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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band.

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VI
Nötige n.

Wie die Nassauer Schiffer kein schmuggeln leiden. -- Bcrichtiaungsreprcssali'e.
-- Juden und Deutsche. -- Die preußischen Duellgesche, -- Der neue Leipzi¬
ger Bayard. -- Der "ewige Jude" in Rußland.

-- Es kömmt häusig vor, daß reisende Gesandten und ähnliche
diplomatische Großherren, deren Effecten aus der Grenze nicht visitirt
werden, ganz allerliebste Schmuggeleien machen und werthvolle Sachen,
die ein gewöhnlicher undiplomatischer Sterblicher mit schwerem Gelde
versteuern muß, zollfrei herüber führen. Die Nassauer Schisser am
rechten Rheinufer, ein keckes Völkchen, scheinen jedoch noch gegen
Schmuggler ganz anderer Art rücksichtslos sich zu wehren. Der Brüs¬
seler Universitärsprofessor Herr Auf -- der uns nachfolgende Anekdote
selbst erzählt hat -- war bei den diesjährigen Festen am Rhein unter
der Zahl der fremden Gäste. Bei einem Ausfluge auf dem rechten
Rheinufer wollte er in der Nähe von Eoblenz auf einem der Kahne
ans jenseitige User übersetz.'"; er stieg ein, allein die Schisser, die am
Ufer noch allerlei zu schaffen hatten, zögerten lange mit der Abfahrt.
Mittlerweile stieß eben ein anderer Kahn vom Lande, in welchem zwei,
und wie es schien vornehme Herren saßen. Diese also, die die Un¬
geduld des vergebens Wartenden sahen, luden ihn zuvorkommend ein,
mit ihnen die Ueberfahrt zu machen. Professor Auf nahm die Ein¬
ladung dankbar an. Aber kaun, war er in den gastfreundlichen Kahn
gestiegen, da riefen fünf bis sechs vom Ufer herbeilaufende Schisser:
Das ist verboten! Das darf nicht sein! Der fremde Professor, der
der deutschen Sprache nur halb mächtig ist und von der deutschen Po¬
lizei vielleicht einen desto mächtigeren Begriff hat, erschrack bei diesem
Geschrei und eilte, um nichts Unerlaubtes in einem fremden Lande
zu begehen, trotz des Auredens der beiden Herren in seinen ursprüng¬
lichen Kahn zurück, der endlich langsam sich in Bewegung setzte,
während der andere, von vier tüchtigen Ruderern besetzt, pfeilschnell
voranflog. Herr Auf erkundigte sich nun, warum man ihm verwehrte,
mit dem andern Kahn zu fahren, und erfuhr, daß die Schiffer vom
linken Ufer nicht das Recht haben, Passagiere vom rechten Ufer hin¬
über zu fahren. Kennt ihr die beiden Herren, die in dem andern
Kahne saßen? fragte Herr Auf weiter. "I freilich," antwortete der
Schiffer mit einem pfiffigen Lächeln -- "der Eine war ja der König
our Preiße; aber das thut nischt, wir brauche das nit zu wisse, un
de Preiße derfen uns Nassauer kalte Paschaschire fortnehme." --

-- Unter den deutschen Auswanderern nach Amerika sollen sich
in der letzten Zeit auch mehrere Herren von dem preußischer! Berichti-
gungsbüreau eingeschifft haben. In der That sind die "Berichtigun¬
gen" in den deutschen Zeitungen, die voriges Jahr so viel Aufsehen
wachten, allmählig eingeschlafen, während sie in Amerika auftauchen.
Das in Washington erscheinende officielle Journal "Union" enthielt


VI
Nötige n.

Wie die Nassauer Schiffer kein schmuggeln leiden. — Bcrichtiaungsreprcssali'e.
— Juden und Deutsche. — Die preußischen Duellgesche, — Der neue Leipzi¬
ger Bayard. — Der „ewige Jude" in Rußland.

— Es kömmt häusig vor, daß reisende Gesandten und ähnliche
diplomatische Großherren, deren Effecten aus der Grenze nicht visitirt
werden, ganz allerliebste Schmuggeleien machen und werthvolle Sachen,
die ein gewöhnlicher undiplomatischer Sterblicher mit schwerem Gelde
versteuern muß, zollfrei herüber führen. Die Nassauer Schisser am
rechten Rheinufer, ein keckes Völkchen, scheinen jedoch noch gegen
Schmuggler ganz anderer Art rücksichtslos sich zu wehren. Der Brüs¬
seler Universitärsprofessor Herr Auf — der uns nachfolgende Anekdote
selbst erzählt hat — war bei den diesjährigen Festen am Rhein unter
der Zahl der fremden Gäste. Bei einem Ausfluge auf dem rechten
Rheinufer wollte er in der Nähe von Eoblenz auf einem der Kahne
ans jenseitige User übersetz.'»; er stieg ein, allein die Schisser, die am
Ufer noch allerlei zu schaffen hatten, zögerten lange mit der Abfahrt.
Mittlerweile stieß eben ein anderer Kahn vom Lande, in welchem zwei,
und wie es schien vornehme Herren saßen. Diese also, die die Un¬
geduld des vergebens Wartenden sahen, luden ihn zuvorkommend ein,
mit ihnen die Ueberfahrt zu machen. Professor Auf nahm die Ein¬
ladung dankbar an. Aber kaun, war er in den gastfreundlichen Kahn
gestiegen, da riefen fünf bis sechs vom Ufer herbeilaufende Schisser:
Das ist verboten! Das darf nicht sein! Der fremde Professor, der
der deutschen Sprache nur halb mächtig ist und von der deutschen Po¬
lizei vielleicht einen desto mächtigeren Begriff hat, erschrack bei diesem
Geschrei und eilte, um nichts Unerlaubtes in einem fremden Lande
zu begehen, trotz des Auredens der beiden Herren in seinen ursprüng¬
lichen Kahn zurück, der endlich langsam sich in Bewegung setzte,
während der andere, von vier tüchtigen Ruderern besetzt, pfeilschnell
voranflog. Herr Auf erkundigte sich nun, warum man ihm verwehrte,
mit dem andern Kahn zu fahren, und erfuhr, daß die Schiffer vom
linken Ufer nicht das Recht haben, Passagiere vom rechten Ufer hin¬
über zu fahren. Kennt ihr die beiden Herren, die in dem andern
Kahne saßen? fragte Herr Auf weiter. „I freilich," antwortete der
Schiffer mit einem pfiffigen Lächeln — „der Eine war ja der König
our Preiße; aber das thut nischt, wir brauche das nit zu wisse, un
de Preiße derfen uns Nassauer kalte Paschaschire fortnehme." —

