbarin sieht, in etwas ent¬
waffnet. Jedes neue Band, wodurch die innern Glieder der österreichi¬
schen Monarchie aneinander geknüpft werden, ist ein dreifacher Gewinn
für den materiellen Aufschwung, für die Auflösung der Nationaldissonan¬
zen und für die Ccntralmacht des Gesammtstaates. — Erwähnen wir
noch in dritter Reihe die Aufhebung einer zur Schmach des Jahrhun¬
derts bis jetzt bestandenen unmoralischen Steuer, welche die Juden in
Böhmen und Ungarn zu zahlen hatten. Ich bin kein unbedingter Freund
der Juoen-mancipation und muß gestehen, daß ich hierin noch nicht
Herr manches anerzogenen Vorurtheils geworden bin. Aber das Sün¬
dengeld , das sich bisher der Staat von einem der gewerbfleißigsten und
handelsrührigsten Theil seiner Bevölkerung zahlen ließ, blos dafür, weil
er nicht seine Religion theilt, war einer der dunkelsten Flecken unserer
Staatsmoralität. Zur Ehre unserer eigenen Religion muß jeder ehrliche
Ehrist dem Heiland danken, daß endlich der Anfang gemacht wurde, zur
Ablegung dieser.den Principien unseres Glaubens zuwiderlaufenden Juno,


<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <div n="3">
              <pb facs="#f0233" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/183254"/>
            </div>
            <div n="3">
              <head> 2.</head><lb/>
              <note type="argument"> Die Hofkammer. &#x2014; Statistische Tabellen. &#x2014; Herr von Reden. &#x2014; Prag und<lb/>
Wien. &#x2014; Die Juden. &#x2014; Kaiser Joseph und die Neuzeit. &#x2014; Das Lotto. &#x2014;<lb/>
Polizeistyl. &#x2014; Wiesner und Rank. &#x2014;</note><lb/>
              <p xml:id="ID_624" next="#ID_625"> Wenn in diesen Blättern zu wiederholten Malen darauf hingewie¬<lb/>
sen wurde, wie sehr sich die Thätigkeit in allen Departements der öster¬<lb/>
reichischen Hofkammer (Finanzministerium) durch Frische und Schwung,<lb/>
durch Energie und wahren Fortschritt von der Stabilität und Langsam¬<lb/>
keit anderer Branchen unseres Staatslebens auszeichnet, so haben wir<lb/>
im letzten Monate drei neue Belege dazu erhalten. Zuerst durch das<lb/>
Erscheinen der merkwürdigen &#x201E;Tafeln zur Statistik der österreichischen<lb/>
Monarchie" die zwar nur bis zum Jahre 1842 reichen, die aber nichts<lb/>
destoweniger die wichtigsten Beitrage zur Beurtheilung der Eulturzustände<lb/>
unseres Vaterlandes sind und in einem Umfange ausgeführt, wie sie nur<lb/>
die Länder der freiesten Oeffentlichkeit aufzuweisen haben. Was übri¬<lb/>
gens jenes Datum betrifft, so hat man sich um der Gleichförmigkeit<lb/>
willen darauf beschränkt, nur bis zum Jahre 1842 zu gehen, während<lb/>
für viele Branchen die Ausweise bereits bis 1844 ja bis 184b vorlie¬<lb/>
gen. Irren wir nicht, so sind dergleichen dem preußischen Statistiker<lb/>
Baron von Reden, der voriges Jahr zur Besichtigung unserer Industrie¬<lb/>
ausstellung hier war, zur Benutzung mitgetheilt worden, wenigstens zei¬<lb/>
gen die zwei Hefte, die so eben von seiner &#x201E;Vergleichenden Culturstatistik"<lb/>
in Berlin erschienen sind, daß solche über 1842 hinausreichende öster¬<lb/>
reichische Quellen ihm hier und da zu Gebote stunden. &#x2014; In zweiter<lb/>
Reihe ist des Beschlusses zu erwähnen, daß in Prag eine Filialbank mit<lb/>
einem Capital von zwei Millionen errichtet werden soll. Dies heißt nicht<lb/>
nur eine wichtige Lebensader zum Flor des gewerbreichen und doch ziem¬<lb/>
lich stiefmütterlich behandelten Böhmens eröffnen, sondern es heißt auch<lb/>
einen Act höherer Politik vollziehen, indem es die in letzterer Zeit etwas<lb/>
schroff gewordenen Gemüther in dem halb slawischen, halb deutschen<lb/>
Kronlande wieder versöhnen hilft und den Neid, mit welchem die czechi-<lb/>
sche Hauptstadt auf die österreichische Großnachbarin sieht, in etwas ent¬<lb/>
waffnet. Jedes neue Band, wodurch die innern Glieder der österreichi¬<lb/>
schen Monarchie aneinander geknüpft werden, ist ein dreifacher Gewinn<lb/>
für den materiellen Aufschwung, für die Auflösung der Nationaldissonan¬<lb/>
zen und für die Ccntralmacht des Gesammtstaates. &#x2014; Erwähnen wir<lb/>
noch in dritter Reihe die Aufhebung einer zur Schmach des Jahrhun¬<lb/>
