Anmelden (DTAQ) DWDS     dlexDB     CLARIN-D

Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band.

Bild:
<< vorherige Seite
III.
An" Cöln am Rhein.

Prcßpvlizei. -- Gesetzeskunde. -- Der preußische Index. -- Das erste deutsche
lZcnsurmindat. -- Theater. -- Birtuosenthum. -- Fasching. -- Vereinelei.

Der heilige Amtscifer der Polizei, die verbotenen Bücher,
die sich zur Zeit des Verbotes noch beim Buchhändler vorfinden,
wegzunehmen, hat sich ganz gelegt, und zwar seit der Zeit, meint
man hier, daß sich ein den Ostprovinzen entsprossener Herr Coa--
missarius bei einer solchen Gelegenheit einmal die Finger verbrannt
und seines allzugroßen Diensteifers wegen von Oben herab einen
tüchtigen Wischer empfangen. Die Leute aus den Provinzen jen¬
seits des Rheins können sich durchaus nicht darein finden, daß bei
uns noch französisches Recht gilt und scheinen dies oft mit und ohne
Absicht zu vergessen. Einen patriotischen Wunsch können wir nicht
unterdrücken; nämlich den, in allen Volksschulen die Grundzüge un¬
sers Rechtes gelehrt zu sehen, damir der Bürger seine Rechte als
Bürger, die ihm das Gesetz schützt und verbürgt, kennen lernt und
sich wahren könne, wenn irgend eine Gewalt dieselben verletzen will.
Doch um wieder auf die Bücherverbote zurückzukommen, so ist es lu¬
stig anzusehen, wie der polizeiliche Index verbotener Bücher mit jeder
Woche an Umfang gewinnt, zu einem fürchterlich drohenden Ungeheuer
anschwillt, wie weiland Faust's Pudel. Wir hegen aber die feste
Ueberzeugung, daß -- nun doch wenigstens unsere Nachkommen, doch
wenigstens nach hurtig Jahren oder hundert, beim Anblick diefes Rie-
sen-Jud.xes ausrufen werden: War's möglich? Das also verbot man
Anno so und so ? und daß dann unser Index ein Curiosum sein wird,
wie für uns jetzt jener, den Karl V. zum politischen Seelenheil seiner
in Gott geliebten Unterthanen durch den Druck veröffentlichen ließ.--
Eine Merkwürdigkeit in der Geschichte der deutschen Censur ist es
aber, daß Bücher, wie das "humoristische Buch der Narrheit", von
Kalisch, das hier die beste Aufnahme gefunden hat, im neunzehnten
Jahrhundert in der deutschen Stadt erschienen, von wo sich das erste
deutsche Censur-Mandat aus dem fünfzehnten Jahrhundert her¬
schreibt -- nämlich aus Mainz. Hier gab Gutenberg der Welt das
Licht und hier dachte man auch zuerst an Lichtschirm und Löschhorn.
Im Jahre des Heils 1486, sage Eintausend vier hundert sechs und
achtzig, den vierten Januar, erließ der Erzbischof von Mainz, Berthold
gefürsteter Graf von Henneberg und Römhild (1484--1504), das erste
Censur-Mandat. Die ersten wohlbestellten deutschen Censoren hießen
Joann Bertram von Nuenburg für die Theologie, Alexander Dieth-
rich für die Jurisprudenz, Theodorich v. Meschede für die Medicin und


65*
III.
An« Cöln am Rhein.

Prcßpvlizei. — Gesetzeskunde. — Der preußische Index. — Das erste deutsche
lZcnsurmindat. — Theater. — Birtuosenthum. — Fasching. — Vereinelei.

