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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band.

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Musikanten sind, und auf den Kindtaufen und Hochzeiten der Gegend
spielen.

Langsam ging ich durch das Dorf, den Klangen lauschend, die aus
jenem Hause Samen, und stieg dann zum Falkensteine auf, von dem es
in "des Pfarrers Tochter von Taubcnhain" heißt:


H. Pröhle.
II.
Willens und die flamÄndischen Schriftsteller.

Durch den Tod des trefflichen Willens in Gent droht der flamän-
dischen Literatur- und Sprachbewegung eine gefährliche Verwirrung.
Willens war das Haupt dieser Bewegung und die jungen Schriftsteller,
die ihn an Produktivität und an schriftstellerischen Talente überragten,
beugten sich doch gerne vor dem würdigen, ältern Manne, der sowohl we¬
gen seiner philologischen Gelehrsamkeit und patriotischen Verdienste, sowie
auch wegen seines tresslichen, wohlwollenden und offenen Charakters die Ach¬
tung und die Liebe Aller genoß. Der Negierung gegenüber war Willens ein
wichtiger, einflußreicher Vertreter und Vermittler der flamändischen Be¬
wegung. Bekanntlich sah man anfangs in der Schilderhebung der Fla¬
mingen eine orangistische Reaction, welche der neuen Ordnung und Dy¬
nastie von I8M gefährlich werden könnte. Willens, der besonnene und
würdige Parteichef, zerstreute jedoch die Besorgnisse und indem er einer¬
seits der Regierung eine Garantie für die politische Gefahrlosigkeit der
Sprachbewegung in seiner eigenen, wohlbekannten Persönlichkeit bot,
wachte er auch unter seinen Anhängern stets darüber, daß die neue
Sprachbewegung zu keiner politischen Contrerevolution sich hinneigte und
Alles in den Schranken der Besonnenheit und des belgischen Patrio¬
tismus blieb. Ebenso war Willens ein umsichtiger und wohlwollender'
Vermittler in dem Kampfe zwischen den Liberalen und Katholiken, der
natürlich auch unter den flamändischen Schriftstellern seinen Platz hatte.
Selbst ein aufrichtiger Katholik, wußte er den Clerus stets zu beschwich-



Bei dieser Gelegenheit wollen wir die Biographen Bürger's auf einen
werthvollen Aufsatz von Dr. Daniel über den Ausenthalt mehrerer später berühmt
gewordenen Männer auf dem haUiscken Pädagogium aufmerksam machen, der aus
den Aufzeichnungen der Lehrer über ihre Schüler geschöpft ist. --? Aus jenem
Aufsatze erfahren wir z. B., daß Bürger vom Pädagogium aus die Heimkehr der
Soldaten aus dem siebenjährigen Kriege mit angesehen hat, welche er zu Anfang
der "Lenore" schildert. Uebrigens hat auch Herr Dr. Daniel nicht umhin ge,
konnt, mehrere Irrthümer der Althof'schen Biographie und ihrer Nachfprecher zu
berichtigen! doch müssen wir in diesen Punkten auf die Arbeit selbst verweisen,
welche freilich nicht in den Buchhandel gekommen und in einem Schulprogramme
des hallischen Waisenhauses verborgen ist.
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Musikanten sind, und auf den Kindtaufen und Hochzeiten der Gegend
spielen.

Langsam ging ich durch das Dorf, den Klangen lauschend, die aus
jenem Hause Samen, und stieg dann zum Falkensteine auf, von dem es
in „des Pfarrers Tochter von Taubcnhain" heißt:


H. Pröhle.
II.
Willens und die flamÄndischen Schriftsteller.

Durch den Tod des trefflichen Willens in Gent droht der flamän-
dischen Literatur- und Sprachbewegung eine gefährliche Verwirrung.
Willens war das Haupt dieser Bewegung und die jungen Schriftsteller,
die ihn an Produktivität und an schriftstellerischen Talente überragten,
beugten sich doch gerne vor dem würdigen, ältern Manne, der sowohl we¬
gen seiner philologischen Gelehrsamkeit und patriotischen Verdienste, sowie
auch wegen seines tresslichen, wohlwollenden und offenen Charakters die Ach¬
tung und die Liebe Aller genoß. Der Negierung gegenüber war Willens ein
wichtiger, einflußreicher Vertreter und Vermittler der flamändischen Be¬
wegung. Bekanntlich sah man anfangs in der Schilderhebung der Fla¬
mingen eine orangistische Reaction, welche der neuen Ordnung und Dy¬
nastie von I8M gefährlich werden könnte. Willens, der besonnene und
würdige Parteichef, zerstreute jedoch die Besorgnisse und indem er einer¬
seits der Regierung eine Garantie für die politische Gefahrlosigkeit der
Sprachbewegung in seiner eigenen, wohlbekannten Persönlichkeit bot,
wachte er auch unter seinen Anhängern stets darüber, daß die neue
Sprachbewegung zu keiner politischen Contrerevolution sich hinneigte und
Alles in den Schranken der Besonnenheit und des belgischen Patrio¬
tismus blieb. Ebenso war Willens ein umsichtiger und wohlwollender'
Vermittler in dem Kampfe zwischen den Liberalen und Katholiken, der
natürlich auch unter den flamändischen Schriftstellern seinen Platz hatte.
Selbst ein aufrichtiger Katholik, wußte er den Clerus stets zu beschwich-