derts bis jetzt bestandenen unmoralischen Steuer, welche die Juden in<lb/>
Böhmen und Ungarn zu zahlen hatten. Ich bin kein unbedingter Freund<lb/>
der Juoen-mancipation und muß gestehen, daß ich hierin noch nicht<lb/>
Herr manches anerzogenen Vorurtheils geworden bin. Aber das Sün¬<lb/>
dengeld , das sich bisher der Staat von einem der gewerbfleißigsten und<lb/>
handelsrührigsten Theil seiner Bevölkerung zahlen ließ, blos dafür, weil<lb/>
er nicht seine Religion theilt, war einer der dunkelsten Flecken unserer<lb/>
Staatsmoralität. Zur Ehre unserer eigenen Religion muß jeder ehrliche<lb/>
Ehrist dem Heiland danken, daß endlich der Anfang gemacht wurde, zur<lb/>
Ablegung dieser.den Principien unseres Glaubens zuwiderlaufenden Juno,</p><lb/>
            </div>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0233] 2. Die Hofkammer. — Statistische Tabellen. — Herr von Reden. — Prag und Wien. — Die Juden. — Kaiser Joseph und die Neuzeit. — Das Lotto. — Polizeistyl. — Wiesner und Rank. — Wenn in diesen Blättern zu wiederholten Malen darauf hingewie¬ sen wurde, wie sehr sich die Thätigkeit in allen Departements der öster¬ reichischen Hofkammer (Finanzministerium) durch Frische und Schwung, durch Energie und wahren Fortschritt von der Stabilität und Langsam¬ keit anderer Branchen unseres Staatslebens auszeichnet, so haben wir im letzten Monate drei neue Belege dazu erhalten. Zuerst durch das Erscheinen der merkwürdigen „Tafeln zur Statistik der österreichischen Monarchie" die zwar nur bis zum Jahre 1842 reichen, die aber nichts destoweniger die wichtigsten Beitrage zur Beurtheilung der Eulturzustände unseres Vaterlandes sind und in einem Umfange ausgeführt, wie sie nur die Länder der freiesten Oeffentlichkeit aufzuweisen haben. Was übri¬ gens jenes Datum betrifft, so hat man sich um der Gleichförmigkeit willen darauf beschränkt, nur bis zum Jahre 1842 zu gehen, während für viele Branchen die Ausweise bereits bis 1844 ja bis 184b vorlie¬ gen. Irren wir nicht, so sind dergleichen dem preußischen Statistiker Baron von Reden, der voriges Jahr zur Besichtigung unserer Industrie¬ ausstellung hier war, zur Benutzung mitgetheilt worden, wenigstens zei¬ gen die zwei Hefte, die so eben von seiner „Vergleichenden Culturstatistik" in Berlin erschienen sind, daß solche über 1842 hinausreichende öster¬ reichische Quellen ihm hier und da zu Gebote stunden. — In zweiter Reihe ist des Beschlusses zu erwähnen, daß in Prag eine Filialbank mit einem Capital von zwei Millionen errichtet werden soll. Dies heißt nicht nur eine wichtige Lebensader zum Flor des gewerbreichen und doch ziem¬ lich stiefmütterlich behandelten Böhmens eröffnen, sondern es heißt auch einen Act höherer Politik vollziehen, indem es die in letzterer Zeit etwas schroff gewordenen Gemüther in dem halb slawischen, halb deutschen Kronlande wieder versöhnen hilft und den Neid, mit welchem die czechi- sche Hauptstadt auf die österreichische Großnachbarin sieht, in etwas ent¬ waffnet. Jedes neue Band, wodurch die innern Glieder der österreichi¬ schen Monarchie aneinander geknüpft werden, ist ein dreifacher Gewinn für den materiellen Aufschwung, für die Auflösung der Nationaldissonan¬ zen und für die Ccntralmacht des Gesammtstaates. — Erwähnen wir noch in dritter Reihe die Aufhebung einer zur Schmach des Jahrhun¬ derts bis jetzt bestandenen unmoralischen Steuer, welche die Juden in Böhmen und Ungarn zu zahlen hatten. Ich bin kein unbedingter Freund der Juoen-mancipation und muß gestehen, daß ich hierin noch nicht Herr manches anerzogenen Vorurtheils geworden bin. Aber das Sün¬ dengeld , das sich bisher der Staat von einem der gewerbfleißigsten und handelsrührigsten Theil seiner Bevölkerung zahlen ließ, blos dafür, weil er nicht seine Religion theilt, war einer der dunkelsten Flecken unserer Staatsmoralität. Zur Ehre unserer eigenen Religion muß jeder ehrliche Ehrist dem Heiland danken, daß endlich der Anfang gemacht wurde, zur Ablegung dieser.den Principien unseres Glaubens zuwiderlaufenden Juno,

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_183020
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_183020/233
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_183020/233>, abgerufen am 04.07.2024.