Der heilige Amtscifer der Polizei, die verbotenen Bücher,
die sich zur Zeit des Verbotes noch beim Buchhändler vorfinden,
wegzunehmen, hat sich ganz gelegt, und zwar seit der Zeit, meint
man hier, daß sich ein den Ostprovinzen entsprossener Herr Coa--
missarius bei einer solchen Gelegenheit einmal die Finger verbrannt
und seines allzugroßen Diensteifers wegen von Oben herab einen
tüchtigen Wischer empfangen. Die Leute aus den Provinzen jen¬
seits des Rheins können sich durchaus nicht darein finden, daß bei
uns noch französisches Recht gilt und scheinen dies oft mit und ohne
Absicht zu vergessen. Einen patriotischen Wunsch können wir nicht
unterdrücken; nämlich den, in allen Volksschulen die Grundzüge un¬
sers Rechtes gelehrt zu sehen, damir der Bürger seine Rechte als
Bürger, die ihm das Gesetz schützt und verbürgt, kennen lernt und
sich wahren könne, wenn irgend eine Gewalt dieselben verletzen will.
Doch um wieder auf die Bücherverbote zurückzukommen, so ist es lu¬
stig anzusehen, wie der polizeiliche Index verbotener Bücher mit jeder
Woche an Umfang gewinnt, zu einem fürchterlich drohenden Ungeheuer
anschwillt, wie weiland Faust's Pudel. Wir hegen aber die feste
Ueberzeugung, daß — nun doch wenigstens unsere Nachkommen, doch
wenigstens nach hurtig Jahren oder hundert, beim Anblick diefes Rie-
sen-Jud.xes ausrufen werden: War's möglich? Das also verbot man
Anno so und so ? und daß dann unser Index ein Curiosum sein wird,
wie für uns jetzt jener, den Karl V. zum politischen Seelenheil seiner
in Gott geliebten Unterthanen durch den Druck veröffentlichen ließ.—
Eine Merkwürdigkeit in der Geschichte der deutschen Censur ist es
aber, daß Bücher, wie das „humoristische Buch der Narrheit", von
Kalisch, das hier die beste Aufnahme gefunden hat, im neunzehnten
Jahrhundert in der deutschen Stadt erschienen, von wo sich das erste
deutsche Censur-Mandat aus dem fünfzehnten Jahrhundert her¬
schreibt — nämlich aus Mainz. Hier gab Gutenberg der Welt das
Licht und hier dachte man auch zuerst an Lichtschirm und Löschhorn.
Im Jahre des Heils 1486, sage Eintausend vier hundert sechs und
achtzig, den vierten Januar, erließ der Erzbischof von Mainz, Berthold
gefürsteter Graf von Henneberg und Römhild (1484—1504), das erste
Censur-Mandat. Die ersten wohlbestellten deutschen Censoren hießen
Joann Bertram von Nuenburg für die Theologie, Alexander Dieth-
rich für die Jurisprudenz, Theodorich v. Meschede für die Medicin und


