Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, II. Semester. III. Band.Tagev u es. i Bürger's Heimath. Die göttinger Studenten wollen dem Dichter der Lenore ein Denk- Außer seinem Verleger war wohl nur sein Arzt bei der Beerdigung Molmerswende liegt im Harz, zwei Stunden von dem berühmten Tagev u es. i Bürger's Heimath. Die göttinger Studenten wollen dem Dichter der Lenore ein Denk- Außer seinem Verleger war wohl nur sein Arzt bei der Beerdigung Molmerswende liegt im Harz, zwei Stunden von dem berühmten <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0134" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/183155"/> </div> </div> <div n="1"> <head> Tagev u es.</head><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <div n="2"> <head> i<lb/> Bürger's Heimath.</head><lb/> <p xml:id="ID_354"> Die göttinger Studenten wollen dem Dichter der Lenore ein Denk-<lb/> mal setzen, und haben Mühe gehabt, sein Grab aufzufinden. Ein Glück,<lb/> daß sein Verleger der Leiche folgte, denn ein alter Mann erinnert sich<lb/> noch, gesehen zu haben, daß dieser einmal einen Sarg auf den Gottes¬<lb/> acker begleitete. An der Stelle, wo der Buchhändler damals sein Gebet<lb/> verrichtete, wird sich nun ein Denkmal erheben mit der Inschrift: G><lb/> A. Bürger.</p><lb/> <p xml:id="ID_355"> Außer seinem Verleger war wohl nur sein Arzt bei der Beerdigung<lb/> zugegen. Beide waren seine einzigen Freunde; aber der Eine schützte<lb/> ihn bei seinen Lebzeiten nicht vor Hunger und Elend, und der Andere<lb/> schrieb nach seinem Tode eine so fehlerhafte Biographie von ihm, daß<lb/> man noch immer nicht recht weiß, wo er eigentlich geboren ist, zumal<lb/> da noch in neuester Zeit Biographen von Fach, wie Heinrich Döring,<lb/> seinem Arzte in allen Punkten unbedingten Glauben beigemessen haben.<lb/> Molmerswende heißt der Geburtsort'"des Dichters; ein Dorf Namens<lb/> Molmerswende, wo ihn seine Herren Biographen geboren werden lassen,<lb/> eristirt nirgends.</p><lb/> <p xml:id="ID_356" next="#ID_357"> Molmerswende liegt im Harz, zwei Stunden von dem berühmten<lb/> Schloß Falkenstein entfernt, welches dem jetzigen Oberjagermeister gehört,<lb/> bei dem der König zuweilen auf längere Zeit zur Jagd ist. Es gehört<lb/> selbst zum Gerichtssprengcl dieser alten Burg. Eine Tradition, welche<lb/> auch in die Handbücher für Harzreisende übergegangen ist, verlegt die<lb/> Begebenheit, die Bürger in „des Pfarrers Tochter von Taubenhain"<lb/> (einer Ballade, die in Wahrheit viel mehr in's Volk gedrungen ist, als<lb/> die „Lenore," der sie freilich an Werth nicht gleich kommt) erzählt, in<lb/> die Gegend zwischen dem Falkenstein und Molmerswende. Der Gedanke<lb/> lag nahe, denn das Schloß, das der armen Pfarrerstochter so in die<lb/> Augen lachte, wird in dem Gedichte selbst Falkenstein genannt. In der<lb/> Beschreibung von Taubenhain will man das nahe Dorf Pansfelde er¬<lb/> kennen. Dort wird noch „das Weizenfeld hinter dem Garten" gezeigt.</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0134]
Tagev u es.
i
Bürger's Heimath.
Die göttinger Studenten wollen dem Dichter der Lenore ein Denk-
mal setzen, und haben Mühe gehabt, sein Grab aufzufinden. Ein Glück,
daß sein Verleger der Leiche folgte, denn ein alter Mann erinnert sich
noch, gesehen zu haben, daß dieser einmal einen Sarg auf den Gottes¬
acker begleitete. An der Stelle, wo der Buchhändler damals sein Gebet
verrichtete, wird sich nun ein Denkmal erheben mit der Inschrift: G>
A. Bürger.
Außer seinem Verleger war wohl nur sein Arzt bei der Beerdigung
zugegen. Beide waren seine einzigen Freunde; aber der Eine schützte
ihn bei seinen Lebzeiten nicht vor Hunger und Elend, und der Andere
schrieb nach seinem Tode eine so fehlerhafte Biographie von ihm, daß
man noch immer nicht recht weiß, wo er eigentlich geboren ist, zumal
da noch in neuester Zeit Biographen von Fach, wie Heinrich Döring,
seinem Arzte in allen Punkten unbedingten Glauben beigemessen haben.
Molmerswende heißt der Geburtsort'"des Dichters; ein Dorf Namens
Molmerswende, wo ihn seine Herren Biographen geboren werden lassen,
eristirt nirgends.
Molmerswende liegt im Harz, zwei Stunden von dem berühmten
Schloß Falkenstein entfernt, welches dem jetzigen Oberjagermeister gehört,
bei dem der König zuweilen auf längere Zeit zur Jagd ist. Es gehört
selbst zum Gerichtssprengcl dieser alten Burg. Eine Tradition, welche
auch in die Handbücher für Harzreisende übergegangen ist, verlegt die
Begebenheit, die Bürger in „des Pfarrers Tochter von Taubenhain"
(einer Ballade, die in Wahrheit viel mehr in's Volk gedrungen ist, als
die „Lenore," der sie freilich an Werth nicht gleich kommt) erzählt, in
die Gegend zwischen dem Falkenstein und Molmerswende. Der Gedanke
lag nahe, denn das Schloß, das der armen Pfarrerstochter so in die
Augen lachte, wird in dem Gedichte selbst Falkenstein genannt. In der
Beschreibung von Taubenhain will man das nahe Dorf Pansfelde er¬
kennen. Dort wird noch „das Weizenfeld hinter dem Garten" gezeigt.
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