Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band.durchaus nicht mit sich fortzureißen vermochte, während der gleich III. Aus Cöln am Rhein. Neue Censurinstructionen und überhaupt Censur. -- Herr Brüggemann- -- Das fanatische und das heitere Cöln. -- Ein Speculant in Religion. -- Cle¬ mens Augusts Tod. -- Noth und Rückblicke auf die Königsfeste. -- Thea¬ terklage. -- Kunstgenüsse. Man erzählt sich hier wunderliche Dinge über eine neue Censur- durchaus nicht mit sich fortzureißen vermochte, während der gleich III. Aus Cöln am Rhein. Neue Censurinstructionen und überhaupt Censur. — Herr Brüggemann- — Das fanatische und das heitere Cöln. — Ein Speculant in Religion. — Cle¬ mens Augusts Tod. — Noth und Rückblicke auf die Königsfeste. — Thea¬ terklage. — Kunstgenüsse. Man erzählt sich hier wunderliche Dinge über eine neue Censur- <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0236" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/271497"/> <p xml:id="ID_665" prev="#ID_664"> durchaus nicht mit sich fortzureißen vermochte, während der gleich<lb/> darauf als obscurer Schauspieler hier anlangende Döring es an jedem<lb/> Spielabend in Enthusiasmus versetzte. Damit will ich Seydelmanns Ruhm<lb/> nicht im Mindesten angetastet, sondern nur seine wahre Stellung zu dem<lb/> jüngern Nebenbuhler in eine vielleicht für Manchen neue Beleuchtung<lb/> gebracht haben. Wo aber Rivalität ist, da kann schwerlich völlige<lb/> Unbefangenheit und Gerechtigkeit des Urtheils sein — am wenigsten<lb/> zwischen Schauspielern. Seydelmann ist todt; Niemand kann seinen<lb/> Schatten zur Verantwortung ziehen für das, was der Mensch in der<lb/> Gahcung verletzten Selbstgefühles und in den gewiß verzeihlichen<lb/> Stimmungen der Gereiztheit niederschrieb. Diejenigen aber, die der¬<lb/> artige briefliche Aeußerungen aus der Privatchatoulle, wohin sie ge¬<lb/> hören, an das Licht der Oeffentlichkeit brachten und damit aus Un¬<lb/> besonnenheit oder Gehässigkeit wider die bedeutendsten Talente des<lb/> jetzigen Theaters zu Felde ziehen, erscheinen mir in ihrem Thun sehr<lb/> unwürdig. Unter Seydelmanns Briefen, namentlich soweit sie seine<lb/> Urtheile über Künstler und Collegen enthalten, mußte eine viel stren¬<lb/> gere Auswahl getroffen werden. Was Döring speziell betrifft, so ist<lb/> nicht in dem Rötscherschen Buche, wo er namhaft nur Lobeszoll<lb/> erhält, sondern aus dem Kosmarschen Nachlasse in einem Berliner<lb/> Blatte ein Brief Seydelmanns über ihn veröffentlicht.</p><lb/> </div> <div n="2"> <head> III.<lb/> Aus Cöln am Rhein.</head><lb/> <note type="argument"> Neue Censurinstructionen und überhaupt Censur. — Herr Brüggemann- —<lb/> Das fanatische und das heitere Cöln. — Ein Speculant in Religion. — Cle¬<lb/> mens Augusts Tod. — Noth und Rückblicke auf die Königsfeste. — Thea¬<lb/> terklage. — Kunstgenüsse.</note><lb/> <p xml:id="ID_666" next="#ID_667"> Man erzählt sich hier wunderliche Dinge über eine neue Censur-<lb/> instruction, welche, wie es heißt, mit dem I. November in Kraft<lb/> treten soll; nichts eben tröstliches, denn, sagt die Fama, die Gedanken¬<lb/> schlächterei solle danach noch ärger werden, als sie es zuvor war.<lb/> Was soll dann aber erst aus unsrer Publizistik werden? da sie jetzt<lb/> schon mit beiden Füßen lahmt und ihr tagtäglich die Flügel also ge¬<lb/> stutzt werden, daß sie gar nicht mehr daran denkt, einen Aufflug zu<lb/> wagen, und sich ruhig an der Erde hält, indem man sogar die aller-<lb/> alltäglichste Hausmannskost, welche sie uns in den Wassersuppen der<lb/> meisten rheinischen Blätter reicht, nicht sattsam genug bespürnasen<lb/> kann. Und nun soll es noch schlimmer werden?! Als wir jüngst<lb/> unserm Aerger darüber etwas freie Luft machen wollten, wurde uns<lb/> von Einem, welcher täglich auch nicht einen Buchstaben des Rheinischen<lb/> Beobachters ungelesen läßt, der triftige Trost: „Wir können doch<lb/> «och wohl zufrieden sein, wir Preußen; da sehen Sie sich einmal die</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0236]
durchaus nicht mit sich fortzureißen vermochte, während der gleich
darauf als obscurer Schauspieler hier anlangende Döring es an jedem
Spielabend in Enthusiasmus versetzte. Damit will ich Seydelmanns Ruhm
nicht im Mindesten angetastet, sondern nur seine wahre Stellung zu dem
jüngern Nebenbuhler in eine vielleicht für Manchen neue Beleuchtung
gebracht haben. Wo aber Rivalität ist, da kann schwerlich völlige
Unbefangenheit und Gerechtigkeit des Urtheils sein — am wenigsten
zwischen Schauspielern. Seydelmann ist todt; Niemand kann seinen
Schatten zur Verantwortung ziehen für das, was der Mensch in der
Gahcung verletzten Selbstgefühles und in den gewiß verzeihlichen
Stimmungen der Gereiztheit niederschrieb. Diejenigen aber, die der¬
artige briefliche Aeußerungen aus der Privatchatoulle, wohin sie ge¬
hören, an das Licht der Oeffentlichkeit brachten und damit aus Un¬
besonnenheit oder Gehässigkeit wider die bedeutendsten Talente des
jetzigen Theaters zu Felde ziehen, erscheinen mir in ihrem Thun sehr
unwürdig. Unter Seydelmanns Briefen, namentlich soweit sie seine
Urtheile über Künstler und Collegen enthalten, mußte eine viel stren¬
gere Auswahl getroffen werden. Was Döring speziell betrifft, so ist
nicht in dem Rötscherschen Buche, wo er namhaft nur Lobeszoll
erhält, sondern aus dem Kosmarschen Nachlasse in einem Berliner
Blatte ein Brief Seydelmanns über ihn veröffentlicht.
III.
Aus Cöln am Rhein.
Neue Censurinstructionen und überhaupt Censur. — Herr Brüggemann- —
Das fanatische und das heitere Cöln. — Ein Speculant in Religion. — Cle¬
mens Augusts Tod. — Noth und Rückblicke auf die Königsfeste. — Thea¬
terklage. — Kunstgenüsse.
Man erzählt sich hier wunderliche Dinge über eine neue Censur-
instruction, welche, wie es heißt, mit dem I. November in Kraft
treten soll; nichts eben tröstliches, denn, sagt die Fama, die Gedanken¬
schlächterei solle danach noch ärger werden, als sie es zuvor war.
Was soll dann aber erst aus unsrer Publizistik werden? da sie jetzt
schon mit beiden Füßen lahmt und ihr tagtäglich die Flügel also ge¬
stutzt werden, daß sie gar nicht mehr daran denkt, einen Aufflug zu
wagen, und sich ruhig an der Erde hält, indem man sogar die aller-
alltäglichste Hausmannskost, welche sie uns in den Wassersuppen der
meisten rheinischen Blätter reicht, nicht sattsam genug bespürnasen
kann. Und nun soll es noch schlimmer werden?! Als wir jüngst
unserm Aerger darüber etwas freie Luft machen wollten, wurde uns
von Einem, welcher täglich auch nicht einen Buchstaben des Rheinischen
Beobachters ungelesen läßt, der triftige Trost: „Wir können doch
«och wohl zufrieden sein, wir Preußen; da sehen Sie sich einmal die
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