— Unter den deutschen Auswanderern nach Amerika sollen sich
in der letzten Zeit auch mehrere Herren von dem preußischer! Berichti-
gungsbüreau eingeschifft haben. In der That sind die „Berichtigun¬
gen" in den deutschen Zeitungen, die voriges Jahr so viel Aufsehen
wachten, allmählig eingeschlafen, während sie in Amerika auftauchen.
Das in Washington erscheinende officielle Journal „Union" enthielt


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[0524] VI Nötige n. Wie die Nassauer Schiffer kein schmuggeln leiden. — Bcrichtiaungsreprcssali'e. — Juden und Deutsche. — Die preußischen Duellgesche, — Der neue Leipzi¬ ger Bayard. — Der „ewige Jude" in Rußland. — Es kömmt häusig vor, daß reisende Gesandten und ähnliche diplomatische Großherren, deren Effecten aus der Grenze nicht visitirt werden, ganz allerliebste Schmuggeleien machen und werthvolle Sachen, die ein gewöhnlicher undiplomatischer Sterblicher mit schwerem Gelde versteuern muß, zollfrei herüber führen. Die Nassauer Schisser am rechten Rheinufer, ein keckes Völkchen, scheinen jedoch noch gegen Schmuggler ganz anderer Art rücksichtslos sich zu wehren. Der Brüs¬ seler Universitärsprofessor Herr Auf — der uns nachfolgende Anekdote selbst erzählt hat — war bei den diesjährigen Festen am Rhein unter der Zahl der fremden Gäste. Bei einem Ausfluge auf dem rechten Rheinufer wollte er in der Nähe von Eoblenz auf einem der Kahne ans jenseitige User übersetz.'»; er stieg ein, allein die Schisser, die am Ufer noch allerlei zu schaffen hatten, zögerten lange mit der Abfahrt. Mittlerweile stieß eben ein anderer Kahn vom Lande, in welchem zwei, und wie es schien vornehme Herren saßen. Diese also, die die Un¬ geduld des vergebens Wartenden sahen, luden ihn zuvorkommend ein, mit ihnen die Ueberfahrt zu machen. Professor Auf nahm die Ein¬ ladung dankbar an. Aber kaun, war er in den gastfreundlichen Kahn gestiegen, da riefen fünf bis sechs vom Ufer herbeilaufende Schisser: Das ist verboten! Das darf nicht sein! Der fremde Professor, der der deutschen Sprache nur halb mächtig ist und von der deutschen Po¬ lizei vielleicht einen desto mächtigeren Begriff hat, erschrack bei diesem Geschrei und eilte, um nichts Unerlaubtes in einem fremden Lande zu begehen, trotz des Auredens der beiden Herren in seinen ursprüng¬ lichen Kahn zurück, der endlich langsam sich in Bewegung setzte, während der andere, von vier tüchtigen Ruderern besetzt, pfeilschnell voranflog. Herr Auf erkundigte sich nun, warum man ihm verwehrte, mit dem andern Kahn zu fahren, und erfuhr, daß die Schiffer vom linken Ufer nicht das Recht haben, Passagiere vom rechten Ufer hin¬ über zu fahren. Kennt ihr die beiden Herren, die in dem andern Kahne saßen? fragte Herr Auf weiter. „I freilich," antwortete der Schiffer mit einem pfiffigen Lächeln — „der Eine war ja der König our Preiße; aber das thut nischt, wir brauche das nit zu wisse, un de Preiße derfen uns Nassauer kalte Paschaschire fortnehme." — — Unter den deutschen Auswanderern nach Amerika sollen sich in der letzten Zeit auch mehrere Herren von dem preußischer! Berichti- gungsbüreau eingeschifft haben. In der That sind die „Berichtigun¬ gen" in den deutschen Zeitungen, die voriges Jahr so viel Aufsehen wachten, allmählig eingeschlafen, während sie in Amerika auftauchen. Das in Washington erscheinende officielle Journal „Union" enthielt

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_271260/524>, abgerufen am 05.02.2025.