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Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester.

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hier Manches, was ein Helles Licht auf die Herbstvorsälle des Jahrs
1844 in Böhmen wirst. So waren es ausschließlich die fremden
Drucker, welche die böhmischen Arbeiter aufwiegelten und darum trach¬
tete man vor Allen der Sachsen und Preußen habhaft zu werden,
welche man alsdann schnell über die Grenze transportirte. In ganz
Oesterreich hegt die Polizei eine lebendige Abneigung gegen die Frem¬
den, welche sie als die Quelle alles Uebels ansieht, indem sie den Oe¬
sterreichern selbst keine Auflehnung ohne äußere Aufreizung zutraut.
Zudem verstanden die Drucker, welche Deputationen an den Erzherzog
absandten, ihre Sache sehr gründlich zu führen und namentlich soll
ihr an die Regierung gestelltes Ansuchen um Beseitigung der Maschi¬
nen nicht schlecht motivirt gewesen sein, denn auf den Bescheid, daß
die Perrotincn nicht abgeschafft werden könnten, weil die inländischen
Fabriken sonst nicht die Concurrenz mit den auswärtigen aushalten
würden, antworteten sie: Dies wäre richtig, wenn die Prager Fabri¬
kanten dieses Manufakturzweiges überhaupt auswärtige Geschäfte mach¬
ten, allein dies sei nicht der Fall, wie es eine Prüfung der Fabrik-
büchcr zeigen müsse und der inländische Markt sei ihnen ja ohnehin
durch das Prohibitivsystem gesichert. Wenn die böhmischen Fabrikan¬
ten auch theurer verkauften, so sei es nicht ihr Schade, sondern der
der Consumenten, und diese könnten sich gern diesen Aufschlag gefallen
lassen, weil sie mittelst desselben ihre hungernden Brüder beschäftigen;
allein die Fabrikanten möchten ebenso wohlfeil erzeugen und gleichwohl
theurer verkaufen, um die Differenz für sich zu behalten. Es ist nicht
bekannt geworden, daß man dieses gesunde Räsonnement der Prole¬
tarier faktisch widerlegt hätte.


2.

Die Militärpflicht. -- Die Jndustrieausstttlunc, soll versichert werden. -- Mme.
Weiß. -- Die Kunstreiter und die Aristokratie. -- Moritz von Sachsen. --
Bauernfeld und die Tantiemen. -- Jerrmann, Beckman". -- Willmers. --
Resolution über den U. Schutzverein.

Die kaiserliche Entschließung wegen Verkürzung der Eapitula-
tion für die Conscriptionspflichtigen der deutschen Erbländer ist seither
publicirt worden und hat nicht verfehlt, unter der betreffenden Volks¬
klasse große Freude zu verbreiten, indem jetzt ein junger Mensch von
siebzehn Jahren, der freiwillig in's Militär tritt, denn gestellt wird er
erst mit einundzwanzig Jahren, mit fünfundzwanzig Jahren den Dienst
verläßt und sobald er ein selbständiges Geschäft betreiben will, auch
nicht mehr in Friedenszeit zur Landwehr genommen werden kann, son¬
dern lediglich in die Reserveliste eingeschrieben wird. Wer indeß tief-
eingreifende Veränderungen im Militärstande gehofft, hat sich getäuscht;
alle das Rekrutirungssvstem betreffenden Normalien bleiben nach wie
vor in Kraft und es ist weder in Bezug auf allgemeine Wehrpflicht,
noch wegen Einführung des bereits in Italien und Tyrol bestehenden


hier Manches, was ein Helles Licht auf die Herbstvorsälle des Jahrs
1844 in Böhmen wirst. So waren es ausschließlich die fremden
Drucker, welche die böhmischen Arbeiter aufwiegelten und darum trach¬
tete man vor Allen der Sachsen und Preußen habhaft zu werden,
welche man alsdann schnell über die Grenze transportirte. In ganz
Oesterreich hegt die Polizei eine lebendige Abneigung gegen die Frem¬
den, welche sie als die Quelle alles Uebels ansieht, indem sie den Oe¬
sterreichern selbst keine Auflehnung ohne äußere Aufreizung zutraut.
Zudem verstanden die Drucker, welche Deputationen an den Erzherzog
absandten, ihre Sache sehr gründlich zu führen und namentlich soll
ihr an die Regierung gestelltes Ansuchen um Beseitigung der Maschi¬
nen nicht schlecht motivirt gewesen sein, denn auf den Bescheid, daß
die Perrotincn nicht abgeschafft werden könnten, weil die inländischen
Fabriken sonst nicht die Concurrenz mit den auswärtigen aushalten
würden, antworteten sie: Dies wäre richtig, wenn die Prager Fabri¬
kanten dieses Manufakturzweiges überhaupt auswärtige Geschäfte mach¬
ten, allein dies sei nicht der Fall, wie es eine Prüfung der Fabrik-
büchcr zeigen müsse und der inländische Markt sei ihnen ja ohnehin
durch das Prohibitivsystem gesichert. Wenn die böhmischen Fabrikan¬
ten auch theurer verkauften, so sei es nicht ihr Schade, sondern der
der Consumenten, und diese könnten sich gern diesen Aufschlag gefallen
lassen, weil sie mittelst desselben ihre hungernden Brüder beschäftigen;
allein die Fabrikanten möchten ebenso wohlfeil erzeugen und gleichwohl
theurer verkaufen, um die Differenz für sich zu behalten. Es ist nicht
bekannt geworden, daß man dieses gesunde Räsonnement der Prole¬
tarier faktisch widerlegt hätte.


