Die Grenzboten. Jg. 5, 1846, I. Semester. I. Band.Armand Carrel. Ein Journalistenlcdcn. Bei dein Namen Armand Carrel hat in den dreißiger Jahren Grcnzl'oder, 1846. I. 19
Armand Carrel. Ein Journalistenlcdcn. Bei dein Namen Armand Carrel hat in den dreißiger Jahren Grcnzl'oder, 1846. I. 19
<TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0153" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/181963"/> </div> </div> <div n="1"> <head> Armand Carrel.<lb/> Ein Journalistenlcdcn.</head><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> <p xml:id="ID_313"> Bei dein Namen Armand Carrel hat in den dreißiger Jahren<lb/> manches deutsche Herz gepocht, ist manches junge Blut in Enthu¬<lb/> siasmus aufgelodert, und doch hatten die wenigsten dieser Verehrer<lb/> einen klaren Begriff von der Bedeutung ihres Helden. Viele wu߬<lb/> ten nicht viel mehr, als daß der junge Mann in Paris mit ge¬<lb/> waltiger Feder für die Freiheit focht und im Duell mit einem ge¬<lb/> sinnungslosen Schriftsteller erschossen wurde; das genügte, um sich<lb/> den edlen und mit Recht berühmten Franzosen in ein deutschkosmo-<lb/> politisches Fantasiebild zu übersetzen,. Sie .dachten sich einen ju¬<lb/> gendlichen Börne, einen Byron in Prosa, überhaupt einen idealen,<lb/> schwärmerischen Völkerfrühlingsapostel nach Art unserer Volkötri-<lb/> buns, von denen die größten nur durch politische Bergpredigten voll<lb/> tiefer, allgemein menschlicher Ideen, durch geniale Geistesblitze oder<lb/> durch die kühnste Satyre den stumpfen Widerstand des Philister¬<lb/> tums besiegen konnten. In der That, damals konnte man bei<lb/> uns in andern Zungen, wohl zu Gelehrten und Staatsmännern,<lb/> aber nicht zum Volke sprechen, wenn man sein Interesse für Poli¬<lb/> tik erwecken wollte. Die deutsche Freiheit war etwas so Fernes,<lb/> Romantisches, Ueberirdisches, was wie ein Wunder über Nacht<lb/> oder niemals kommen konnte, daß sie, wie das goldne Zeitalter<lb/> und wie das Jenseits, mit Recht als rein poetisches Thema be¬<lb/> handelt wurde. Vom Dichter foderte man nur „verhaltene Parla-<lb/> mentsreden," am liberalen Journalisten goutirte man nur die ver¬<lb/> haltene Lyrik, und was ein großer, publicistischer Held sein sollte,<lb/> mußte auf jeder Seite ein Stück Sturm- und Drangpoet sein.</p><lb/> <fw type="sig" place="bottom"> Grcnzl'oder, 1846. I. 19</fw><lb/> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0153]
Armand Carrel.
Ein Journalistenlcdcn.
Bei dein Namen Armand Carrel hat in den dreißiger Jahren
manches deutsche Herz gepocht, ist manches junge Blut in Enthu¬
siasmus aufgelodert, und doch hatten die wenigsten dieser Verehrer
einen klaren Begriff von der Bedeutung ihres Helden. Viele wu߬
ten nicht viel mehr, als daß der junge Mann in Paris mit ge¬
waltiger Feder für die Freiheit focht und im Duell mit einem ge¬
sinnungslosen Schriftsteller erschossen wurde; das genügte, um sich
den edlen und mit Recht berühmten Franzosen in ein deutschkosmo-
politisches Fantasiebild zu übersetzen,. Sie .dachten sich einen ju¬
gendlichen Börne, einen Byron in Prosa, überhaupt einen idealen,
schwärmerischen Völkerfrühlingsapostel nach Art unserer Volkötri-
buns, von denen die größten nur durch politische Bergpredigten voll
tiefer, allgemein menschlicher Ideen, durch geniale Geistesblitze oder
durch die kühnste Satyre den stumpfen Widerstand des Philister¬
tums besiegen konnten. In der That, damals konnte man bei
uns in andern Zungen, wohl zu Gelehrten und Staatsmännern,
aber nicht zum Volke sprechen, wenn man sein Interesse für Poli¬
tik erwecken wollte. Die deutsche Freiheit war etwas so Fernes,
Romantisches, Ueberirdisches, was wie ein Wunder über Nacht
oder niemals kommen konnte, daß sie, wie das goldne Zeitalter
und wie das Jenseits, mit Recht als rein poetisches Thema be¬
handelt wurde. Vom Dichter foderte man nur „verhaltene Parla-
mentsreden," am liberalen Journalisten goutirte man nur die ver¬
haltene Lyrik, und was ein großer, publicistischer Held sein sollte,
mußte auf jeder Seite ein Stück Sturm- und Drangpoet sein.
Grcnzl'oder, 1846. I. 19
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |