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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band.

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Aufzeichnungen
eines
Icsuitciyöglings im deutschen CoUeg M Rom
von
I. Georg Köbevle



Zweite Abtheilung.
I.

Kaum hatte Pater Aloystus Landes, ein gebomer Schwabe und
Rector des deutschen Collegs, meinen Namen gehört, als er mich
auch schon zärtlich umarmte und seinen neuen geistlichen Sohn
nannte. Die erste Frage war nach meiner Gesundheit: und ob ich
nicht Hunger oder Durst habe! Aber mir war es jetzt nicht um
Essen und Trinken zu thun. Ich fühlte mich so fremd bei diesem
neuen freundlichen Vater neben der Todesstille hinter den vielen ge-
schloßnen Thüren, an welchen ich vorbei geschritten war. Hier
schien mir beim ersten Anblick nicht wohlwollende Milde, nur die
strenge Subordination eines beschränkten, beschaulichen Lebens schien
hier zu walten. Rings herum Symbole der Ascetik, und nirgends
eine Spur jener ansprechenden Gefälligkeit, die auch in des ernsten
Philosophen einsamem Gemach dem eintretenden Gaste laut verkün¬
det, daß die Musen heimisch sind. Das war nicht der Eindruck,
von dem ich in Deutschland geträumt.

Ich mochte wohl diese Mißstimmung nur schlecht unter meiner
lächelnden Miene zu verbergen wissen, und Pater Landes fuhr
freundlich fort: "Sie sind traurig, mein liebes Kind!"

"Nicht doch, mein ehrwürdiger Herr Pater!" fiel ich rasch ein


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Aufzeichnungen
eines
Icsuitciyöglings im deutschen CoUeg M Rom
von
I. Georg Köbevle



Zweite Abtheilung.
I.

Kaum hatte Pater Aloystus Landes, ein gebomer Schwabe und
Rector des deutschen Collegs, meinen Namen gehört, als er mich
auch schon zärtlich umarmte und seinen neuen geistlichen Sohn
nannte. Die erste Frage war nach meiner Gesundheit: und ob ich
nicht Hunger oder Durst habe! Aber mir war es jetzt nicht um
Essen und Trinken zu thun. Ich fühlte mich so fremd bei diesem
neuen freundlichen Vater neben der Todesstille hinter den vielen ge-
schloßnen Thüren, an welchen ich vorbei geschritten war. Hier
schien mir beim ersten Anblick nicht wohlwollende Milde, nur die
strenge Subordination eines beschränkten, beschaulichen Lebens schien
hier zu walten. Rings herum Symbole der Ascetik, und nirgends
eine Spur jener ansprechenden Gefälligkeit, die auch in des ernsten
Philosophen einsamem Gemach dem eintretenden Gaste laut verkün¬
det, daß die Musen heimisch sind. Das war nicht der Eindruck,
von dem ich in Deutschland geträumt.

Ich mochte wohl diese Mißstimmung nur schlecht unter meiner
lächelnden Miene zu verbergen wissen, und Pater Landes fuhr
freundlich fort: „Sie sind traurig, mein liebes Kind!"

„Nicht doch, mein ehrwürdiger Herr Pater!" fiel ich rasch ein


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[0193] Aufzeichnungen eines Icsuitciyöglings im deutschen CoUeg M Rom von I. Georg Köbevle Zweite Abtheilung. I. Kaum hatte Pater Aloystus Landes, ein gebomer Schwabe und Rector des deutschen Collegs, meinen Namen gehört, als er mich auch schon zärtlich umarmte und seinen neuen geistlichen Sohn nannte. Die erste Frage war nach meiner Gesundheit: und ob ich nicht Hunger oder Durst habe! Aber mir war es jetzt nicht um Essen und Trinken zu thun. Ich fühlte mich so fremd bei diesem neuen freundlichen Vater neben der Todesstille hinter den vielen ge- schloßnen Thüren, an welchen ich vorbei geschritten war. Hier schien mir beim ersten Anblick nicht wohlwollende Milde, nur die strenge Subordination eines beschränkten, beschaulichen Lebens schien hier zu walten. Rings herum Symbole der Ascetik, und nirgends eine Spur jener ansprechenden Gefälligkeit, die auch in des ernsten Philosophen einsamem Gemach dem eintretenden Gaste laut verkün¬ det, daß die Musen heimisch sind. Das war nicht der Eindruck, von dem ich in Deutschland geträumt. Ich mochte wohl diese Mißstimmung nur schlecht unter meiner lächelnden Miene zu verbergen wissen, und Pater Landes fuhr freundlich fort: „Sie sind traurig, mein liebes Kind!" „Nicht doch, mein ehrwürdiger Herr Pater!" fiel ich rasch ein <Sra»ji'°ten, !»4S. lV. 24

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_271260/193>, abgerufen am 05.02.2025.