2.

Die Militärpflicht. — Die Jndustrieausstttlunc, soll versichert werden. — Mme.
Weiß. — Die Kunstreiter und die Aristokratie. — Moritz von Sachsen. —
Bauernfeld und die Tantiemen. — Jerrmann, Beckman». — Willmers. —
Resolution über den U. Schutzverein.

Die kaiserliche Entschließung wegen Verkürzung der Eapitula-
tion für die Conscriptionspflichtigen der deutschen Erbländer ist seither
publicirt worden und hat nicht verfehlt, unter der betreffenden Volks¬
klasse große Freude zu verbreiten, indem jetzt ein junger Mensch von
siebzehn Jahren, der freiwillig in's Militär tritt, denn gestellt wird er
erst mit einundzwanzig Jahren, mit fünfundzwanzig Jahren den Dienst
verläßt und sobald er ein selbständiges Geschäft betreiben will, auch
nicht mehr in Friedenszeit zur Landwehr genommen werden kann, son¬
dern lediglich in die Reserveliste eingeschrieben wird. Wer indeß tief-
eingreifende Veränderungen im Militärstande gehofft, hat sich getäuscht;
alle das Rekrutirungssvstem betreffenden Normalien bleiben nach wie
vor in Kraft und es ist weder in Bezug auf allgemeine Wehrpflicht,
noch wegen Einführung des bereits in Italien und Tyrol bestehenden


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[0487] hier Manches, was ein Helles Licht auf die Herbstvorsälle des Jahrs 1844 in Böhmen wirst. So waren es ausschließlich die fremden Drucker, welche die böhmischen Arbeiter aufwiegelten und darum trach¬ tete man vor Allen der Sachsen und Preußen habhaft zu werden, welche man alsdann schnell über die Grenze transportirte. In ganz Oesterreich hegt die Polizei eine lebendige Abneigung gegen die Frem¬ den, welche sie als die Quelle alles Uebels ansieht, indem sie den Oe¬ sterreichern selbst keine Auflehnung ohne äußere Aufreizung zutraut. Zudem verstanden die Drucker, welche Deputationen an den Erzherzog absandten, ihre Sache sehr gründlich zu führen und namentlich soll ihr an die Regierung gestelltes Ansuchen um Beseitigung der Maschi¬ nen nicht schlecht motivirt gewesen sein, denn auf den Bescheid, daß die Perrotincn nicht abgeschafft werden könnten, weil die inländischen Fabriken sonst nicht die Concurrenz mit den auswärtigen aushalten würden, antworteten sie: Dies wäre richtig, wenn die Prager Fabri¬ kanten dieses Manufakturzweiges überhaupt auswärtige Geschäfte mach¬ ten, allein dies sei nicht der Fall, wie es eine Prüfung der Fabrik- büchcr zeigen müsse und der inländische Markt sei ihnen ja ohnehin durch das Prohibitivsystem gesichert. Wenn die böhmischen Fabrikan¬ ten auch theurer verkauften, so sei es nicht ihr Schade, sondern der der Consumenten, und diese könnten sich gern diesen Aufschlag gefallen lassen, weil sie mittelst desselben ihre hungernden Brüder beschäftigen; allein die Fabrikanten möchten ebenso wohlfeil erzeugen und gleichwohl theurer verkaufen, um die Differenz für sich zu behalten. Es ist nicht bekannt geworden, daß man dieses gesunde Räsonnement der Prole¬ tarier faktisch widerlegt hätte. 2. Die Militärpflicht. — Die Jndustrieausstttlunc, soll versichert werden. — Mme. Weiß. — Die Kunstreiter und die Aristokratie. — Moritz von Sachsen. — Bauernfeld und die Tantiemen. — Jerrmann, Beckman». — Willmers. — Resolution über den U. Schutzverein. Die kaiserliche Entschließung wegen Verkürzung der Eapitula- tion für die Conscriptionspflichtigen der deutschen Erbländer ist seither publicirt worden und hat nicht verfehlt, unter der betreffenden Volks¬ klasse große Freude zu verbreiten, indem jetzt ein junger Mensch von siebzehn Jahren, der freiwillig in's Militär tritt, denn gestellt wird er erst mit einundzwanzig Jahren, mit fünfundzwanzig Jahren den Dienst verläßt und sobald er ein selbständiges Geschäft betreiben will, auch nicht mehr in Friedenszeit zur Landwehr genommen werden kann, son¬ dern lediglich in die Reserveliste eingeschrieben wird. Wer indeß tief- eingreifende Veränderungen im Militärstande gehofft, hat sich getäuscht; alle das Rekrutirungssvstem betreffenden Normalien bleiben nach wie vor in Kraft und es ist weder in Bezug auf allgemeine Wehrpflicht, noch wegen Einführung des bereits in Italien und Tyrol bestehenden

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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 4, 1845, I. Semester, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341548_269416/487>, abgerufen am 22.07.2024.