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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band.

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soll aber keinesweges polemische Anregungen veranlassen, sondern in einer
so wichtigen Landesangelegenheit, die gewiß einer anständigen öffentlichen
Besprechung angehört, soll jeder Theilnehmende reden, die Directoren
hören, sichten, prüfen und berichtigen. 1) Dieser längere Aufenthalt
wurde durch ein längeres Feuer, das in Waitzen über 30 Hauser in
Asche legte, veranlaßt. 2) Von den Herren Directoren kam blos Hr.
Graf Esterhazi von Wien herab. 3) Man ließ immer die Hoffnung
auf bessere Gehalte durchblicken, wenn der Betrieb eröffnet wird, und
versprach jeden braven Beamten zu placiren; daß unter den Entlassener
viele, ja die meisten dieses Prädicat verdienen, erweisen ihre Zeugnisse.
Auch ist es jetzt geschehen, daß ganz neue Individuen, ohne Berücksichtig
gnug der Entlassener, angestellt wurden und werden. 4) Ich muß be¬
merken, daß es sich in Pesth und der Umgegend, ebenso theuer als in
Wien lebt. 5) Sollte es wahr sein, was man von gewissen Verwandt¬
schaften spricht? Und wenn nicht, warum Anlaß zum Gerede geben?


VI
Notizen.
Warnung für dramatische Dichter.

Wir müssen sämmtliche deutsche Bühnendichter warnen, sich's ja
nicht etwa in den Sinn kommen zu lassen, zum Helden eines ihrer
Dramen Wilhelm den Eroberer zu wählen. Die Geburtsstadt dieses Hel¬
den beabsichtigt nämlich, ihm ein Monument zu setzen, zu welchem alle
Abkömmlinge des berühmten Normannensührers steuern sollen. Zu die¬
sem Behufe wurde einem gelehrten Genealogen die Arbeit aufgetragen,
den ganzen Stammbaum dieses Königs mit allen seinen Seitenzweigen,
-Nachkommenschaften u. s. w. zu erforschen und zu zeichnen. Diese Ar¬
beit ist jetzt vollendet im Druck erschienen und nach einem Auszug, den
das Journal des Debats daraus liefert, stellt sich's heraus, daß fast alle
jetzt regierende souveräne Fürsten Abkömmlinge und Seitenverwandte des
großen Eroberers sind (als der allernächste wird der Erzherzog Karl und
als der allerentfernteste der Kronprinz von Schweden bezeichnet). Wenn
nun einer unserer dramatischen Dichter das Unglück hatte, sich in diesen
Helden zu verlieben, so würde seinem Stücke von den meisten Hofbüh¬
nen, wegen der nahen Verwandtschaft, die Thüre vor der Nase zuge¬
schlagen werden. Namentlich gilt diese Warnung Heinrich Laube, gegen
den die Todten sich ganz besonders verschworen haben, nicht blos die
lebten Könige und Prinzen, deren Verwandte noch ein Scepter führten,
sondern auch die todten Dichter, deren Brüder noch mit einem Taktir-
stab herrschen. Wilhelm der Eroberer war zwar blos ein natürlicher
Sohn Robert des Teufels; allein man kann deshalb doch nicht wissen,
ob nicht ein berühmter Componist sich auch darüber allarmirr und die
ältern Rechte geltend zu machen sucht -- wie es beim Struensee der
Fall ist.




Verlag von Fr. Ludw. Herbig. -- Redacteur I. Kurauda.
Druck von Friedrich Anorä.

soll aber keinesweges polemische Anregungen veranlassen, sondern in einer
so wichtigen Landesangelegenheit, die gewiß einer anständigen öffentlichen
Besprechung angehört, soll jeder Theilnehmende reden, die Directoren
hören, sichten, prüfen und berichtigen. 1) Dieser längere Aufenthalt
wurde durch ein längeres Feuer, das in Waitzen über 30 Hauser in
Asche legte, veranlaßt. 2) Von den Herren Directoren kam blos Hr.
Graf Esterhazi von Wien herab. 3) Man ließ immer die Hoffnung
auf bessere Gehalte durchblicken, wenn der Betrieb eröffnet wird, und
versprach jeden braven Beamten zu placiren; daß unter den Entlassener
viele, ja die meisten dieses Prädicat verdienen, erweisen ihre Zeugnisse.
Auch ist es jetzt geschehen, daß ganz neue Individuen, ohne Berücksichtig
gnug der Entlassener, angestellt wurden und werden. 4) Ich muß be¬
merken, daß es sich in Pesth und der Umgegend, ebenso theuer als in
Wien lebt. 5) Sollte es wahr sein, was man von gewissen Verwandt¬
schaften spricht? Und wenn nicht, warum Anlaß zum Gerede geben?


VI
Notizen.
Warnung für dramatische Dichter.

