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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band.

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ins kirchliche Lager übergegangen. Der blasse Neid und die gelbe
Schelsucht plagen euch. Er sagt: "der Stecken der kirchlichen Ge¬
sinnung grünet, wahrend der eurige dürr ist." Ihr schreit über
Spaltung in der Kirche; Spaltung ist, nach eurer Meinung, der
Uebel größtes -- : el, mit gutem Grunde! denn wenn es zu allge¬
meinem Bruche in der Kirche käme, würdet ihr, die ihr gering an
Zahl und schwach an Kraft seid, um allein zu stehen, nicht wissen
wohin euch halten. "Die Scheu vor dieser mit der äußern, verbun¬
denen innern Krisis, die durch die Zeit immer gebieterischer verlangt
wird, ist es, was euch erbeben macht." -- Das ist die Art, auf
welche Herr Hengstenberg die Gegner zu erobern sucht. Geht's nicht
im Guten, geht's vielleicht im Bösen; was Schmeichelei nicht thut,
thut Spott vielleicht. -- Und wenn auch nicht -- Herr Hengsten¬
berg hat schon Recht. Was wollen, was können die Schleierma-
cherianer machen? Friß, Vogel, oder stirb. Es ist vergebene Mühe,
jene, die sich Herr Schede giebt, den Schleiermacherianern weiß ma¬
chen zu wollen, sie zögen mit den Hengstenbergianern an Einem
Strange. Doch was verlöre die Partei Herrn Hengstenbergs an ihnen ?
Wollen und müssen sie aber in der Kirche bleiben, warum ihnen
Concessionen machen? "Unser Stecken grünt und eurer ist dürr." --

Um was ist derStreit?-- Um die Lehre ? -- Um die Schrift? --
Um die Symbole? -- Um eine Idee? -- Um das Princip der Re¬
formation? -- Um den Glauben? -- Um die christliche Freiheit? --
Um den und jenen Standpunkt? -- --

El nicht doch -- um einen grünen Stecken oder einen dürren!!!


IV.
Aus Hamburg.

Beruhigung der Elbe und des Geldmarktes. -- Dreistes Bankerott"'"". -- Eine
Gassinsterniß. -- Theatralisches. -- Bevorstehende Gemäldeausstellung.

Die Elbe ist längst wieder von ihrer Ueberschwemmungslaune
zurückgekommen und hat sich zu Bett begeben, wie der loyalste Staats¬
bürger, nach gesetzlicher Aufforderung. Unser Geldmarkt gewann bald
nach Abgang meines letzten Schreibens bedeutende Erleichterung, na¬
mentlich veranlaßt durch große Silbersendungen aus England und
Frankreich, von denen sogar ein Theil weiter nach Rußland wandern
konnte. Ist nun auch sonder Zweifel eine neue Gcldcrisis noch für
dieses Jahr, spätestens für den Anfang des künftigen zu erwarten, so
wird deßhalb der von sehr competenter Seite erfolgte Vorschlag zur
Gründung einer Discontobank doch nicht mehr berücksichtigt, sondern
scheint mit Ende der Verlegenheit in die große Rumpelkammer ge-
werfen, wo so Vieles liegt, Vorschläge zu Staatsreformen und zur
Judenemancipation, Proposttionen zu gemeinnützigen Zwecken, zu Er-


ins kirchliche Lager übergegangen. Der blasse Neid und die gelbe
Schelsucht plagen euch. Er sagt: „der Stecken der kirchlichen Ge¬
sinnung grünet, wahrend der eurige dürr ist." Ihr schreit über
Spaltung in der Kirche; Spaltung ist, nach eurer Meinung, der
Uebel größtes — : el, mit gutem Grunde! denn wenn es zu allge¬
meinem Bruche in der Kirche käme, würdet ihr, die ihr gering an
Zahl und schwach an Kraft seid, um allein zu stehen, nicht wissen
wohin euch halten. „Die Scheu vor dieser mit der äußern, verbun¬
denen innern Krisis, die durch die Zeit immer gebieterischer verlangt
wird, ist es, was euch erbeben macht." — Das ist die Art, auf
welche Herr Hengstenberg die Gegner zu erobern sucht. Geht's nicht
im Guten, geht's vielleicht im Bösen; was Schmeichelei nicht thut,
thut Spott vielleicht. — Und wenn auch nicht — Herr Hengsten¬
berg hat schon Recht. Was wollen, was können die Schleierma-
cherianer machen? Friß, Vogel, oder stirb. Es ist vergebene Mühe,
jene, die sich Herr Schede giebt, den Schleiermacherianern weiß ma¬
chen zu wollen, sie zögen mit den Hengstenbergianern an Einem
Strange. Doch was verlöre die Partei Herrn Hengstenbergs an ihnen ?
Wollen und müssen sie aber in der Kirche bleiben, warum ihnen
Concessionen machen? „Unser Stecken grünt und eurer ist dürr." —

Um was ist derStreit?— Um die Lehre ? — Um die Schrift? —
Um die Symbole? — Um eine Idee? — Um das Princip der Re¬
formation? — Um den Glauben? — Um die christliche Freiheit? —
Um den und jenen Standpunkt? — —

El nicht doch — um einen grünen Stecken oder einen dürren!!!


IV.
Aus Hamburg.

Beruhigung der Elbe und des Geldmarktes. — Dreistes Bankerott«'««. — Eine
Gassinsterniß. — Theatralisches. — Bevorstehende Gemäldeausstellung.

Die Elbe ist längst wieder von ihrer Ueberschwemmungslaune
zurückgekommen und hat sich zu Bett begeben, wie der loyalste Staats¬
bürger, nach gesetzlicher Aufforderung. Unser Geldmarkt gewann bald
nach Abgang meines letzten Schreibens bedeutende Erleichterung, na¬
mentlich veranlaßt durch große Silbersendungen aus England und
Frankreich, von denen sogar ein Theil weiter nach Rußland wandern
konnte. Ist nun auch sonder Zweifel eine neue Gcldcrisis noch für
dieses Jahr, spätestens für den Anfang des künftigen zu erwarten, so
wird deßhalb der von sehr competenter Seite erfolgte Vorschlag zur
Gründung einer Discontobank doch nicht mehr berücksichtigt, sondern
scheint mit Ende der Verlegenheit in die große Rumpelkammer ge-
werfen, wo so Vieles liegt, Vorschläge zu Staatsreformen und zur
Judenemancipation, Proposttionen zu gemeinnützigen Zwecken, zu Er-


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_271260/426>, abgerufen am 05.02.2025.