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Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band.

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Ballade, kräftige Züge hat "der Büßende," und die altspanischen Ro¬
manzen sind ungemein glücklich behandelt; der frische Humor in den
"Landsknechtslicdern" sticht sehr vortheilhaft ab gegen die elegische
Weichheit in andern Gedichten, und zeigt, daß der Verf. noch immer
mehr als einen Weg aus feinem Zauberkreise finden könnte.
"

In dem gemüthvollen Gedicht "Meinem Lothar kommt eine
Strophe vor, die gewiß vielen Strebenden dieser Zeit aus dem tief¬
sten Herzen gebrochen ist:


"Gebrochne Pläne wirst Du von mir erben,
Verwehte Klänge, halbe Melodie";
Erfolge, die schon i> Erblühen starben,
Und wenn ich sie erfassen will, entfliehn:
Dir sei ein glücklicheres Loos beschiedcn-
Den Fluch der Halbheit, o den kenne nie! :c>"

Bei dem Worte: Gebrochene Plane, fällt uns das Fragment:
"JunkcrEbboWittingau" ein, und wir müssen nachträglich auf dieses
schöne und nur zu kleine Stück Erzählung verweisen, welches von
.ungewöhnlicher Zartheit in Zeichnung und Färbung ist. Möchte
Schücking dieses oder überhaupt ein erzählendes Gedicht vollenden!
Wir glauben, daß er zu einer solchen Leistung den glücklichsten Beruf,
hätte; und gewiß Niemand wird sich von der Romantik abwenden,
wenn sie ihren Stoffen nur Fleisch und Blut giebt, statt grade durch
ihre Schattenhaftigkeit reizen zu wollen. --

Eine schätzenswerthe Beigabe ist die gelungene Uebertragung der
sibyllinischen Blätter von Samuel Taylor Coleridge.


VI.
Notizen.

Die anglikanischen Iudenbekehrcr. -- Das europäische Gleichgewicht in Ame¬
rika. -- Religiöse Bcwcgungslitcratur.

-- Charakteristisch ist ein Brief, den eine englische Judenzeitung
(das Jewisch Chronicle) mittheilt. Dr. Marsh, aus Leamington, ei¬
ner der eifrigsten Judenmissionäre, schreibt, in Erwähnung der prose-
lntenmacherischen Ukase des Kaisers Nicolaus, an den Redacteur des
Jewisch Chronicle: "Was die 30,000 Juden betrifft, die nach einer
Meldung Ihres Blattes in Rußland zum Christenthums bekehrt wor¬
den sind, so gebe ich für 30,000 auf sölche Art Bekehrte keine 30
Pfennige. . . . Wenn die Ersten Ihrer Nation sich mit einem Memoire
an den Kaiser wenden wollten, so könnten sie vielleicht einige Abhilfe
erlangen; ... und wer wäre zu einem solchen Unternehmen geeigne¬
ter, als der fromme, eifrige und wohlwollende Sir Moses Monte-
fiore? Gewiß, heutzutage werden Taufende von Christen mit ihnen
petitioniren für die Freiheit ihres Volkes, und ich danke Gott dafür,
daß sich die Zeiten so geändert haben!" -- Es ist nämlich die Rede
davon, daß eine große, von Juden und Christen Englands unttrzeich-


Ballade, kräftige Züge hat „der Büßende," und die altspanischen Ro¬
manzen sind ungemein glücklich behandelt; der frische Humor in den
„Landsknechtslicdern" sticht sehr vortheilhaft ab gegen die elegische
Weichheit in andern Gedichten, und zeigt, daß der Verf. noch immer
mehr als einen Weg aus feinem Zauberkreise finden könnte.
"

In dem gemüthvollen Gedicht „Meinem Lothar kommt eine
Strophe vor, die gewiß vielen Strebenden dieser Zeit aus dem tief¬
sten Herzen gebrochen ist:


„Gebrochne Pläne wirst Du von mir erben,
Verwehte Klänge, halbe Melodie»;
Erfolge, die schon i> Erblühen starben,
Und wenn ich sie erfassen will, entfliehn:
Dir sei ein glücklicheres Loos beschiedcn-
Den Fluch der Halbheit, o den kenne nie! :c>"

Bei dem Worte: Gebrochene Plane, fällt uns das Fragment:
„JunkcrEbboWittingau" ein, und wir müssen nachträglich auf dieses
schöne und nur zu kleine Stück Erzählung verweisen, welches von
.ungewöhnlicher Zartheit in Zeichnung und Färbung ist. Möchte
Schücking dieses oder überhaupt ein erzählendes Gedicht vollenden!
Wir glauben, daß er zu einer solchen Leistung den glücklichsten Beruf,
hätte; und gewiß Niemand wird sich von der Romantik abwenden,
wenn sie ihren Stoffen nur Fleisch und Blut giebt, statt grade durch
ihre Schattenhaftigkeit reizen zu wollen. —

Eine schätzenswerthe Beigabe ist die gelungene Uebertragung der
sibyllinischen Blätter von Samuel Taylor Coleridge.


VI.
Notizen.

Die anglikanischen Iudenbekehrcr. — Das europäische Gleichgewicht in Ame¬
rika. — Religiöse Bcwcgungslitcratur.

— Charakteristisch ist ein Brief, den eine englische Judenzeitung
(das Jewisch Chronicle) mittheilt. Dr. Marsh, aus Leamington, ei¬
ner der eifrigsten Judenmissionäre, schreibt, in Erwähnung der prose-
lntenmacherischen Ukase des Kaisers Nicolaus, an den Redacteur des
Jewisch Chronicle: „Was die 30,000 Juden betrifft, die nach einer
Meldung Ihres Blattes in Rußland zum Christenthums bekehrt wor¬
den sind, so gebe ich für 30,000 auf sölche Art Bekehrte keine 30
Pfennige. . . . Wenn die Ersten Ihrer Nation sich mit einem Memoire
an den Kaiser wenden wollten, so könnten sie vielleicht einige Abhilfe
erlangen; ... und wer wäre zu einem solchen Unternehmen geeigne¬
ter, als der fromme, eifrige und wohlwollende Sir Moses Monte-
fiore? Gewiß, heutzutage werden Taufende von Christen mit ihnen
petitioniren für die Freiheit ihres Volkes, und ich danke Gott dafür,
daß sich die Zeiten so geändert haben!" — Es ist nämlich die Rede
davon, daß eine große, von Juden und Christen Englands unttrzeich-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341550_181809/390>, abgerufen am 09.11.2024.