65*
<TEI>
  <text>
    <body>
      <div>
        <div n="1">
          <div n="2">
            <pb facs="#f0515" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/271776"/>
          </div>
          <div n="2">
            <head> III.<lb/>
An« Cöln am Rhein.</head><lb/>
            <note type="argument"> Prcßpvlizei. &#x2014; Gesetzeskunde. &#x2014; Der preußische Index. &#x2014; Das erste deutsche<lb/>
lZcnsurmindat. &#x2014; Theater. &#x2014; Birtuosenthum. &#x2014; Fasching. &#x2014; Vereinelei.</note><lb/>
            <p xml:id="ID_1390" next="#ID_1391"> Der heilige Amtscifer der Polizei, die verbotenen Bücher,<lb/>
die sich zur Zeit des Verbotes noch beim Buchhändler vorfinden,<lb/>
wegzunehmen, hat sich ganz gelegt, und zwar seit der Zeit, meint<lb/>
man hier, daß sich ein den Ostprovinzen entsprossener Herr Coa--<lb/>
missarius bei einer solchen Gelegenheit einmal die Finger verbrannt<lb/>
und seines allzugroßen Diensteifers wegen von Oben herab einen<lb/>
tüchtigen Wischer empfangen. Die Leute aus den Provinzen jen¬<lb/>
seits des Rheins können sich durchaus nicht darein finden, daß bei<lb/>
uns noch französisches Recht gilt und scheinen dies oft mit und ohne<lb/>
Absicht zu vergessen. Einen patriotischen Wunsch können wir nicht<lb/>
unterdrücken; nämlich den, in allen Volksschulen die Grundzüge un¬<lb/>
sers Rechtes gelehrt zu sehen, damir der Bürger seine Rechte als<lb/>
Bürger, die ihm das Gesetz schützt und verbürgt, kennen lernt und<lb/>
sich wahren könne, wenn irgend eine Gewalt dieselben verletzen will.<lb/>
Doch um wieder auf die Bücherverbote zurückzukommen, so ist es lu¬<lb/>
stig anzusehen, wie der polizeiliche Index verbotener Bücher mit jeder<lb/>
Woche an Umfang gewinnt, zu einem fürchterlich drohenden Ungeheuer<lb/>
anschwillt, wie weiland Faust's Pudel. Wir hegen aber die feste<lb/>
Ueberzeugung, daß &#x2014; nun doch wenigstens unsere Nachkommen, doch<lb/>
wenigstens nach hurtig Jahren oder hundert, beim Anblick diefes Rie-<lb/>
sen-Jud.xes ausrufen werden: War's möglich? Das also verbot man<lb/>
Anno so und so ? und daß dann unser Index ein Curiosum sein wird,<lb/>
wie für uns jetzt jener, den Karl V. zum politischen Seelenheil seiner<lb/>
in Gott geliebten Unterthanen durch den Druck veröffentlichen ließ.&#x2014;<lb/>
Eine Merkwürdigkeit in der Geschichte der deutschen Censur ist es<lb/>
aber, daß Bücher, wie das &#x201E;humoristische Buch der Narrheit", von<lb/>
Kalisch, das hier die beste Aufnahme gefunden hat, im neunzehnten<lb/>
Jahrhundert in der deutschen Stadt erschienen, von wo sich das erste<lb/>
deutsche Censur-Mandat aus dem fünfzehnten Jahrhundert her¬<lb/>
schreibt &#x2014; nämlich aus Mainz. Hier gab Gutenberg der Welt das<lb/>
Licht und hier dachte man auch zuerst an Lichtschirm und Löschhorn.<lb/>
Im Jahre des Heils 1486, sage Eintausend vier hundert sechs und<lb/>
achtzig, den vierten Januar, erließ der Erzbischof von Mainz, Berthold<lb/>
gefürsteter Graf von Henneberg und Römhild (1484&#x2014;1504), das erste<lb/>
Censur-Mandat. Die ersten wohlbestellten deutschen Censoren hießen<lb/>
Joann Bertram von Nuenburg für die Theologie, Alexander Dieth-<lb/>
rich für die Jurisprudenz, Theodorich v. Meschede für die Medicin und</p><lb/>
            <fw type="sig" place="bottom"> 65*</fw><lb/>
          </div>
        </div>
      </div>
    </body>
  </text>
</TEI>
[0515] III. An« Cöln am Rhein. Prcßpvlizei. — Gesetzeskunde. — Der preußische Index. — Das erste deutsche lZcnsurmindat. — Theater. — Birtuosenthum. — Fasching. — Vereinelei. Der heilige Amtscifer der Polizei, die verbotenen Bücher, die sich zur Zeit des Verbotes noch beim Buchhändler vorfinden, wegzunehmen, hat sich ganz gelegt, und zwar seit der Zeit, meint man hier, daß sich ein den Ostprovinzen entsprossener Herr Coa-- missarius bei einer solchen Gelegenheit einmal die Finger verbrannt und seines allzugroßen Diensteifers wegen von Oben herab einen tüchtigen Wischer empfangen. Die Leute aus den Provinzen jen¬ seits des Rheins können sich durchaus nicht darein finden, daß bei uns noch französisches Recht gilt und scheinen dies oft mit und ohne Absicht zu vergessen. Einen patriotischen Wunsch können wir nicht unterdrücken; nämlich den, in allen Volksschulen die Grundzüge un¬ sers Rechtes gelehrt zu sehen, damir der Bürger seine Rechte als Bürger, die ihm das Gesetz schützt und verbürgt, kennen lernt und sich wahren könne, wenn irgend eine Gewalt dieselben verletzen will. Doch um wieder auf die Bücherverbote zurückzukommen, so ist es lu¬ stig anzusehen, wie der polizeiliche Index verbotener Bücher mit jeder Woche an Umfang gewinnt, zu einem fürchterlich drohenden Ungeheuer anschwillt, wie weiland Faust's Pudel. Wir hegen aber die feste Ueberzeugung, daß — nun doch wenigstens unsere Nachkommen, doch wenigstens nach hurtig Jahren oder hundert, beim Anblick diefes Rie- sen-Jud.xes ausrufen werden: War's möglich? Das also verbot man Anno so und so ? und daß dann unser Index ein Curiosum sein wird, wie für uns jetzt jener, den Karl V. zum politischen Seelenheil seiner in Gott geliebten Unterthanen durch den Druck veröffentlichen ließ.— Eine Merkwürdigkeit in der Geschichte der deutschen Censur ist es aber, daß Bücher, wie das „humoristische Buch der Narrheit", von Kalisch, das hier die beste Aufnahme gefunden hat, im neunzehnten Jahrhundert in der deutschen Stadt erschienen, von wo sich das erste deutsche Censur-Mandat aus dem fünfzehnten Jahrhundert her¬ schreibt — nämlich aus Mainz. Hier gab Gutenberg der Welt das Licht und hier dachte man auch zuerst an Lichtschirm und Löschhorn. Im Jahre des Heils 1486, sage Eintausend vier hundert sechs und achtzig, den vierten Januar, erließ der Erzbischof von Mainz, Berthold gefürsteter Graf von Henneberg und Römhild (1484—1504), das erste Censur-Mandat. Die ersten wohlbestellten deutschen Censoren hießen Joann Bertram von Nuenburg für die Theologie, Alexander Dieth- rich für die Jurisprudenz, Theodorich v. Meschede für die Medicin und 65*

Informationen zum Werk

Download dieses Werks

XML (TEI P5) · HTML · Text
TCF (text annotation layer)

Metadaten zum Werk

TEI-Header · CMDI · Dublin Core

Ansichten dieser Seite

Feedback

Sie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden.

Kommentar zur DTA-Ausgabe

Dieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen …

Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.

Weitere Informationen:

Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur.

Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (&#xa75b;): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja;

Nachkorrektur erfolgte automatisch.




Ansicht auf Standard zurückstellen

URL zu diesem Werk: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_271260
URL zu dieser Seite: https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_271260/515
Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_271260/515>, abgerufen am 05.02.2025.