Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band.erhalten muß, welche ihre Souveränetätsrechte daran übt, durch einen Was Herrn Rettich betrifft, so ist dies ein recht wackerer Schau¬ IV. An" Wien. Rückgängiges Gewerbefreiheitsprojcct. -- Die Regierung und die öffentliche Meinung. -- Die Geistlichkeit beim Landtage. -- Die'Majorate. -- Das Stah- remvergische Freihaus. -- Geburth- und Geldadel. -- Als ich in meinem letzten Briefe von der Gewerbefreiheit schrieb und erhalten muß, welche ihre Souveränetätsrechte daran übt, durch einen Was Herrn Rettich betrifft, so ist dies ein recht wackerer Schau¬ IV. An« Wien. Rückgängiges Gewerbefreiheitsprojcct. — Die Regierung und die öffentliche Meinung. — Die Geistlichkeit beim Landtage. — Die'Majorate. — Das Stah- remvergische Freihaus. — Geburth- und Geldadel. — Als ich in meinem letzten Briefe von der Gewerbefreiheit schrieb und <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0187" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/183208"/> <p xml:id="ID_524" prev="#ID_523"> erhalten muß, welche ihre Souveränetätsrechte daran übt, durch einen<lb/> einzigen Strich, durch ein beliebiges Einschiebsel schwarz in weiß und<lb/> roth in blau umzuwandeln. Madame Rettich leidet an den Schutz¬<lb/> zöllen der wiener Censur ober vielmehr sie hat daran gelitten. Denn<lb/> das sieghafte, ursprüngliche Genie dieser Künstlerin hat in den acht<lb/> Rollen, die sie an der hiesigen Bühne gab, eine Metamorphose durchge¬<lb/> macht, sie hat vor unsern Augen sichtbarlich mit jedem neuen Abend einen<lb/> Theil ihrer zu stark colorirten Declamationsweise abgestreift und der Edel¬<lb/> stein hat sich aus der seinen Glanz verunstaltenden Hülle immer schöner<lb/> und schöner loögeschält. Der beizend.e Ton der berliner Kritik, so unge¬<lb/> recht und leidenschaftlich er sich theilweise der fremden Künstlerin entge¬<lb/> genstemmte, hat doch seine wohlthätige Folgen aus sie geäußert, er hat<lb/> sie auf einen Fehler aufmerksam gemacht, der, wie der Zahnstein an einem<lb/> schönen, perlenweißen Gebiß, sich angesetzt hatte und es brauchte eben nur<lb/> des Aufmerksammachens, um ihn abzustreifen. Madame Rettich kehrt<lb/> zu ihrer heimathlichen Bühne schöner zurück, als sie sie verlassen hat.</p><lb/> <p xml:id="ID_525"> Was Herrn Rettich betrifft, so ist dies ein recht wackerer Schau¬<lb/> spieler, besonnen, durchgebildet, aber ohn« jenen bewältigenden Genius,<lb/> ohne besondere Individualität, die zu Productionen an einer fremden<lb/> Bühne durchaus nöthig ist, namentlich an der Seite einer so ausgezeich¬<lb/> neten Nebenbuhlerin wie seine Gattin ist. Herr Rettich ist ein schätzens-<lb/> werthes Mitglied im Ensemble einer großen Bühne, wo alle zu gleichen<lb/> Theilen tragen und es sich nicht handelt, das Interesse ganz besonders<lb/> auf den einen hinzuleiten. Aber zum Mittelpunkt eines außergewöhn¬<lb/> lichen Abends, wie eS ein Gastspiel gewöhnlich ist, fehlt ihm der Glanz<lb/> und die höhere magnetische Kraft. Doch wurden ihm vielfache Zeichen<lb/> der Theilnahme gespendet, da er in allen seinen Rollen den Mann von<lb/> ächter geistiger Bildung zu erkennen gab, was man dem Herrn von La¬<lb/> vallade und noch manchem andern hiesigen Schauspieler seines Faches<lb/><note type="byline"> 0—v</note> nicht nachrühmen kann. </p><lb/> </div> <div n="2"> <head> IV.<lb/> An« Wien.