Bei dieser Gelegenheit wollen wir die Biographen Bürger's auf einen
werthvollen Aufsatz von Dr. Daniel über den Ausenthalt mehrerer später berühmt
gewordenen Männer auf dem haUiscken Pädagogium aufmerksam machen, der aus
den Aufzeichnungen der Lehrer über ihre Schüler geschöpft ist. —? Aus jenem
Aufsatze erfahren wir z. B., daß Bürger vom Pädagogium aus die Heimkehr der
Soldaten aus dem siebenjährigen Kriege mit angesehen hat, welche er zu Anfang
der „Lenore" schildert. Uebrigens hat auch Herr Dr. Daniel nicht umhin ge,
konnt, mehrere Irrthümer der Althof'schen Biographie und ihrer Nachfprecher zu
berichtigen! doch müssen wir in diesen Punkten auf die Arbeit selbst verweisen,
welche freilich nicht in den Buchhandel gekommen und in einem Schulprogramme
des hallischen Waisenhauses verborgen ist.
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[0137] Musikanten sind, und auf den Kindtaufen und Hochzeiten der Gegend spielen. Langsam ging ich durch das Dorf, den Klangen lauschend, die aus jenem Hause Samen, und stieg dann zum Falkensteine auf, von dem es in „des Pfarrers Tochter von Taubcnhain" heißt: H. Pröhle. II. Willens und die flamÄndischen Schriftsteller. Durch den Tod des trefflichen Willens in Gent droht der flamän- dischen Literatur- und Sprachbewegung eine gefährliche Verwirrung. Willens war das Haupt dieser Bewegung und die jungen Schriftsteller, die ihn an Produktivität und an schriftstellerischen Talente überragten, beugten sich doch gerne vor dem würdigen, ältern Manne, der sowohl we¬ gen seiner philologischen Gelehrsamkeit und patriotischen Verdienste, sowie auch wegen seines tresslichen, wohlwollenden und offenen Charakters die Ach¬ tung und die Liebe Aller genoß. Der Negierung gegenüber war Willens ein wichtiger, einflußreicher Vertreter und Vermittler der flamändischen Be¬ wegung. Bekanntlich sah man anfangs in der Schilderhebung der Fla¬ mingen eine orangistische Reaction, welche der neuen Ordnung und Dy¬ nastie von I8M gefährlich werden könnte. Willens, der besonnene und würdige Parteichef, zerstreute jedoch die Besorgnisse und indem er einer¬ seits der Regierung eine Garantie für die politische Gefahrlosigkeit der Sprachbewegung in seiner eigenen, wohlbekannten Persönlichkeit bot, wachte er auch unter seinen Anhängern stets darüber, daß die neue Sprachbewegung zu keiner politischen Contrerevolution sich hinneigte und Alles in den Schranken der Besonnenheit und des belgischen Patrio¬ tismus blieb. Ebenso war Willens ein umsichtiger und wohlwollender' Vermittler in dem Kampfe zwischen den Liberalen und Katholiken, der natürlich auch unter den flamändischen Schriftstellern seinen Platz hatte. Selbst ein aufrichtiger Katholik, wußte er den Clerus stets zu beschwich- Bei dieser Gelegenheit wollen wir die Biographen Bürger's auf einen werthvollen Aufsatz von Dr. Daniel über den Ausenthalt mehrerer später berühmt gewordenen Männer auf dem haUiscken Pädagogium aufmerksam machen, der aus den Aufzeichnungen der Lehrer über ihre Schüler geschöpft ist. —? Aus jenem Aufsatze erfahren wir z. B., daß Bürger vom Pädagogium aus die Heimkehr der Soldaten aus dem siebenjährigen Kriege mit angesehen hat, welche er zu Anfang der „Lenore" schildert. Uebrigens hat auch Herr Dr. Daniel nicht umhin ge, konnt, mehrere Irrthümer der Althof'schen Biographie und ihrer Nachfprecher zu berichtigen! doch müssen wir in diesen Punkten auf die Arbeit selbst verweisen, welche freilich nicht in den Buchhandel gekommen und in einem Schulprogramme des hallischen Waisenhauses verborgen ist. 17»

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_183020/137>, abgerufen am 24.07.2024.