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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester.

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Herr Lewald hat bisher durch diplomatisches Betragen es ver¬
standen, eine strenge Kritik über sich fern zu halten, und es wird ihm
sehr unbequem sein, hier ein Urtheil ausgesprochen zu sehen, das im
Grunde Zeder im Stillen längst ausgesprochen hatte. Er wird schreien und
lamentiren, in jeder Zeile uns eines Berraths beschuldigen. Aber er wird
vergebens in unserem Aufsatze nach den Worten "Gezücht" -- "Schlan¬
gen" u. s. w. suchen. Auch haben wir die prahlerische Ueberschrift
"Abfertigung" nicht gebraucht, erstens weil ein Schriftsteller den an¬
deren wohl befehden, aber keineswegs abfertigen kann, und zweitens
weil wir mit Herrn Lewald gar noch nicht fertig sind --
.
I. Kuranda. Leipzig, im December.


II.
A ," S B cru n.

Thebens'S Hinrichtung. -- Der Localverein und die Boßische Zeitung. -- Tieck
und Rellstab. -- Meyerbeer's Oper. -- Der König und die Theater-
Censur- -- Ronge.

Thebens, von dem bereits seit zwei Monaten nicht mehr gesprochen
worden war, ist mit einem Male wieder der Gegenstand aller Gespräche
geworden, so daß alles Andere dadurch in den Hintergrund gedrängt
wird. Das Beamtengeheimniß -- sonst ein seeroto -t voce" -- ist
dies Mal so streng beobachtet worden, daß ganz Berlin von der Hin¬
richtung erst etwas erfuhr, als diese bereits stattgefunden hatte. Nur
einige Hundert Einwohner Spandaus sind dabei gewesen, und von
diesen erfahrt man, daß Thebens sich bis zum letzten Augenblicke ruhig
und fest gezeigt, sich von Niemand habe berühren lassen, sondern sich
selbst in Alles so gefügt habe, daß die Hinrichtung in wenigen Mi¬
nuten vorüber war. Einer Veröffentlichung der Thatsachen, die etwa
durch seinen Proceß noch constcttitt worden, darf man wohl nun ent¬
gegensehen. ^)



Verehrter Herr! , "Ein Mißverständniß macht Sie ungerecht gegen mich. Die unter den
Einlaufen angezeigten Manuscripte sind nicht angenommen, sondern die
Herren Einsender werden auf diese Weise nur schneller benachrichtigt, daß die
Redaction dieselben empfangen hat (Bravo!). Nur solches, was sogleich als
unbrauchbar erscheint, wird auf der Stelle vernichtet (!!) und nicht angezeigt. --
Ihr sehr interessantes Bruchstück konnte deshalb keine Aufnahme finden, weil
wir in Oesterreich über tausend Abonnenten haben. Eine respectable Zahl,
für die man etwas thun muß, um sie sich zu erhalten (!!!).-- Das erwähnte Bruchstück erschien bald darauf in der Zeitung für die ele¬
gante Welt. Herr Willkomm autorisire uns zur Mittheilung dieses Briefes,
da er keine Privatangelegenheit enthält.
*re
) Wir höen, daß mehrere Journale gewarnt worden sind, über Thebns
sich sehr vorsichtig auszudrücken oder lieber ganz zu schweigen. Noch nach¬
drücklichere Vermahnungen sollen in Berlin selbst ergangen und die Hinrich-
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Herr Lewald hat bisher durch diplomatisches Betragen es ver¬
standen, eine strenge Kritik über sich fern zu halten, und es wird ihm
sehr unbequem sein, hier ein Urtheil ausgesprochen zu sehen, das im
Grunde Zeder im Stillen längst ausgesprochen hatte. Er wird schreien und
lamentiren, in jeder Zeile uns eines Berraths beschuldigen. Aber er wird
vergebens in unserem Aufsatze nach den Worten „Gezücht" — „Schlan¬
gen" u. s. w. suchen. Auch haben wir die prahlerische Ueberschrift
„Abfertigung" nicht gebraucht, erstens weil ein Schriftsteller den an¬
deren wohl befehden, aber keineswegs abfertigen kann, und zweitens
weil wir mit Herrn Lewald gar noch nicht fertig sind —
.
I. Kuranda. Leipzig, im December.


II.
A ,» S B cru n.

Thebens'S Hinrichtung. — Der Localverein und die Boßische Zeitung. — Tieck
und Rellstab. — Meyerbeer's Oper. — Der König und die Theater-
Censur- — Ronge.

