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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band.

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Mas ist besser,
ein geistreicher oder ein beschränkter Censor?



Diese Frage mag Manchen unserer Leser etwas impertinent
klingen, denn offenbar involvirt sie die Möglichkeit, daß ein Censor
beschränkt sein könne. Aber ist eine solche Annahme wohl etwas an sich
Beleidigendes? Niemand wird läugnen, daß der Censor so gut, wie der
Richter, der Einnehmer, der Landrath, u. s. w. ein Staatsamt bekleidet.
Niemand wird ferner läugnen, daß zu jedem StaatSamte gewisse
geistige Eigenschaften erfordert werden. Das alte Sprichwort, "wem
Gott ein Amt gibt, dem gibt er auch Verstand," ist doch wohl nur
ironico zu verstehen. Weshalb sollte also eine Untersuchung darüber,
welche Eigenschaften zu einem guten Censor erforderlich sind, unan-
gcmessner sei", als die Untersuchung über die Qualitäten eines guten
Richters u. s. w.? Wie oft liest man von einem ungerechten Rich¬
ter, von einem ungewtssenhasten Einnehmer, von einem unthätigen
Landrathe? An der Möglichkeit einer solchen Voraussetzung im Allge¬
meinen nimmt Niemand Anstoß, sie wird, als in der Gebrechlichkeit
der menschlichen Dinge begründet, anerkannt, warum sollte denn
immer ein Censor ganz allein als vollkommen und infallibel betrachtet
werden? Unsers Wissen hat bis jetzt der Papst allein von allen
Menschen JnfaMbität in Anspruch genommen, wiewohl dieselbe häu¬
fig in Zweifel gezogen ist und sie seine Amtshandlungen vor ernster
Prüfung und argen Bemerkungen nicht hat schützen können, -- sollte
der Censor ganz allein frei ausgehen? Ich rede hier natürlich nur
von dem Censor im Allgemeinen, von dem Censor in tlwsi, von,
dem absoluten Censor; einen besondern Censor, einen Censor in
pr-lxi, einen persönlichen Censor habe ich nicht im Auge; dergleichen


Grenzboten, 184"- >V. z
Mas ist besser,
ein geistreicher oder ein beschränkter Censor?



Diese Frage mag Manchen unserer Leser etwas impertinent
klingen, denn offenbar involvirt sie die Möglichkeit, daß ein Censor
beschränkt sein könne. Aber ist eine solche Annahme wohl etwas an sich
Beleidigendes? Niemand wird läugnen, daß der Censor so gut, wie der
Richter, der Einnehmer, der Landrath, u. s. w. ein Staatsamt bekleidet.
Niemand wird ferner läugnen, daß zu jedem StaatSamte gewisse
geistige Eigenschaften erfordert werden. Das alte Sprichwort, „wem
Gott ein Amt gibt, dem gibt er auch Verstand," ist doch wohl nur
ironico zu verstehen. Weshalb sollte also eine Untersuchung darüber,
welche Eigenschaften zu einem guten Censor erforderlich sind, unan-
gcmessner sei», als die Untersuchung über die Qualitäten eines guten
Richters u. s. w.? Wie oft liest man von einem ungerechten Rich¬
ter, von einem ungewtssenhasten Einnehmer, von einem unthätigen
Landrathe? An der Möglichkeit einer solchen Voraussetzung im Allge¬
meinen nimmt Niemand Anstoß, sie wird, als in der Gebrechlichkeit
der menschlichen Dinge begründet, anerkannt, warum sollte denn
immer ein Censor ganz allein als vollkommen und infallibel betrachtet
werden? Unsers Wissen hat bis jetzt der Papst allein von allen
Menschen JnfaMbität in Anspruch genommen, wiewohl dieselbe häu¬
fig in Zweifel gezogen ist und sie seine Amtshandlungen vor ernster
Prüfung und argen Bemerkungen nicht hat schützen können, — sollte
der Censor ganz allein frei ausgehen? Ich rede hier natürlich nur
von dem Censor im Allgemeinen, von dem Censor in tlwsi, von,
dem absoluten Censor; einen besondern Censor, einen Censor in
pr-lxi, einen persönlichen Censor habe ich nicht im Auge; dergleichen


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_271260/9>, abgerufen am 05.02.2025.