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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band.

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Grlebtes in Karlsbad.



Schlagbäume und Gesichtsfarbe. -- Angeschmuggeltes Dissidententhum. -- Polizei
und nicht Polizei. -- Heinrich Laube. -- Curtarc. -- Elephant und Melone. --
Charakteristik der Gesellschaft. -- Musikanten, -- Die Badearzte und die Haus¬
frauen. -- Hr. Hochberger. -- Rückblicke. --

Aparte Malice des Schicksals ist es, daß wir Alle, denen deutsche
Zustände Leber und Galle krank gemacht und aufgeregt haben, des
gefürchteten Oesterreichs Grenzschranken passiren müssen, um an den
Quellen Karlsbads Heilung für den, in Gallenstein und Lebergeschwulst
verkörperten Weltschmerz zu suchen -- auch mir ward dies Schicksal.

Bauglied und beklommen war mein Gemüth, als ich anlangte an
dem schwarzgelben Schlagbäume an Oesterreichs Grenze, ist doch schwarz¬
gelb die Farbe des Leberkranken, daher wenig erheiternd. Während
die weißgrünen Grenzsarben meines gemüthlichen Sachsens mir den
Abschiedsgruß zuwinkten, fuhr ich mit Resignation in's Oesterreichische
hinein, das ich noch nie betreten, von welchem die böse Mähr mir
Manches berichtet, das meine kranke, für alles Trübe empfängliche
Leber, gläubig aufgenommen.

Nach Tabak und Zollbarem, auch nach dem paßlichen Sitten¬
zeugnisse fragte man mich an der Grenze, doch war noch kein Grenz-
Priester da, um mein Glaubensbekenntniß etwa zu Protokoll zu neh¬
men, und Dissidententhum hätte ich ungehindert einschmuggeln können
in Menge. Der freundliche, flinke Postconducleur des österreichischen
Wagens machte wohlthätigen Eindruck, ich hatte ihn mir grob und
unbeholfener gedacht, gröber und plumper noch als den sächsischen
Gelbrock, wie Unrecht that ich dem Manne.


Grlebtes in Karlsbad.



Schlagbäume und Gesichtsfarbe. — Angeschmuggeltes Dissidententhum. — Polizei
und nicht Polizei. — Heinrich Laube. — Curtarc. — Elephant und Melone. —
Charakteristik der Gesellschaft. — Musikanten, — Die Badearzte und die Haus¬
frauen. — Hr. Hochberger. — Rückblicke. —

Aparte Malice des Schicksals ist es, daß wir Alle, denen deutsche
Zustände Leber und Galle krank gemacht und aufgeregt haben, des
gefürchteten Oesterreichs Grenzschranken passiren müssen, um an den
Quellen Karlsbads Heilung für den, in Gallenstein und Lebergeschwulst
verkörperten Weltschmerz zu suchen — auch mir ward dies Schicksal.

Bauglied und beklommen war mein Gemüth, als ich anlangte an
dem schwarzgelben Schlagbäume an Oesterreichs Grenze, ist doch schwarz¬
gelb die Farbe des Leberkranken, daher wenig erheiternd. Während
die weißgrünen Grenzsarben meines gemüthlichen Sachsens mir den
Abschiedsgruß zuwinkten, fuhr ich mit Resignation in's Oesterreichische
hinein, das ich noch nie betreten, von welchem die böse Mähr mir
Manches berichtet, das meine kranke, für alles Trübe empfängliche
Leber, gläubig aufgenommen.

Nach Tabak und Zollbarem, auch nach dem paßlichen Sitten¬
zeugnisse fragte man mich an der Grenze, doch war noch kein Grenz-
Priester da, um mein Glaubensbekenntniß etwa zu Protokoll zu neh¬
men, und Dissidententhum hätte ich ungehindert einschmuggeln können
in Menge. Der freundliche, flinke Postconducleur des österreichischen
Wagens machte wohlthätigen Eindruck, ich hatte ihn mir grob und
unbeholfener gedacht, gröber und plumper noch als den sächsischen
Gelbrock, wie Unrecht that ich dem Manne.


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[0222] Grlebtes in Karlsbad. Schlagbäume und Gesichtsfarbe. — Angeschmuggeltes Dissidententhum. — Polizei und nicht Polizei. — Heinrich Laube. — Curtarc. — Elephant und Melone. — Charakteristik der Gesellschaft. — Musikanten, — Die Badearzte und die Haus¬ frauen. — Hr. Hochberger. — Rückblicke. — Aparte Malice des Schicksals ist es, daß wir Alle, denen deutsche Zustände Leber und Galle krank gemacht und aufgeregt haben, des gefürchteten Oesterreichs Grenzschranken passiren müssen, um an den Quellen Karlsbads Heilung für den, in Gallenstein und Lebergeschwulst verkörperten Weltschmerz zu suchen — auch mir ward dies Schicksal. Bauglied und beklommen war mein Gemüth, als ich anlangte an dem schwarzgelben Schlagbäume an Oesterreichs Grenze, ist doch schwarz¬ gelb die Farbe des Leberkranken, daher wenig erheiternd. Während die weißgrünen Grenzsarben meines gemüthlichen Sachsens mir den Abschiedsgruß zuwinkten, fuhr ich mit Resignation in's Oesterreichische hinein, das ich noch nie betreten, von welchem die böse Mähr mir Manches berichtet, das meine kranke, für alles Trübe empfängliche Leber, gläubig aufgenommen. Nach Tabak und Zollbarem, auch nach dem paßlichen Sitten¬ zeugnisse fragte man mich an der Grenze, doch war noch kein Grenz- Priester da, um mein Glaubensbekenntniß etwa zu Protokoll zu neh¬ men, und Dissidententhum hätte ich ungehindert einschmuggeln können in Menge. Der freundliche, flinke Postconducleur des österreichischen Wagens machte wohlthätigen Eindruck, ich hatte ihn mir grob und unbeholfener gedacht, gröber und plumper noch als den sächsischen Gelbrock, wie Unrecht that ich dem Manne.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_183020/222>, abgerufen am 24.07.2024.