Thebens, von dem bereits seit zwei Monaten nicht mehr gesprochen
worden war, ist mit einem Male wieder der Gegenstand aller Gespräche
geworden, so daß alles Andere dadurch in den Hintergrund gedrängt
wird. Das Beamtengeheimniß — sonst ein seeroto -t voce« — ist
dies Mal so streng beobachtet worden, daß ganz Berlin von der Hin¬
richtung erst etwas erfuhr, als diese bereits stattgefunden hatte. Nur
einige Hundert Einwohner Spandaus sind dabei gewesen, und von
diesen erfahrt man, daß Thebens sich bis zum letzten Augenblicke ruhig
und fest gezeigt, sich von Niemand habe berühren lassen, sondern sich
selbst in Alles so gefügt habe, daß die Hinrichtung in wenigen Mi¬
nuten vorüber war. Einer Veröffentlichung der Thatsachen, die etwa
durch seinen Proceß noch constcttitt worden, darf man wohl nun ent¬
gegensehen. ^)



Verehrter Herr! , „Ein Mißverständniß macht Sie ungerecht gegen mich. Die unter den
Einlaufen angezeigten Manuscripte sind nicht angenommen, sondern die
Herren Einsender werden auf diese Weise nur schneller benachrichtigt, daß die
Redaction dieselben empfangen hat (Bravo!). Nur solches, was sogleich als
unbrauchbar erscheint, wird auf der Stelle vernichtet (!!) und nicht angezeigt. —
Ihr sehr interessantes Bruchstück konnte deshalb keine Aufnahme finden, weil
wir in Oesterreich über tausend Abonnenten haben. Eine respectable Zahl,
für die man etwas thun muß, um sie sich zu erhalten (!!!).— Das erwähnte Bruchstück erschien bald darauf in der Zeitung für die ele¬
gante Welt. Herr Willkomm autorisire uns zur Mittheilung dieses Briefes,
da er keine Privatangelegenheit enthält.
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) Wir höen, daß mehrere Journale gewarnt worden sind, über Thebns
sich sehr vorsichtig auszudrücken oder lieber ganz zu schweigen. Noch nach¬
drücklichere Vermahnungen sollen in Berlin selbst ergangen und die Hinrich-
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[0049] Herr Lewald hat bisher durch diplomatisches Betragen es ver¬ standen, eine strenge Kritik über sich fern zu halten, und es wird ihm sehr unbequem sein, hier ein Urtheil ausgesprochen zu sehen, das im Grunde Zeder im Stillen längst ausgesprochen hatte. Er wird schreien und lamentiren, in jeder Zeile uns eines Berraths beschuldigen. Aber er wird vergebens in unserem Aufsatze nach den Worten „Gezücht" — „Schlan¬ gen" u. s. w. suchen. Auch haben wir die prahlerische Ueberschrift „Abfertigung" nicht gebraucht, erstens weil ein Schriftsteller den an¬ deren wohl befehden, aber keineswegs abfertigen kann, und zweitens weil wir mit Herrn Lewald gar noch nicht fertig sind — . I. Kuranda. Leipzig, im December. II. A ,» S B cru n. Thebens'S Hinrichtung. — Der Localverein und die Boßische Zeitung. — Tieck und Rellstab. — Meyerbeer's Oper. — Der König und die Theater- Censur- — Ronge. Thebens, von dem bereits seit zwei Monaten nicht mehr gesprochen worden war, ist mit einem Male wieder der Gegenstand aller Gespräche geworden, so daß alles Andere dadurch in den Hintergrund gedrängt wird. Das Beamtengeheimniß — sonst ein seeroto -t voce« — ist dies Mal so streng beobachtet worden, daß ganz Berlin von der Hin¬ richtung erst etwas erfuhr, als diese bereits stattgefunden hatte. Nur einige Hundert Einwohner Spandaus sind dabei gewesen, und von diesen erfahrt man, daß Thebens sich bis zum letzten Augenblicke ruhig und fest gezeigt, sich von Niemand habe berühren lassen, sondern sich selbst in Alles so gefügt habe, daß die Hinrichtung in wenigen Mi¬ nuten vorüber war. Einer Veröffentlichung der Thatsachen, die etwa durch seinen Proceß noch constcttitt worden, darf man wohl nun ent¬ gegensehen. ^) Verehrter Herr! , „Ein Mißverständniß macht Sie ungerecht gegen mich. Die unter den Einlaufen angezeigten Manuscripte sind nicht angenommen, sondern die Herren Einsender werden auf diese Weise nur schneller benachrichtigt, daß die Redaction dieselben empfangen hat (Bravo!). Nur solches, was sogleich als unbrauchbar erscheint, wird auf der Stelle vernichtet (!!) und nicht angezeigt. — Ihr sehr interessantes Bruchstück konnte deshalb keine Aufnahme finden, weil wir in Oesterreich über tausend Abonnenten haben. Eine respectable Zahl, für die man etwas thun muß, um sie sich zu erhalten (!!!).— Das erwähnte Bruchstück erschien bald darauf in der Zeitung für die ele¬ gante Welt. Herr Willkomm autorisire uns zur Mittheilung dieses Briefes, da er keine Privatangelegenheit enthält. *re ) Wir höen, daß mehrere Journale gewarnt worden sind, über Thebns sich sehr vorsichtig auszudrücken oder lieber ganz zu schweigen. Noch nach¬ drücklichere Vermahnungen sollen in Berlin selbst ergangen und die Hinrich- tt»

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_269416/49>, abgerufen am 22.07.2024.