Die Grenzboten. Jg. 3, 1844, II. Semester. II. Band.Thaten, die eine glücklichere Epoche herbeischaffen halfen, kaum so Soll ich noch von den einzelnen Dichtungen Adalbert Stifter's II. Dome über "lau. Es war ein trüber Tag im Jahre 1837; der Winter sträubte Thaten, die eine glücklichere Epoche herbeischaffen halfen, kaum so Soll ich noch von den einzelnen Dichtungen Adalbert Stifter's II. Dome über «lau. Es war ein trüber Tag im Jahre 1837; der Winter sträubte <TEI> <text> <body> <div> <div n="1"> <div n="2"> <pb facs="#f0506" corresp="http://brema.suub.uni-bremen.de/grenzboten/periodical/pageview/181690"/> <p xml:id="ID_1451" prev="#ID_1450"> Thaten, die eine glücklichere Epoche herbeischaffen halfen, kaum so<lb/> dankbar zurückblicken, als auf das stille Wirken Weniger, die beschei¬<lb/> den dafür sorgten, daß in den staubaufwirbelnden Kämpfen der Sinn<lb/> für die eigentliche künstlerische Schönheit noch wach genug blieb, um<lb/> die neugeborne bessere Zeit auch ästhetisch genießen zu können. Mö¬<lb/> gen sich Viele dazu berufen fühlen, mit rüstigen Händen und ohne<lb/> Furcht sich zu besudeln, unter dem lärmenden Arbeitertroß zu stehn,<lb/> der den Bau der neuen Zeit aufführen will, mögen sie für und wi¬<lb/> der an dem tobenden Gezänke theilnehmen, das den Bau fördern<lb/> helfen soll: der einstige Bewohner desselben wird doch weniger ihrer<lb/> gedenken, als der stillen Künstler, die schon damals das Körnchen<lb/> zum Rosengarten pflanzten, dessen Lauben ihn jetzt üppig umranken.</p><lb/> <p xml:id="ID_1452"> Soll ich noch von den einzelnen Dichtungen Adalbert Stifter's<lb/> sprechen, von den Stoffen, die er behandelt, von den Gestalten, die<lb/> er uns vorführt? Morgenländisch beuge ich mich vor dem Aufgang<lb/> des Genies, gleichgiltig, welchen Gegenstand es eben beleuchte, in<lb/> solchem Lichte wird er immer glänzend erscheinen. Stifter kennt den<lb/> Menschen, weil er die Natur kennt, in ihrer Schönheit, wie in<lb/> ihren Schrecken. So sieht er im Menschenherzen nicht nur die idea¬<lb/> len Blüthen, auch den Moder und die unheildrohenden Klüfte, aber<lb/> klaren Auges blickt er in jeden Abgrund, er weiß, daß kein Ort so<lb/> finster, um nicht einen Lichtkörper, keine Brust so dunkel, um nicht<lb/> einen Funken Liebe zu enthalten. Am liebsten aber liegt er doch,<lb/> kindisch träumend, ausgestreckt auf dein Grase und bemüht sich die<lb/> Sprache zu studiren, durch welche er den ziehenden Wolken wie den<lb/> emsigen Käfern verständlich werden könnte.</p><lb/> <milestone rendition="#hr" unit="section"/><lb/> </div> <div n="2"> <head> II.<lb/> Dome über «lau.</head><lb/> <p xml:id="ID_1453" next="#ID_1454"> Es war ein trüber Tag im Jahre 1837; der Winter sträubte<lb/> sich noch despotisch-hartnäckig gegen die heranziehenden Frühlings¬<lb/> lüfte, gegen das Nahen der wehenden Freiheitöfahnen, die ihn ver-</p><lb/> </div> </div> </div> </body> </text> </TEI> [0506]
Thaten, die eine glücklichere Epoche herbeischaffen halfen, kaum so
dankbar zurückblicken, als auf das stille Wirken Weniger, die beschei¬
den dafür sorgten, daß in den staubaufwirbelnden Kämpfen der Sinn
für die eigentliche künstlerische Schönheit noch wach genug blieb, um
die neugeborne bessere Zeit auch ästhetisch genießen zu können. Mö¬
gen sich Viele dazu berufen fühlen, mit rüstigen Händen und ohne
Furcht sich zu besudeln, unter dem lärmenden Arbeitertroß zu stehn,
der den Bau der neuen Zeit aufführen will, mögen sie für und wi¬
der an dem tobenden Gezänke theilnehmen, das den Bau fördern
helfen soll: der einstige Bewohner desselben wird doch weniger ihrer
gedenken, als der stillen Künstler, die schon damals das Körnchen
zum Rosengarten pflanzten, dessen Lauben ihn jetzt üppig umranken.