</head><lb/> <note type="argument"> Rückgängiges Gewerbefreiheitsprojcct. — Die Regierung und die öffentliche<lb/> Meinung. — Die Geistlichkeit beim Landtage. — Die'Majorate. — Das Stah-<lb/> remvergische Freihaus. — Geburth- und Geldadel. —</note><lb/> <p xml:id="ID_526" next="#ID_527"> Als ich in meinem letzten Briefe von der Gewerbefreiheit schrieb und<lb/> bemerkte: ich fürchte nur, daß das Spießbürgerthum vielen unserer Ge-<lb/> werbtceibenden sich aus egoistischen Motiven diesem so wichtigen und<lb/> heilsamen Patente entgegenstemmen würde, — da dachte ich nicht, daß<lb/> meine Prophezeihung so schnell Wahrheit werden sollte; aber nichts<lb/> schneller, als der Rückschritt des Fortschrittes! Der Tag, an welchem<lb/> das Patent zur Veröffentlichung bestimmt war, der 3l). Juli, wird eben¬<lb/> so vorübergehen, wie der erste Termin, der 15. Juli, vorübergegangen<lb/> ist, ose daß etwas für die Sache geschah. Bittschriften, Gesuche und<lb/> Deputationen über diesen Gegenstand drängen sich sowohl bei dem Ma-</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0187]
erhalten muß, welche ihre Souveränetätsrechte daran übt, durch einen
einzigen Strich, durch ein beliebiges Einschiebsel schwarz in weiß und
roth in blau umzuwandeln. Madame Rettich leidet an den Schutz¬
zöllen der wiener Censur ober vielmehr sie hat daran gelitten. Denn
das sieghafte, ursprüngliche Genie dieser Künstlerin hat in den acht
Rollen, die sie an der hiesigen Bühne gab, eine Metamorphose durchge¬
macht, sie hat vor unsern Augen sichtbarlich mit jedem neuen Abend einen
Theil ihrer zu stark colorirten Declamationsweise abgestreift und der Edel¬
stein hat sich aus der seinen Glanz verunstaltenden Hülle immer schöner
und schöner loögeschält. Der beizend.e Ton der berliner Kritik, so unge¬
recht und leidenschaftlich er sich theilweise der fremden Künstlerin entge¬
genstemmte, hat doch seine wohlthätige Folgen aus sie geäußert, er hat
sie auf einen Fehler aufmerksam gemacht, der, wie der Zahnstein an einem
schönen, perlenweißen Gebiß, sich angesetzt hatte und es brauchte eben nur
des Aufmerksammachens, um ihn abzustreifen. Madame Rettich kehrt
zu ihrer heimathlichen Bühne schöner zurück, als sie sie verlassen hat.
Was Herrn Rettich betrifft, so ist dies ein recht wackerer Schau¬
spieler, besonnen, durchgebildet, aber ohn« jenen bewältigenden Genius,
ohne besondere Individualität, die zu Productionen an einer fremden
Bühne durchaus nöthig ist, namentlich an der Seite einer so ausgezeich¬
neten Nebenbuhlerin wie seine Gattin ist. Herr Rettich ist ein schätzens-
werthes Mitglied im Ensemble einer großen Bühne, wo alle zu gleichen
Theilen tragen und es sich nicht handelt, das Interesse ganz besonders
auf den einen hinzuleiten. Aber zum Mittelpunkt eines außergewöhn¬
lichen Abends, wie eS ein Gastspiel gewöhnlich ist, fehlt ihm der Glanz
und die höhere magnetische Kraft. Doch wurden ihm vielfache Zeichen
der Theilnahme gespendet, da er in allen seinen Rollen den Mann von
ächter geistiger Bildung zu erkennen gab, was man dem Herrn von La¬
vallade und noch manchem andern hiesigen Schauspieler seines Faches
0—v nicht nachrühmen kann.
IV.
An« Wien.
Rückgängiges Gewerbefreiheitsprojcct. — Die Regierung und die öffentliche
Meinung. — Die Geistlichkeit beim Landtage. — Die'Majorate. — Das Stah-
remvergische Freihaus. — Geburth- und Geldadel. —
Als ich in meinem letzten Briefe von der Gewerbefreiheit schrieb und
bemerkte: ich fürchte nur, daß das Spießbürgerthum vielen unserer Ge-
werbtceibenden sich aus egoistischen Motiven diesem so wichtigen und
heilsamen Patente entgegenstemmen würde, — da dachte ich nicht, daß
meine Prophezeihung so schnell Wahrheit werden sollte; aber nichts
schneller, als der Rückschritt des Fortschrittes! Der Tag, an welchem
das Patent zur Veröffentlichung bestimmt war, der 3l). Juli, wird eben¬
so vorübergehen, wie der erste Termin, der 15. Juli, vorübergegangen
ist, ose daß etwas für die Sache geschah. Bittschriften, Gesuche und
Deputationen über diesen Gegenstand drängen sich sowohl bei dem Ma-
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