Wir müssen sämmtliche deutsche Bühnendichter warnen, sich's ja
nicht etwa in den Sinn kommen zu lassen, zum Helden eines ihrer
Dramen Wilhelm den Eroberer zu wählen. Die Geburtsstadt dieses Hel¬
den beabsichtigt nämlich, ihm ein Monument zu setzen, zu welchem alle
Abkömmlinge des berühmten Normannensührers steuern sollen. Zu die¬
sem Behufe wurde einem gelehrten Genealogen die Arbeit aufgetragen,
den ganzen Stammbaum dieses Königs mit allen seinen Seitenzweigen,
-Nachkommenschaften u. s. w. zu erforschen und zu zeichnen. Diese Ar¬
beit ist jetzt vollendet im Druck erschienen und nach einem Auszug, den
das Journal des Debats daraus liefert, stellt sich's heraus, daß fast alle
jetzt regierende souveräne Fürsten Abkömmlinge und Seitenverwandte des
großen Eroberers sind (als der allernächste wird der Erzherzog Karl und
als der allerentfernteste der Kronprinz von Schweden bezeichnet). Wenn
nun einer unserer dramatischen Dichter das Unglück hatte, sich in diesen
Helden zu verlieben, so würde seinem Stücke von den meisten Hofbüh¬
nen, wegen der nahen Verwandtschaft, die Thüre vor der Nase zuge¬
schlagen werden. Namentlich gilt diese Warnung Heinrich Laube, gegen
den die Todten sich ganz besonders verschworen haben, nicht blos die
lebten Könige und Prinzen, deren Verwandte noch ein Scepter führten,
sondern auch die todten Dichter, deren Brüder noch mit einem Taktir-
stab herrschen. Wilhelm der Eroberer war zwar blos ein natürlicher
Sohn Robert des Teufels; allein man kann deshalb doch nicht wissen,
ob nicht ein berühmter Componist sich auch darüber allarmirr und die
ältern Rechte geltend zu machen sucht — wie es beim Struensee der
Fall ist.




Verlag von Fr. Ludw. Herbig. — Redacteur I. Kurauda.
Druck von Friedrich Anorä.
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[0194] soll aber keinesweges polemische Anregungen veranlassen, sondern in einer so wichtigen Landesangelegenheit, die gewiß einer anständigen öffentlichen Besprechung angehört, soll jeder Theilnehmende reden, die Directoren hören, sichten, prüfen und berichtigen. 1) Dieser längere Aufenthalt wurde durch ein längeres Feuer, das in Waitzen über 30 Hauser in Asche legte, veranlaßt. 2) Von den Herren Directoren kam blos Hr. Graf Esterhazi von Wien herab. 3) Man ließ immer die Hoffnung auf bessere Gehalte durchblicken, wenn der Betrieb eröffnet wird, und versprach jeden braven Beamten zu placiren; daß unter den Entlassener viele, ja die meisten dieses Prädicat verdienen, erweisen ihre Zeugnisse. Auch ist es jetzt geschehen, daß ganz neue Individuen, ohne Berücksichtig gnug der Entlassener, angestellt wurden und werden. 4) Ich muß be¬ merken, daß es sich in Pesth und der Umgegend, ebenso theuer als in Wien lebt. 5) Sollte es wahr sein, was man von gewissen Verwandt¬ schaften spricht? Und wenn nicht, warum Anlaß zum Gerede geben? VI Notizen. Warnung für dramatische Dichter. Wir müssen sämmtliche deutsche Bühnendichter warnen, sich's ja nicht etwa in den Sinn kommen zu lassen, zum Helden eines ihrer Dramen Wilhelm den Eroberer zu wählen. Die Geburtsstadt dieses Hel¬ den beabsichtigt nämlich, ihm ein Monument zu setzen, zu welchem alle Abkömmlinge des berühmten Normannensührers steuern sollen. Zu die¬ sem Behufe wurde einem gelehrten Genealogen die Arbeit aufgetragen, den ganzen Stammbaum dieses Königs mit allen seinen Seitenzweigen, -Nachkommenschaften u. s. w. zu erforschen und zu zeichnen. Diese Ar¬ beit ist jetzt vollendet im Druck erschienen und nach einem Auszug, den das Journal des Debats daraus liefert, stellt sich's heraus, daß fast alle jetzt regierende souveräne Fürsten Abkömmlinge und Seitenverwandte des großen Eroberers sind (als der allernächste wird der Erzherzog Karl und als der allerentfernteste der Kronprinz von Schweden bezeichnet). Wenn nun einer unserer dramatischen Dichter das Unglück hatte, sich in diesen Helden zu verlieben, so würde seinem Stücke von den meisten Hofbüh¬ nen, wegen der nahen Verwandtschaft, die Thüre vor der Nase zuge¬ schlagen werden. Namentlich gilt diese Warnung Heinrich Laube, gegen den die Todten sich ganz besonders verschworen haben, nicht blos die lebten Könige und Prinzen, deren Verwandte noch ein Scepter führten, sondern auch die todten Dichter, deren Brüder noch mit einem Taktir- stab herrschen. Wilhelm der Eroberer war zwar blos ein natürlicher Sohn Robert des Teufels; allein man kann deshalb doch nicht wissen, ob nicht ein berühmter Componist sich auch darüber allarmirr und die ältern Rechte geltend zu machen sucht — wie es beim Struensee der Fall ist. Verlag von Fr. Ludw. Herbig. — Redacteur I. Kurauda. Druck von Friedrich Anorä.

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_183020/194>, abgerufen am 04.07.2024.