Soll ich noch von den einzelnen Dichtungen Adalbert Stifter's
sprechen, von den Stoffen, die er behandelt, von den Gestalten, die
er uns vorführt? Morgenländisch beuge ich mich vor dem Aufgang
des Genies, gleichgiltig, welchen Gegenstand es eben beleuchte, in
solchem Lichte wird er immer glänzend erscheinen. Stifter kennt den
Menschen, weil er die Natur kennt, in ihrer Schönheit, wie in
ihren Schrecken. So sieht er im Menschenherzen nicht nur die idea¬
len Blüthen, auch den Moder und die unheildrohenden Klüfte, aber
klaren Auges blickt er in jeden Abgrund, er weiß, daß kein Ort so
finster, um nicht einen Lichtkörper, keine Brust so dunkel, um nicht
einen Funken Liebe zu enthalten. Am liebsten aber liegt er doch,
kindisch träumend, ausgestreckt auf dein Grase und bemüht sich die
Sprache zu studiren, durch welche er den ziehenden Wolken wie den
emsigen Käfern verständlich werden könnte.
II.
Dome über «lau.
Es war ein trüber Tag im Jahre 1837; der Winter sträubte
sich noch despotisch-hartnäckig gegen die heranziehenden Frühlings¬
lüfte, gegen das Nahen der wehenden Freiheitöfahnen, die ihn ver-
Informationen zum Werk
Download dieses Werks
XML (TEI P5) ·
HTML ·
Text Metadaten zum WerkTEI-Header · CMDI · Dublin Core Ansichten dieser Seite
FeedbackSie haben einen Fehler gefunden? Dann können Sie diesen über unsere Qualitätssicherungsplattform DTAQ melden. Kommentar zur DTA-AusgabeDieses Werk wurde im Rahmen des Moduls DTA-Erweiterungen (DTAE) digitalisiert. Weitere Informationen … Staats- und Universitätsbibliothek (SuUB) Bremen: Bereitstellung der Texttranskription.
Kay-Michael Würzner: Bearbeitung der digitalen Edition.
Weitere Informationen:Verfahren der Texterfassung: OCR mit Nachkorrektur. Bogensignaturen: gekennzeichnet;Druckfehler: ignoriert;fremdsprachliches Material: nicht gekennzeichnet;Geminations-/Abkürzungsstriche: wie Vorlage;Hervorhebungen (Antiqua, Sperrschrift, Kursive etc.): nicht ausgezeichnet;i/j in Fraktur: wie Vorlage;I/J in Fraktur: wie Vorlage;Kolumnentitel: gekennzeichnet;Kustoden: gekennzeichnet;langes s (ſ): als s transkribiert;Normalisierungen: stillschweigend;rundes r (ꝛ): als r/et transkribiert;Seitenumbrüche markiert: ja;Silbentrennung: wie Vorlage;u/v bzw. U/V: wie Vorlage;Vokale mit übergest. e: als ä/ö/ü transkribiert;Vollständigkeit: vollständig erfasst;Zeichensetzung: wie Vorlage;Zeilenumbrüche markiert: ja; Nachkorrektur erfolgte automatisch.
|
Insbesondere im Hinblick auf die §§ 86a StGB und 130 StGB wird festgestellt, dass die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte weder in irgendeiner Form propagandistischen Zwecken dienen, oder Werbung für verbotene Organisationen oder Vereinigungen darstellen, oder nationalsozialistische Verbrechen leugnen oder verharmlosen, noch zum Zwecke der Herabwürdigung der Menschenwürde gezeigt werden. Die auf diesen Seiten abgebildeten Inhalte (in Wort und Bild) dienen im Sinne des § 86 StGB Abs. 3 ausschließlich historischen, sozial- oder kulturwissenschaftlichen Forschungszwecken. Ihre Veröffentlichung erfolgt in der Absicht, Wissen zur Anregung der intellektuellen Selbstständigkeit und Verantwortungsbereitschaft des Staatsbürgers zu vermitteln und damit der Förderung seiner Mündigkeit zu dienen.
2007–2024 Deutsches Textarchiv, Berlin-Brandenburgische Akademie der Wissenschaften.
Kontakt: redaktion(at)deutschestextarchiv.de. |