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Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band.

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<in den Bischof Arnold! hierorts bewirkt, ist in der That eine außer¬
ordentliche. Die ultramontane Partei ist in ungewöhnlicher Aufregung,
donnert von den Kanzeln und Kathedern ihre Bannflüche gegen die
schlechte Presse und speit durch ihr Organ, das Schlesische Kirchen¬
blatt, Feuer und Flammen gegen diejenigen, welche die Schaustellung
des Trier'schen Rockes ein Skandal und den Ronge'schen Brief eine
kühne That des Geistes zu nennen wagen. Ronge ist eben ausOber-
schlesr'en angelangt und wird von allen Seiten, die Clique des Kir¬
chenblatts ausgenommen, mit zuvorkommender Aufmerksamkeit behan¬
delt. Der bescheidene, äußerst anspruchslose Priester kann sich gar nicht
in all die ihm bereiteten Huldigungen finden. Nächstens haben wir
eine actenmäßige Darstellung seiner Amtssuspension, von ihm selbst
verfaßt, zu erwarten. Wenn ich nicht irre, erscheint sie bei Friese in
Leipzig. -- In entgegengesetzter Weise beschäftigt uns die Provinzial-
snnode. Ich kann Ihnen unmöglich die Stimmung schildern, mit der
man auf die Berathungen der hohen Synhedra blickt. Hier ist es
eine durch das anscheinende Gelingen reactionärer Versuche erzeugte
Besorgniß, dort eine fast höhnische Ruhe, mit der man dem herauf¬
ziehenden Unwetter entgegenschaut. Sie werden bereits aus den Zei¬
tungen ersehen haben (nicht aus unseren; die seufzen unter dem här¬
testen Censurdrucke), daß die Stadtverordneten in Breslau ein energi¬
sches Veto gegen die Beschlüsse der geistlichen Herren einzulegen ge¬
sonnen sind. Als dieser Beschluß in der Stadt kund wurde, sprach
sich überall die freudigste Zustimmung aus. Man möchte der Regie¬
rung nicht rathen, von dieser Seite das Volk anzugreifen. Hier ist
die verwundbare Stelle des sonst hornhautigen deutschen Siegfried. --


x.
IV.
Notizen.

Mullah-Nur von Alexander Mcirlinski. -- Wollenstein, ein Burschenschafter
des 17. Jahrhunderts. -- Verdrehungskunst. -- Berichtigung. -- Große Ver¬
legenheit. -- Auch ein Obercensurgericht. -- Kampfbegierde preußischer Offi¬
ziere. -- Polnische Fragen. -- Die sieben Codsünden.

-- Mullah-Nur heißt die zweite Marlinskische Novelle aus dem
Kaukasus, die (übersetzt von Philipp Löbenstein) bei Th. Thomas in
Leipzig erschienen ist. Sie spielt auf einem ganz andern Boden, als
die erste (Ammalat-Beck), welche wir bereits erwähnten: nämlich
unter persischen Tataren von der fanatischen Sekte der Schiiten. Auch
im Orient gibt es gar friedlich gesinnte Kleinkrämer: dies sind z. B.
die Einwohner von Derbend, die, unter dem Zwang und Schutz des
russischen Adlers vegetirend, vom stolzen Bergadler, dem Räuber
Mullah-Nur, grade so verhaßt und verachtet werden, wie in Scott's
Romanen die schottischen Niederländer von den Hochländern. Der


<in den Bischof Arnold! hierorts bewirkt, ist in der That eine außer¬
ordentliche. Die ultramontane Partei ist in ungewöhnlicher Aufregung,
donnert von den Kanzeln und Kathedern ihre Bannflüche gegen die
schlechte Presse und speit durch ihr Organ, das Schlesische Kirchen¬
blatt, Feuer und Flammen gegen diejenigen, welche die Schaustellung
des Trier'schen Rockes ein Skandal und den Ronge'schen Brief eine
kühne That des Geistes zu nennen wagen. Ronge ist eben ausOber-
schlesr'en angelangt und wird von allen Seiten, die Clique des Kir¬
chenblatts ausgenommen, mit zuvorkommender Aufmerksamkeit behan¬
delt. Der bescheidene, äußerst anspruchslose Priester kann sich gar nicht
in all die ihm bereiteten Huldigungen finden. Nächstens haben wir
eine actenmäßige Darstellung seiner Amtssuspension, von ihm selbst
verfaßt, zu erwarten. Wenn ich nicht irre, erscheint sie bei Friese in
Leipzig. — In entgegengesetzter Weise beschäftigt uns die Provinzial-
snnode. Ich kann Ihnen unmöglich die Stimmung schildern, mit der
man auf die Berathungen der hohen Synhedra blickt. Hier ist es
eine durch das anscheinende Gelingen reactionärer Versuche erzeugte
Besorgniß, dort eine fast höhnische Ruhe, mit der man dem herauf¬
ziehenden Unwetter entgegenschaut. Sie werden bereits aus den Zei¬
tungen ersehen haben (nicht aus unseren; die seufzen unter dem här¬
testen Censurdrucke), daß die Stadtverordneten in Breslau ein energi¬
sches Veto gegen die Beschlüsse der geistlichen Herren einzulegen ge¬
sonnen sind. Als dieser Beschluß in der Stadt kund wurde, sprach
sich überall die freudigste Zustimmung aus. Man möchte der Regie¬
rung nicht rathen, von dieser Seite das Volk anzugreifen. Hier ist
die verwundbare Stelle des sonst hornhautigen deutschen Siegfried. —


x.
IV.
Notizen.

Mullah-Nur von Alexander Mcirlinski. — Wollenstein, ein Burschenschafter
des 17. Jahrhunderts. — Verdrehungskunst. — Berichtigung. — Große Ver¬
legenheit. — Auch ein Obercensurgericht. — Kampfbegierde preußischer Offi¬
ziere. — Polnische Fragen. — Die sieben Codsünden.

— Mullah-Nur heißt die zweite Marlinskische Novelle aus dem
Kaukasus, die (übersetzt von Philipp Löbenstein) bei Th. Thomas in
Leipzig erschienen ist. Sie spielt auf einem ganz andern Boden, als
die erste (Ammalat-Beck), welche wir bereits erwähnten: nämlich
unter persischen Tataren von der fanatischen Sekte der Schiiten. Auch
im Orient gibt es gar friedlich gesinnte Kleinkrämer: dies sind z. B.
die Einwohner von Derbend, die, unter dem Zwang und Schutz des
russischen Adlers vegetirend, vom stolzen Bergadler, dem Räuber
Mullah-Nur, grade so verhaßt und verachtet werden, wie in Scott's
Romanen die schottischen Niederländer von den Hochländern. Der


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Zitationshilfe: Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band, S. . In: Deutsches Textarchiv <https://www.deutschestextarchiv.de/grenzboten_341546_341790/518>, abgerufen am 04.12.2024.